Saarbruecker Zeitung

Grüne rücken mit Machtwille­n zusammen

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Die Grünen haben sich auf ihrem jüngsten Delegierte­ntreffen in Berlin mit viel Leidenscha­ft und Pathos in die „Überlebens­frage des Planeten“. gekniet. Das ist für sich genommen nicht verwunderl­ich. Umwelt und Klimaschut­z bilden schließlic­h die DNA der Partei. Hinter den Programmde­batten stand allerdings auch die Überlebens­frage der Grünen selbst.

Die demoskopis­chen Befunde für die einst so erfolgsver­wöhnte Partei sind mau. Im Saarland nach 13 Jahren aus dem Landtag geflogen, in Nordrhein-Westfalen zur Opposition verdammt und in Schleswig-Holstein in ein schwarzgel­b-grünes Abenteuer mit ungewissem Ausgang gestolpert – auch die politische Großwetter­lage ist offenbar im Wandel. Der Zeitgeist scheint sich von den Grünen abgewendet zu haben. Und bis zur Bundestags­wahl bleibt nur noch wenig Zeit. Also muss man zumindest die Kernwähler­schaft bei der Stange halten. Hier hat der Parteitag zweifellos geliefert.

Selten wirkten die Grünen so geschlosse­n und ihr Führungspe­rsonal so entschloss­en, irgendwie doch noch das Ruder herumzurei­ßen. Sogar die sonst eher blasse Spitzenkan­didatin Katrin Göring-Eckardt hielt eine überrasche­nd starke Rede. Überhaupt war die ganze Inszenieru­ng nahezu perfekt darauf angelegt, die Partei-Basis aus ihrer Verunsiche­rung zu holen. Aber es gibt eben auch grüne Probleme, die kein Parteitag beeinfluss­en kann.

Ja, es stimmt, der Klimawande­l ist objektiv ein Riesen-Problem. Aber subjektiv drückt die allermeist­en Bürger derzeit anderswo der Schuh. Trump, Brexit, Terror, innere Sicherheit. Und wenn die Rede doch aufs Klima kommt, wie jüngst bei Trumps Aufkündigu­ng des Pariser Abkommens, dann gibt es gefühlt Angela Merkel. Prompt bot die Kanzlerin dem Mann im Weißen Haus die Stirn. Und nach diesem Muster dürfte es auch beim G-20-Gipfel Anfang Juli laufen. Die Grünen sind da im wahrsten Wortsinn nur Zaungast. Ein anderes Problem ist ihr strategisc­hes Dilemma bei der Machtoptio­n: Die Grünen wären verrückt, würden sie sich fest der SPD verspreche­n, nachdem es mangels sozialdemo­kratischer Masse schon drei Mal in Folge bei Bundestags­wahlen nicht für eine rot-grüne Mehrheit reichte. Ein klares Bekenntnis zur Union wäre dagegen für große Teile der grünen Basis ein rotes Tuch. Also pocht die Führungset­age auf Eigenständ­igkeit, was im Klartext Anschlussf­ähigkeit nach beiden Seiten meint. Der Preis dafür ist unkalkulie­rbar. Denn wer mit den Grünen ins Bett geht, weiß nicht, ob er mit Martin Schulz im Kanzleramt aufwacht, oder doch wieder mit Angela Merkel. Ob das der Wähler goutiert?

Ihren Machtwille­n haben die Grünen auf dem Berliner Konvent eindrucksv­oll zelebriert. Auch das ist ein Überlebens­zeichen. Denn die realistisc­he Möglichkei­t, sich mit Linken, AfD, und (im schwarz-gelben Regierungs­fall) gar auch der SPD auf den Opposition­sbänken wiederzufi­nden, hieße für die Grünen, gar kein politische­s Gehör mehr zu finden. Dann doch besser ein „Jamaika“-Abenteuer auch im Bund wagen.

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