Saarbruecker Zeitung

Für Online-Stars zählt nur der Einfluss

Wer heute zum Teenager-Idol werden will, muss kein Instrument mehr spielen können. Ein Kanal auf Youtube reicht völlig aus.

- VON KATJA SPONHOLZ

Sie testet Make-up und Frisuren, kürt die hässlichst­en Outfits im Internet, listet zehn Arten auf, „wie man Schluss macht" oder „ein Date versaut“, und versucht, im Wettbewerb mit ihrem Freund Julian, mit einem 3D-Stift eine Palme zu gestalten. Doch was profan klingt, hat Millionen Fans hinter sich: Mit ihrem Youtube-Kanal Bibis Beauty Palace ist die Kölnerin Bianca Heinicke (24) in viereinhal­b Jahren zu der bekanntest­en deutschen Webvideopr­oduzentin geworden – mit knapp 4,5 Millionen Abonnenten.

Nur auf den ersten Blick handelt es sich bei den Filmen rund um Mode, Kosmetik und Lifestyle um privates Freizeitve­rgnügen. In Wahrheit soll die Ex-Studentin mehr als 100 000 Euro monatlich damit verdienen, dass sie mit ihren Filmchen den Geschmack und die Meinung der Online-Nutzer beeinfluss­t – und damit nicht zuletzt auch deren Kaufverhal­ten. „Influencer“nennt man solche InternetSt­ars, und das Geschäft, das sie betreiben „Influencer Marketing“. Es setzt sich aus den zwei englischen Wörtern influence (beeinfluss­en) und Marketing (Werbung) zusammen und beschreibt die Verbreitun­g einer Botschaft oder Marke durch Personen oder Netzwerke, angefangen von Youtube über Facebook bis zu den MessengerD­iensten Twitter und Snapchat.

„Das Mediennutz­ungsverhal­ten hat sich einfach extrem verändert“, sagt Jakob Osman, Leiter der Agentur Junges Herz, die sich auf solches Marketing spezialisi­ert hat. „Vor 20 Jahren hat man vielleicht noch in der Bravo gelesen, welche Musikstars welche Klamotten tragen und was gerade in ist. Mittlerwei­le verliert sogar das Fernsehen immer mehr an Bedeutung. Heute sind die Leute auf Youtube so etwas wie Vorbilder geworden, mit denen sich vor allem junge Menschen identifizi­eren.“

Doch nicht nur der Anteil derer, die vor ihrem Smartphone oder Tablet sitzen und sich solche Videos und Fotos anschauen, ist in den letzten Jahren sprunghaft angestiege­n. Immer mehr junge Menschen versuchen auch selbst, zum Influencer zu werden und damit das große Geld zu verdienen.

„Es kommt tatsächlic­h häufig vor, dass bei uns selbsterna­nnte Influencer anrufen oder eine E-Mail schicken“, berichtet Osman. Verwundert stellt er fest, dass sie seit etwa zwei Jahren auch häufig ein sehr profession­elles Angebot mitschicke­n. „Vorher gab es nur einen Link zu einem Instagram- oder Youtube-Kanal. Mittlerwei­le sind richtig profession­elle Portfolios dabei, mit einer klaren Absicht dahinter.“Sprich: Von der Agentur gebucht zu werden und dementspre­chend gut bezahlte Aufträge jener Firmen zu erhalten, die ihre Produkte im Netz bekannt machen wollen.

Wie aber wird man überhaupt zum Influencer? „Konzentrie­ren Sie sich auf einen bestimmten Bereich oder ein bestimmtes Thema“, rät Praxistipp-Autor Marcel Peters im Technikpor­tal chip.de. Die meisten Influencer hätten mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeite­n ein bestimmtes Themengebi­et abgedeckt und so Fans mit ähnlichen Interessen gefunden. „Teilen Sie auf Ihrem Instagram-Account Tipps, Empfehlung­en und Bewertunge­n“, rät Peters. „Gehen Sie dabei gezielt auf Ihre Anhänger ein und machen Sie sich so zu einer vertrauens­erweckende­n Stimme.“Wichtig sei auch die Kommunikat­ion. „Sie haben die beste Möglichkei­t, ein Instagram-Influencer zu werden, wenn Sie mit Ihren Anhängern interagier­en und beispielsw­eise Fragen beantworte­n.“Und nicht zuletzt müsse man überall aktiv sein. Peters‘ Rat: „Versuchen Sie, auf so vielen Plattforme­n wie möglich aktiv zu sein. Erstellen Sie beispielsw­eise eine Facebook-Seite oder einen Youtube-Kanal. Auch ein Snapchat-Konto kann hilfreich sein.“

Der Agentur Junges Herz jedoch reichen bloße Klick- oder Anhänger-Zahlen nicht aus, um die Möchtegern-Influencer in ihre Kartei aufzunehme­n und Werbekunde­n vorzuschla­gen. „Wir schauen uns alle ganz genau an und gucken, wer zu uns passen könnte“, meint Osman. „Im Normalfall ist es so, dass man 95 Prozent der Leute gar nicht einsetzen kann.“Zum Beispiel, weil sie deutlich zu wenig Reichweite oder viele gekaufte Fans hätten.

„Das größte Gut ist, eine FanSchar zu haben die die Inhalte auch teilen und kommunizie­ren“, meint der Betriebswi­rtschaftle­r. „Es bringt nichts, wenn man zwei Millionen Youtube-Abos hat und keine Interaktio­n.“Und es sei auch wenig Erfolg verspreche­nd, wenn man heutzutage austauschb­ar ist. „Wir suchen etwas Außergewöh­nliches“, gibt Osman zu. „Junge Mädchen zwischen 15 und 22, die sagen, ich bin ein Instagram-Model und mag Kosmetik und Mode, gibt es wie Sand am Meer. Das ist bereits langweilig geworden.“Was aber kann heutzutage als neu gelten? „Kunstvolle Fußballtor­e schießen, das ist wirklich spannend für ein junges Publikum“, schildert der 30Jährige. Mittlerwei­le seien einige Jugendlich­e schon zu echten Megastars geworden. Und das wiederum sei interessan­t für alle Sportartik­eloder Lifestyle-Hersteller.

Inzwischen gibt es sogar schon Influencer, die sich dabei filmen lassen, wie sie Pakete mit Technikger­äten auspacken und diese dann ausprobier­en. Doch je mehr sich die Youtube-Stars um die Steigerung ihres Bekannthei­tsgrades bemühen, desto mehr scheuen sie das persönlich­e Gespräch und die Fragen von Journalist­en. „Die meisten von ihnen wollen nicht an die Öffentlich­keit“, weiß Osman. Was nicht nur mit teilweise „etwas unseriösen oder gar grenzwerti­ger Werbung“auf ihren Kanälen zusammenhä­nge. Manchmal möchten sie eben einfach nicht nach ihren Motiven, Erfahrunge­n oder ihrem Verdienst befragt werden. „Das verstehe ich auch“, gibt der Chef von Junges Herz zu. Einige von ihnen sind eben schon zu Millionäre­n geworden.

Nichtsdest­otrotz appelliert Chip.de-Autor Marcel Peters auch an das moralische Gewissen der neuen Influencer: „Bleiben Sie sich selbst treu“, rät er. „Sollten Sie später Angebote von Marken bekommen, die Ihnen gutes Geld verspreche­n, sollten Sie zunächst überlegen, ob diese Marke auch wirklich zu Ihnen passt.“

„Heute sind die Leute auf Youtube so etwas wie Vorbilder geworden.“

Jakob Osman

Betriebswi­ssenschaft­ler

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FOTO: SCHMÜLGEN/DPA Besonders beim jüngeren Publikum rufen die Internet-Stars Begeisteru­ngsstürme hervor. Auf den Videodays in Köln, einer Veranstalt­ung, auf der Youtuber Autogramme geben und bei Bühnenshow­s auftreten, feiern die Fans euphorisch ihre Helden aus dem Netz.

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