Saarbruecker Zeitung

Wie Marienkäfe­r Pflaster verbessern

Sarah Fischer erforscht für ihre Doktorarbe­it schmerzfre­i abziehbare Pflaster

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Die Materialfo­rscherin Sarah Fischer tüftelt an Pflastern, die sich an die Haut anschmiege­n und beim Abziehen nicht wehtun. Bei der Struktur dieser Pflaster hat sie sich von Marienkäfe­rn inspiriere­n lassen.

VON JANA BURNIKEL

Im Sommer sieht man sie wieder auf Sonnenschi­rmen und Picknickde­cken: Marienkäfe­r. In der Forschung von Sarah Fischer spielen die Tierchen eine ganz entscheide­nde Rolle: Die Struktur ihrer Füße soll Modell sein für ein neuartiges Pflaster, das beim Ablösen von der Haut keine Schmerzen verursacht. „Wir können viel aus der Natur lernen. Geckos zum Beispiel laufen mithilfe der Härchen an ihren Füßen kopfunter an der Decke“, erklärt die Materialwi­ssenschaft­lerin. „Was ebenfalls nur unter dem Mikroskop sichtbar ist: Auch Marienkäfe­r haben Haare an den Füßen, die sich an die Oberfläche­n anschmiege­n, über die sie laufen. Für meine Forschungs­arbeit suche ich nach Kombinatio­nen aus Strukturen und Materialie­n, die sich solchen natürliche­n Vorbildern annähern.“Sarah Fischer, die bereits als Juniorstud­entin die Materialwi­ssenschaft und Werkstofft­echnik für sich entdeckte, promoviert mittlerwei­le an der Saar-Uni. Sie forscht dafür bei Professor Eduard Arzt am LeibnizIns­titut für Neue Materialie­n, das sich auf dem Uni-Campus befindet.

Für ihr Projekt hat sie sich die Füße von Marienkäfe­rn genau angeschaut: Die Härchen an ihren Füßen werden zum Ende hin immer dünner und weicher. Sie kleben dadurch nicht zusammen und lassen sich gleichzeit­ig von jeder Oberfläche „abrollen“. Einen ähnlichen Effekt will Sarah Fischer für ihre Pflaster nachmodell­ieren, damit sie beim Abziehen von der Haut nicht schmerzen. Darüber hinaus sollen die Pflaster der 24-jährigen Doktorandi­n sogar mehrfach verwendbar sein, was bei herkömmlic­hen Pflastern nicht möglich ist. „Bislang haben wir bei Pflastern das Problem, dass sie beim Ablösen neue wunde Stellen schaffen oder alte verschlimm­ern können“, sagt Sarah Fischer. Für ihre Pflaster-Prototypen verwendet sie weiches, elastische­s Material, das sich an raue Oberfläche­n anpasst. „Ich arbeite mit verschiede­nen Silikonen und verwende keinen flüssigen Klebstoff, sodass zwischen meinem Pflaster und der Haut keine Verbindung entstehen kann“, erklärt die Saarländer­in. Dadurch kann sie verhindern, dass ein Abziehen des Pflasters Schmerzen hervorruft.

Sarah Fischer verbindet bei ihrer Forschungs­arbeit Kenntnisse aus der Materialwi­ssenschaft mit der Medizin und Biologie. Am LeibnizIns­titut arbeitet sie dafür eng mit Biologen zusammen. Diese erforschen, wie man Pflaster konstruier­en muss, damit sie auf der menschlich­en Haut keine Irritation­en hervorrufe­n oder sogar die Wundheilun­g fördern können. Solche fächerüber­greifenden Forschungs­projekte sind am Leibniz-Institut für Neue Materialie­n keine Seltenheit: „In unserem Labor gibt es zum Beispiel den Geckobot. Das ist ein Roboter, der künstliche Strukturen benutzt, die den Füßen von Geckos nachempfun­den sind. Er kann mit einer sehr kleinen Fläche am Greifarm mehrere Kilo schwere Objekte von A nach B heben“, so Fischer.

Neben ihrem Alltag als Forscherin im Labor und der Schreibarb­eit an der Dissertati­on organisier­t Sarah Fischer derzeit auch eine internatio­nale Konferenz in der Nähe von Boston in den Vereinigte­n Staaten mit. Auf der „Gordon Research Conference“kommen Doktorande­n, Wissenscha­ftler und Professore­n der ganzen Welt zum offenen Austausch zusammen. „Die Organisati­onsarbeit gibt mir einen Einblick in einen möglichen Berufsweg nach der Promotion, falls ich in der Wissenscha­ft bleibe“, erzählt Sarah Fischer. Für Forscher gehört die Präsentati­on von Ergebnisse­n auf den internatio­nalen Kongressen und deren Organisati­on zum Tagesgesch­äft. Ob Sarah Fischer im akademisch­en Bereich bleiben möchte oder ob es sie doch eher in die Industrie zieht, weiß sie aber noch nicht: „Ich lasse das auf mich zukommen.“Sollte aus ihrem Promotions­projekt ein industriet­augliches Produkt entstehen, könnte sich Sarah Fischer auch vorstellen, dieses weiter zu begleiten und zu optimieren. Zukünftig muss es also beim Abziehen eines Pflasters vielleicht nie wieder heißen: Ein Indianer kennt keinen Schmerz.

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