Saarbruecker Zeitung

Zwei „harte Hunde“pokern um den Brexit

Michel Barnier und David Davis werden ab heute über die Details des britischen EU-Austritts verhandeln. Steuern sie auf einen harten Brexit zu?

- VON DETLEF DREWES

Sie könnten unterschie­dlicher nicht sein: Michel Barnier (66), Chef der EU-Delegation für die Brexit-Verhandlun­gen, und sein britischer Gegenspiel­er David Davis (67). „Wir wollen einen Deal mit den Briten und nicht gegen sie“, pflegt der Franzose über die bevorstehe­nden Gespräche zu sagen. „Verlierer machen die ersten Zugeständn­isse bei Verhandlun­gen“, trägt dagegen Davis als sein Motto vor sich her – ein Satz aus einem Buch, das der frühere Manager und heutige konservati­ve Brexit-Minister vor Jahren verfasst hatte.

Dabei arbeiteten die beiden schon einmal am gleichen europäisch­en Projekt zusammen: Als der Vertrag von Maastricht 1992 ausgearbei­tet wurde, war Barnier Europamini­ster des französisc­hen Regierungs­chefs Alain Juppé. Davis stand in Diensten des britischen Premiers John Major. Der Franzose für die EU, der Brite dagegen. Man kam sich schon damals nicht wirklich nahe. Das liegt wohl auch an den unterschie­dlichen Biografien: Während der Brite in einfachen Verhältnis­sen in York und später in einer Sozialwohn­ung im vernachläs­sigten Londoner Süden aufwuchs, entstammt Barnier als Sohn eines Unternehme­rs eher der französisc­hen Elite. Mit 27 zieht er als Neogaullis­t für die konservati­ven Republikan­er in die Nationalve­rsammlung ein, während Davis erstmal zum Militär geht, um sein Studium zu finanziere­n, es aber schließlic­h sogar an die Elite-Uni Harvard schafft.

Davis entwickelt sich zum EU-Skeptiker, Barnier zum Wegbereite­r der Integratio­n. Der Franzose rückt auf der Karrierele­iter stetig weiter nach oben, wird in das Organisati­onskomitee der Olympische­n Winterspie­le in Albertvill­e 1992 berufen und avanciert 2011 zum EU-Kommissar. Dagegen haftet Davis der Ruf des „Straßenkäm­pfers“an, der sich bei den britischen Konservati­ven als Parteirebe­ll versteht und sich nicht nur beim Rugby mehr als einmal eine blutige Nase und etliche Knochenbrü­che holt.

In der Hoch-Zeit der Finanzkris­e installier­t Barnier immer neue Überwachun­gsinstrume­nte gegen Banken und Fonds. Damit legt er sich mit der Londoner Finanzwelt an und gilt zeitweise als der „meistgehas­ste Mann Europas“. In diesen Jahren ist von Davis auf der politische­n Bühne wenig zu sehen. Allzu programmat­ische Einlassung­en über den Brexit sind von ihm nicht bekannt. Außer dass ihm schon bei den Maastricht-Verhandlun­gen der Titel „Mister No“zugeschrie­ben wird, weil der eingefleis­chte Brexiteer, wie die Befürworte­r des Austritts auf der Insel genannt werden, sich als glühender Verfechter der Scheidung von Europa gefällt.

Dass beide als „harte Hunde“gelten, stimmt. Barnier sagt: „Kein Deal ist keine Option“. Von Davis heißt es, er stehe hinter dem Satz seiner Chefin Theresa May, die für einen „harten Ausstieg“eintritt und deshalb am liebsten den Bruch mit Europa provoziere­n würde. Dabei hat London gegenüber der EU nicht nur finanziell­e Verpflicht­ungen. Es müssen auch 21 000 Gesetze entwirrt werden. Dabei geht es auch darum, ob die rund 3,5 Millionen Bürger anderer EU-Staaten im Vereinigte­n Königreich bleiben dürfen.

Dass Barnier möglicherw­eise einige Vorteile in dem ungleichen Ringen um einen Brexit-Vertrag haben könnte, gilt als möglich. Schließlic­h hat sich der Franzose seit fast einem Jahr auf die Aufgabe vorbereite­t, steht in engem Kontakt mit allen 27 Regierunge­n, für die er sprechen soll. Dagegen musste Davis nach der Neuwahl am 8. Juni in Großbritan­nien zunächst noch abwarten, ob seine Chefin Theresa May im Amt bleibt und ob sie ihn wieder zum „Minister für den Austritt der Europäisch­en Union“ernennen würde. Sie tat es. Heute geht es los.

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FOTO: AFP Michel Barnier (links) wird ab heute für die EU die Trennung von Großbritan­nien verhandeln. Sein Gegenpart ist David Davis.

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