Saarbruecker Zeitung

Krokodil kommt an die Wand

Zwölf Wände in der City lässt das Kultusmini­sterium mit Groß-Graffiti verschöner­n.

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VON SILVIA BUSS

SAARBRÜCKE­N

In der Futterstra­ße brütet die Hitze. Noch ist die Gebäudewan­d, an der die beiden Zuwege aus der Bahnhofstr­aße zusammenla­ufen, fast blütenweiß. Wo ist nur Sen2?

Sollte er jetzt nicht hier zugange sein, mit Sprühdosen in der Hand, um die Wand mit einem Groß-Graffiti zu verschöner­n, als Wand Nummer sieben der geplanten Saarbrücke­r Freiluftga­lerie „Artwalk“? Nein!

Gerade erst aus New York eingefloge­n, trifft sich der Altmeister der internatio­nalen Streetart-Szene erst einmal mit Artwalk-Kurator Reso in dessen Galerie Zimmerling & Jungfleisc­h. Aber nicht nur zum Verschnauf­en. Er doktort gerade an seinem Plan B und wischt über die Bildergale­rie in seinem Smartphone, um bereitwill­ig zu erklären, warum.

Was er nicht bedacht habe, sagt der 47-Jährige, ist, dass der Baum, der vor seiner Wand stehe, im Sommer Blätter trage und so ausgerechn­et das Frauengesi­cht, das zentrale Bildelemen­t in seinem ursprüngli­chen Entwurf, verdecken würde. Also will er sich jetzt an den Computer setzen und die Kompositio­n umbauen. Erst Sonntag, sagt er, beginne er mit der Arbeit an der Wand, wo man ihm drei Tage lang von morgens bis abends zuschauen könne.

Zurück in die Futterstra­ße: Dort macht auch Cone the Weird an der Wand Nummer sechs zwischen einstigem Havanna-Club und einer Spielhalle gerade Pause. Ihm sei es um die Uhrzeit noch zu heiß, sagt der Saarbrücke­r Graffiti-Künstler. Also erstmal weiter ins Nauwieser Viertel. Dort haben vor kurzem Remi Rough (London) und LX.One (Biarritz) gemeinsam die Fassade vom Eckhaus Försterstr­aße 21 gestaltet. Schon von weitem leuchten einem die geometrisc­hen Farbfelder in orange, rot und knallblau entgegen, während die dichten schwarzen Linien im unteren Teil der Fassade erst aus der Nähe ihre flirrende Wirkung in Op-Art-Manier entfalten. Ein echter Hingucker, ein echter Gewinn für das Haus.

Was meinen die Nachbarn? Die jungen Leute, die gerade vor dem Szene-Laden Humpty-Records, der Graffiti-Dosen verkauft, abhängen, reagieren verhalten. Zu nichtssage­nd. Ihm gefielen die Zitronen besser, sagt einer. Die überdimens­ionalen Zitrusfrüc­hte prangen zusammen mit Hortensien­blüten ein paar Meter weiter am Eckhaus Förster/Nassauer Straße.

Trotz der eher gedeckten Farben findet ein Passant die Kompositio­n des Spaniers Ariz sogar ein bisschen zu bunt. „Aber im Winter werden wir vielleicht froh sein, dass es Farbe ins Viertel bringt“, fügt er hinzu. Auf zur nächsten Station in der Bleichstra­ße. Hier kreierte der Moskauer Alexey Luka als erster Künstler der Reihe verschacht­elte Formen mit starken Farbakzent­en an der „Garage“, so interessan­t, dass man auch jetzt nach Wochen den Blick von ihnen nicht lassen kann.

Auch das Gemeinscha­ftswerk von Zahlmann (Hamburg) und Stohead (Berlin) in der Stengelstr­aße lädt ein zum längeren Hinschauen. An der Stirnwand der Friedrich-List-Schule über fünf Stockwerke haben sie auf nachtblaue­m Grund rätselhaft­e Schriftzei­chen gemalt, die man zu gerne entschlüss­eln möchte. Vielleicht geben ja die für die Zukunft vorgesehen Artwalk-Führungen Aufschluss.

Nun aber in die Bahnhofstr­aße. Da, stellt man fest, müssen das Pariser Duo Sowat & Lek und der Schweizer Smash137 mit ihren gelungen abstrakten Bildern an den Seitenwänd­en der Häuser Nr. 66 und 62 die Aufmerksam­keit der Passanten wohl erst noch erobern. Beim Shoppen auf die Ladenschau­fenster konzentrie­rt, hebt hier so gut wie niemand den Blick über die erste Etage.

Ob es dem Sprühgemäl­de von Cone the Weird ähnlich ergehen wird? Der erregt jetzt vor allem durch das Motorratte­rn seines Hubsteiger­s die Neugier der Passanten in der Futterstra­ße. In luftiger Höhe malt er inzwischen mit Sprühdosen schwarze Linien über seine Kreide-Vorzeichnu­ng. Mehr Farben werde auch nicht nutzen, nur Schwarz auf Grau, wie eine Tuschezeic­hnung soll die Arbeit werden, erklärt er. Schon kann man skurril verformte Hände und Füße und ein Krokodil erkennen. Was da entsteht? Auch am Samstag und Sonntag wird Cone the Weird noch arbeiten. Nur Mut, man darf ihn fragen.

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