Risikobereitschaft als Jazz-Gütesiegel
Eindrücke vom Bundeswettbewerb „Jugend jazzt“, der an diesem Wochenende in Saarbrücken über die Bühne geht.
VON SEBASTIAN DINGLER
SAARBRÜCKEN
Zum Auftakt der Bundesbegegnung „Jugend jazzt“am Donnerstag war die Aula der Musikhochschule (HfM) bis zum Platzen gefüllt, der SR übertrug zwei Stunden lang live. „15 Begegnungen hat es gebraucht, bis es endlich ins Saarland gekommen ist – es war allerhöchste Zeit“, sagte Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer in ihrer Eröffnungsrede. Weshalb der Wettbewerb nicht als solcher benannt wird, sondern als „Begegnung“, erklärte Projektleiter Dominik Seidler: „Man soll nicht kommen, vorspielen und gleich wieder gehen, sondern: Man soll kommen, vorspielen und sich drei Tage sauwohl fühlen.“Das Gemeinschaftsgefühl steht bei ,,Jugend jazzt“also im Vordergrund – im Gegensatz zum oft hart und mit Ellenbogen umkämpften Wettbewerb „Jugend musiziert“. Der Geschäftsführer des Deutschen Musikrates, Benedikt Holtbernd, verstieg sich gar dazu, das Ganze als „Battle of Love“(„Wettstreit der Liebe“) zu titulieren, was SR-Moderator Roland Kunz dadazu inspirierte, von einem „Woodstock des Jazz“zu sprechen.
Zum Auftakt der Begegnung, bei der 14 Bands einer fünfköpfigen Jury ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen, spielten die Landes-Schüler-Bigband Jazz Train und das Jugendjazzorchester Saar. „Das ist eine Tradition, dass wir mit lokalen Formationen beginnen“, sagte Seidler. Gleich zu Beginn zeigten die vermeintlichen Anfänger des Jazz Train, dass sie sich gar nicht zu verstecken brauchten vor den „Fortgeschrittenen“des Jugendjazzorchesters. Mit der Komposition „Basie Straight Ahead“setzten sie einen Höhepunkt. Erstaunlich, wie genau da die Breaks saßen und wie souverän der Jazz Train da ins Rollen kam. Ganz richtig bemerkte die Ministerpräsidentin hinterher, dass man mit geschlossenen Augen nicht gedacht hätte, dass da keine Profis am Werke waren. Die beiden Jazz Train-Leiter Matthias Ernst und Frank Hahnhaußen hatten ihre Combo nicht nur sehr gut auf das Eröffnungskonzert eingestimmt, sie gestalteten auch ein abwechslungsreiches Programm. Es unterschied sich deutlich vom Jugendjazzorchester unter Dirigent Martin Schmitt: Dort stand der traditionelle Swing etwas zu sehr im Vordergrund. Für ein wenig Bandbreite sorgten nur eine kurze Rap-Einlage von Pianist Philip Weyand, der Fusion-Klassiker „Spain“von Chick Corea und die schmusige Pop-Ballade „Get Here“, die Maritta Meyer mit viel Temperament vortrug. Der große qualitative Unterschied zwischen beiden Formationen zeigte sich am ehesten in den ausgereifteren Soli der Älteren. Wobei, so unterschiedlich waren Jazz Train und Jugendjazzorchester gar nicht – etwa ein halbes Dutzend junger Jazzer spielt in beiden Gruppen. Posaunist Peter Hedrich etwa half auch bei Jazz Train aus und entwickelte sich dadurch zum Star des Abends mit den meisten Solo-Anteilen.
Gestern Morgen begannen dann die Wertungsspiele: Jede Band durfte maximal 30 Minuten lang vortragen. Jurymitglied Stefan Scheib rühmte die breite Stilvielfalt. „Einerseits super-spannend, andererseits vergleicht man da ein bisschen Äpfel mit Birnen“, so der Dozent für Kontrabass an der HfM. Dem konnte die gesamte Jury nur zustimmen. Maßgebliches Kriterium ist für Scheib, ob die Musiker risikobereit sind. Viel Lob hatte er für die saarländische Formation Never Complete: „Ich fand das klasse, wie genau die zusammengespielt haben, das war mitreißend, weil es tierisch groovte.“ Neben der Aula der HfM war die Alte Kirche am St. Johanner Markt Schauplatz der Wertungsspiele. Dort hatte die niedersächsische Band Funky Kayle einen fulminanten Auftritt. Anders als der Bandname vermuten lässt, gab es bei der außergewöhnlichen Besetzung mit Fender Rhodes E-Piano und Vibrafon viel Jazzrock und psychedelische Klänge zu hören. Gitarrist Bjarne Sitzmann bezeichnete die Stilistik der Eigenkompositionen gar als „Kulturschock für die Jazzfans“. Was hätte da das Ferdinand Schwarz/Darius Heid-Duo sagen sollen? Die beiden NRWler wagten Klangcollagen, die auch auf jedes Festival moderner Musik gepasst hätten. Ein Stück war komplett frei improvisiert, ein anderes verwendete Klänge und Text vom Laptop. Wesentlich konventioneller war da CondonArt aus Plauen in Sachsen. Die drei Musiker zeigten dafür ausgereifte Kompositionen und eine besondere Virtuosität an Piano, Bass und Schlagzeug.
Auch den absoluten Youngstern aus Bayern, dem Convenience Trio, zollte die Jury Anerkennung. Beeindruckt von Niveau und Eigenständigkeit der Bands zeigte sich das in Saarlouis geborene Jurymitglied Kristina Brodersen. „Das sind teilweise schon sehr reife Musiker“, meinte die Saxofonistin, die den Wettbewerb 1999 gewann. Froh ist die Jury darüber, dass nur ein Hauptpreis vergeben wird: der für eine Studioproduktion. So müsse man sich nicht noch über weitere Preise einig werden.
Abschlusskonzert und Preisverleihung heute Abend (20 Uhr) in der HfM)