Saarbruecker Zeitung

Bill Cosby kommt davon – aber nur vorerst

Der erste Strafproze­ss gegen den US-Komiker, der Frauen sexuell genötigt haben soll, ist geplatzt. Die Geschworen­en waren uneins, der ehemalige Comedy-Star kam auf Kaution frei. Doch damit ist der Fall noch nicht abgeschlos­sen.

- VON JOHANNES SCHMITT-TEGGE UND BARBARA MUNKER

NORRISTOWN (dpa) Es regnet, als Bill Cosby das Gericht verlässt. Eine Hand auf seinen Gehstock gestützt, den anderen Arm streckt er demonstrat­iv hoch. Kein Schuldspru­ch, aber auch kein Freispruch. Der bisher einzige Strafproze­ss gegen den US-Entertaine­r wegen sexueller Nötigung ist am Samstag ergebnislo­s zu Ende gegangen. Cosbys Team triumphier­t.

Er selbst sagt nichts, doch sein Sprecher Andrew Wyatt jubelt vor Reportern: „Mister Cosbys Macht ist zurück. Sie ist wiederherg­estellt.“Doch die Freude dürfte von kurzer Dauer sein. Auf den 79-jährigen TV-Komiker kommt der nächste Prozess zu. Staatsanwa­lt Kevin Steele fackelt nicht lange. Gleich nachdem der Richter am Samstag das Verfahren platzen lässt – die Geschworen­en sind bei der Urteilsfin­dung uneins – geht Steele in die Offensive. „So schnell wie möglich“wolle er einen neuen Prozess in Gang bringen. Er lobt den Mut der Klägerin Andrea Constand, im Zeugenstan­d den Vorwurf des sexuellen Missbrauch­s gegen Cosby vorzubring­en. Die frühere Mitarbeite­rin der Temple University lässt durch ihre Anwältinne­n ausrichten, dass sie den Geschworen­en für die „unermüdlic­hen Anstrengun­gen“danke. Sie glaube, dass der Prozess den vielen Opfern, die sich machtlos fühlen, Gehör verschafft habe. Constand ist nur eine von mehr als 50 Frauen, die Cosby sexuelle Nötigung vorwerfen.

Mehr als 52 Stunden lang hatten die zwölf Geschworen­en über sechs Tage hinweg mit der Frage gerungen, ob Cosby die mehr als 30 Jahre jüngere Constand an einem Abend im Jahr 2004 missbrauch­te, oder ob es einvernehm­licher Sex war. Jeder einzelne Juror bestätigte am Samstag im Gericht von Norristown (Pennsylvan­ia), sie seien „hoffnungsl­os festgefahr­en“. Eine gute Woche lang waren sie Zeugen eines Justiz-Spektakels gewesen.

Die Rolle als Entertaine­r ist dem Angeklagte­n selbst in seinem Strafproze­ss wegen sexueller Nötigung nicht entglitten. Das Verfahren hat Cosby genau verfolgt, doch wenn er sich in Pausen für einen Plausch mit seinem Team seitwärts lehnte, konnte man den Unterhalte­r in ihm erkennen. Ein kleiner Gag hier, ein ulkiger Spruch dort.

Die Frauenrech­tsanwältin Gloria Allred, die viele Frauen mit Vorwürfen gegen Cosby vertritt, feuerte am Samstag harte Worte ab. „Feiern Sie nicht zu früh, Mr. Cosby“, riet sie dem einstigen Fernsehsta­r – denn die zweite Runde stehe bevor. Trotz seiner Berühmthei­t werde er nicht davonkomme­n. Allred hofft darauf, dass der Richter in einem Folgeproze­ss mehr Frauen im Zeugenstan­d zulässt, die Cosby beschuldig­en.

Das Etikett des „schmutzige­n alten Mannes“, wie es ihm seit Bekanntwer­den der Vorwürfe anheftet, wird Cosby vermutlich nie mehr ganz loswerden. Die Star-Karriere ist längst eingebroch­en, die Fangemeind­e geschrumpf­t. Seinen 80. Geburtstag Mitte Juli wird er in Freiheit verbringen. Er hat eine Kaution von einer Million Dollar gezahlt. „William H. Cosby Jr. bleibt gegen Kaution auf freiem Fuß“, gab die Staatsanwa­ltschaft auf Twitter bekannt. Und schob gleich hinterher: „Ein Datum für den neuen Prozess wird noch festgelegt.“

 ?? FOTOS: AFP ?? Auf freiem Fuß: Ergriffen verlässt der 79-jährige Bill Cosby das Gerichtsge­bäude, an der Hand seiner Verteidige­rin Agela Agrusa. Der Sex-Prozess gegen ihn ist geplatzt. Doch der Staatsanwa­lt kündigte an, erneut Anklage zu erheben.
FOTOS: AFP Auf freiem Fuß: Ergriffen verlässt der 79-jährige Bill Cosby das Gerichtsge­bäude, an der Hand seiner Verteidige­rin Agela Agrusa. Der Sex-Prozess gegen ihn ist geplatzt. Doch der Staatsanwa­lt kündigte an, erneut Anklage zu erheben.

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