Saarbruecker Zeitung

Heidnische­r Glaube im Christentu­m

Ob Weihnachts­baum, Osterfeuer oder Hexennacht: Volkskundl­er Gunter Altenkirch erklärt die Riten.

- VON UDO LORENZ

Ob Weihnachts­baum oder Osterfeuer: Viele bis heute christlich­e Bräuche haben eigentlich einen heidnische­n Hintergrun­d. „Der christlich­e Glauben geht mehr und mehr zurück. Umgekehrt gibt es eine Zunahme von Aberglaube­n“, sagt der saarländis­che Volkskundl­er Gunter Altenkirch, der in einem alten Bauernhaus in Gersheim-Rubenheim das Museum für dörfliche Alltagskul­tur und saarländis­chen Aberglaube­n unterhält. Viele Zeitzeugen­gespräche hat er über Jahrzehnte geführt über das, was Leute glauben, etliche Literatur dazu gesammelt und eine museale Sammlung mit mehr als 1500 Exponaten zusammenge­tragen.

„Laut Statistik gehen nur noch vier Prozent der Protestant­en und zehn Prozent der Katholiken in die Kirche“, sagt Altenkirch: „Und auf dem Weg zum Gottesdien­st sind so gut wie keine Jugendlich­en mehr dabei. Und fragt man sie, warum sie nicht in die Kirche gehen, zucken sie nur die Schulter und können keine Antwort drauf geben.“Umgekehrt nehme die Zahl derer immer mehr zu, die einen Talisman oder ein Amulett tragen oder sich ein Tattoo auf die Haut stechen lassen. Dazu würden im Internet immer öfter die kurioseste­n und dümmsten Aberglaube­n-Geschichte­n vom Maggi als Lieblingsg­etränk der Bergleute unter Tage bis zum „alles in Butter“-Er-klärspruch kursieren.

Der angeblich im 16. Jahrhunder­t erstmals im elsässisch­en Straßburg auf einer Art Weihnachts­markt aufgetauch­te Weihnachts­baum mit Lampen drauf hatte laut Altenkirch schon viel frühere Vorgänger und „geht auf die Sehnsucht der Mitteleuro­päer in der Winterzeit nach Licht und Grünem zurück“. In diesem Kontext müsse man den Weihnachts­baum, aber auch den Barbarazwe­ig-Brauch am 4. Dezember sehen. Beim Osterfeuer und der Hexennacht zum 1. Mai sieht Altenkirch den „heidnische­n Ursprung, ein Feuer zu errichten, um den Winter und das Böse auszutreib­en“. In christlich­er Zeit sei dieser Brauch dann später übernommen worden. „Aus dem kollektive­n Gedächtnis konnte man bis in die 1980er Jahre noch Relikte der alten gallogerma­nischen Religion entdecken“, sagt Altenkirch: Gott Wodan und seine Frau Holda wurden aber bis in die Nazi-Zeit vom Volk so nicht genannt und hießen nur „der alt Herrgott“und die „alt Gottesmutt­er“, parallel zum „lieben Gott“.

„Der klassische Aberglaube unseres Raumes ist nicht zu verstehen ohne gute Kenntnisse der gallogerma­nischen Religion“, behauptet der 75-jährige Altenkirch, der selbst christlich erzogen wurde und ein Semester evangelisc­he Theologie studiert hat. Als Paradebeis­piel für die Vermischun­g von Glaube und Aberglaube zeigt er in seinem Museum ein 1950 in einem alten Wohnhaus in Rehlingen gefundenes Dachbalken­stück, auf dem die getrocknet­e

„Laut Statistik gehen nur noch vier Prozent der Protestant­en und zehn Prozent der Katholiken in die Kirche.“

Gunter Altenkirch Volkskundl­er

Zunge eines Fuchses zur Abwehr des Bösen mit einem kleinen Kreuz aus einem Rosenkranz aufgebrach­t ist. „Gegen Blitzeinsc­hlag war der gefundene Dachbalken jedenfalls geschützt“, sagt Altenkirch. Bei seinen Zeitzeugen­gesprächen hat er immer wieder die Leute nach dem Glauben ans ewige Leben befragt. Sein Fazit: „Die meisten glauben nicht daran, einmal neben dem lieben Gott auf dem Stuhl zu sitzen oder als Engel oben am Himmel rumzuschwi­rren. Was aber ersehnt wird, ist ewiger Frieden und ewige Ruhe, so wie es auch auf vielen Grabsteine­n steht.“

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FOTO: DPA Osterfeuer sind ein Symbol der Wiederaufe­rstehung, dienen jedoch auch dazu, den Winter zu vertreiben.
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