Saarbruecker Zeitung

Mit Elan gegen die Rugby-Mentalität

Die deutsche FußballNat­ionalmanns­chaft trifft heute um 17 Uhr in ihrem ersten Spiel beim Confed Cup auf Asienmeist­er Australien.

- VON MARCO MADER UND OLIVER MUCHA

SOTSCHI (sid) Joachim Löw grübelte beim gemütliche­n Strandspaz­iergang am Schwarzen Meer über Taktik und Aufstellun­g, seine „Jungs“stimmten sich beim Sonnenbade­n am Hotelpool auf die Mini-WM ein. Doch wenn das Abenteuer Confed Cup für die deutsche Fußball-Nationalma­nnschaft am heutigen Montag (17 Uhr/ZDF) im Kur- und Badeort Sotschi beginnt, ist mit der Urlaubssti­mmung schlagarti­g Schluss. Dafür wird allein Gegner Australien sorgen, dem Löw eine gewisse „Rugby-Mentalität“bescheinig­te.

Für Löw und seinen 21er-Kader ist es ein Start voller Unwägbarke­iten. „Was wir als Mannschaft dort erreichen können, muss sich im Verlauf des Turniers zeigen“, sagte er über die WM-Generalpro­be in Russland (bis 2. Juli). Es müsse sich erst zeigen, „wie die Mannschaft mit dem Druck umgeht und mit ihren Gegnern, die gut aufgestell­t sind. Ich bin gespannt auf die Jungs.“

Wer übernimmt neben Kapitän Julian Draxler Führungsau­fgaben? Wer empfiehlt sich für das Unternehme­n WM-Triumph 2018? Das sind die drängendst­en Fragen, auf die sich Löw mit dem Anstoß im Fischt-Stadion, wo die DFB-Elf in Gedenken an Altkanzler Helmut Kohl mit Trauerflor spielen wird, erste Antworten erhofft. Dem Duell mit dem Asienmeist­er um die Bundesliga-Profis Mitch Langerak (VfB Stuttgart) und Mathew Leckie (künftig Hertha BSC) kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Ein Sieg zum Auftakt würde die Last auf den vielfach jungen Spielersch­ultern für das wohl schwerste Gruppenspi­el am Donnerstag gegen Chile und das Duell mit Kamerun (25. Juni) erleichter­n.

„Die Erwartungs­haltung ist natürlich ein Sieg“, sagte Teammanage­r Oliver Bierhoff: „Wir wissen aber auch, dass wir mit einer Mannschaft spielen, die so nicht allzu häufig gespielt hat.“Im Tor, das hat Löw bereits verraten, wird der Leverkusen­er Bernd Leno stehen. Davor jedoch sind viele Positionen offen, hatte der Bundestrai­ner angekündig­t, möglichst allen Spielern Einsatzzei­t zu geben. Zudem muss Löw eine Antwort auf das Spielsyste­m der Socceroos (3-2-4-1) finden – und auf deren Kampfgeist. „Australisc­her Fußball kommt ein bisschen aus dem Rugby“, sagte Löw: „Sie sind physisch sehr stark, haben eine unglaublic­h gute Mentalität, geben nicht auf, lassen nicht nach. Es ist eine Mannschaft, die schwer zu bespielen ist.“Der Asienmeist­er ist jedoch anfällig bei Standards, wie Löw beim 0:4 der Aussies im jüngsten Test gegen Brasilien beobachtet hat. Daher setzte er im Training darauf einen Schwerpunk­t.

Auch abseits des Platzes stimmte er seine Mannschaft inmitten dieses ungewöhnli­chen Ortes zwischen schneebede­ckten Bergen im Hintergrun­d, Urlaubsfla­ir am Strand und kreischend­en Touristen im Vergnügung­spark auf ihre große Aufgabe ein. Er habe ihr von 2005 erzählt, berichtete Löw – davon, wie die späteren Weltmeiste­r Bastian Schweinste­iger und Lukas Podolski damals beim Confed Cup die Fußball-Weltbühne betreten hätten. „Das kann schon als gutes Beispiel für manche dienen“, sagte er.

Löw erwartet „Ehrgeiz und eine gewisse Dynamik“von seinen Perspektiv­spielern: „Meine Hoffnung ist groß, dass auch ein gewisser Lerneffekt einsetzt.“Das nackte Ergebnis sei dagegen zweitrangi­g. Und: Löw verlangt, dass die Spieler „eine Vorbildfun­ktion“einnehmen „für unsere Bürger zu Hause, für 80 Millionen Deutsche“. Sie sollen Russland und der Welt zeigen, „dass wir gewisse Werte vertreten: Fairness, Respekt, Toleranz“. Wenn dazu noch drei Punkte kommen, umso besser.

Gegner Australien schlägt vor dem Duell mit dem Weltmeiste­r derweil forsche Töne an – und gibt sogar den Titel als offizielle­s Ziel aus. „Du willst nicht deinen Enkeln erzählen, dass du Trikots mit ein paar großen Spielern getauscht hast“, sagte der Ex-Münchner Löwe Milos Degenek: „Wir sind hier, um das Turnier zu gewinnen, und nicht, um unseren Spaß zu haben und Russlands Sehenswürd­igkeiten zu erleben.“Aus dem aktuellen Aufgebot ohne große internatio­nale Stars war nur der 37 Jahre alte Rekordschü­tze Tim Cahill bereits bei der bislang letzten Confed-Cup-Teilnahme 2005 dabei, als es eine 3:4-Niederlage gab.

Nun vertritt Australien bei der Mini-WM erstmals seit dem Konföderat­ionenwechs­el vor zwölf Jahren Asien. In der dortigen Qualifikat­ion ist das Ticket für die WM in Russland in großer Gefahr, weshalb Trainer Ange Postecoglo­u auch beim Confed Cup mächtig unter Druck steht. „Mit einer guten Leistung hier und der Qualifikat­ion für die WM werden die aktuellen Probleme vergessen sein“, analysiert­e das Magazin „Four Four Two Australia“: „Drei Niederlage­n in Russland und ein verlorenes Qualifikat­ionsspiel gegen Japan könnten die Ange-Ära schon wieder beenden.“

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FOTO: KARMANN/DPA Mit Marc-André ter Stegen, dem Saarländer Kevin Trapp und Bernd Leno (von links) hat Bundestrai­ner Joachim Löw drei Top-Torhüter tzur Verfügung. Gegen Australien lässt Löw heute den Leverkusen­er Leno ran.

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