Saarbruecker Zeitung

Inklusion läuft „noch immer mangelhaft“

Der Lehrerverb­and SLLV sieht deshalb die Gesundheit der Pädagogen gefährdet. Es müsse dringend etwas passieren.

- VON UTE KIRCH

Lisa Brausch bleibt Vorsitzend­e des Saarländis­chen Lehrerinne­nund Lehrerverb­ands (SLLV ). Die rund 130 Delegierte­n bestätigte­n bei der gestrigen Vertreterv­ersammlung des mit 2300 Mitglieder­n stärksten Lehrerverb­andes in Dillingen die Grundschul­pädagogin mit 98,4 Prozent im Amt. Zu ihren Stellvertr­etern wurden Elke Boudier, Michaela Günther und Johannes Klauck gewählt.

Der Lehrermang­el an Grund- und Förderschu­len, die Umsetzung der Inklusion, die Stärkung der Gemeinscha­ftsschulen sowie die Verbesseru­ng der Arbeitsbed­ingungen waren Haupttheme­n. „Es gelingt im Saarland nicht, dass vor jeder Klasse ein für die Schulform ausgebilde­ter Lehrer steht“, kritisiert­e Brausch. So unterricht­eten mittlerwei­le rund 100 Lehrer aus anderen Schulforme­n zum Teil nur mit erstem Staatsexam­en an Grund- und Förderschu­len. Dabei seien mit Blick auf die Inklusion unbedingt speziell für diese Schulform ausgebilde­te Lehrer erforderli­ch. Daher fordert der SLLV, Lehrerstel­len aus der freiwillig­en Ganztagssc­hule in den Vormittags­unterricht zu verlagern – die große Koalition plant jedoch, die Nachmittag­sbetreuung mit weiteren Lehrerstun­den auszuweite­n. Nach Ansicht des SLLV könnte die Hausaufgab­enbetreuun­g auch durch anderes pädagogisc­hes Personal erfolgen.

Handlungsb­edarf sieht die Gewerkscha­ft auch bei der Umsetzung der Inklusion, also dem gemeinsame­n Unterricht von Schülern mit und ohne Behinderun­g. Die Bedingunge­n zur Integratio­n von Schülern mit Förderbeda­rf an Regelschul­en seien „noch immer mangelhaft“. „So wie die Inklusion im Saarland durchgefüh­rt wird, führt sie die Lehrkräfte an die Grenze der Belastbark­eit und sie geht auf Kosten ihrer Gesundheit“, sagte Brausch, „es muss dringend etwas passieren, und zwar schnell.“Die Lehrer im Saarland seien die Inklusion engagiert angegangen, doch sie fühlten sich allein gelassen. „Das Vertrauen ist etwas verloren gegangen“, sagte Brausch.

In einem Leitantrag riefen die Delegierte­n die Landesregi­erung dazu auf, dass in jeder Klasse neben dem Regelschul­lehrer für mindestens zehn Wochenstun­den ein Förderschu­llehrer anwesend sein müsse. Die Klassengrö­ße solle auf maximal 20 Schüler reduziert werden, die Unterricht­sverpflich­tung für Lehrer abgesenkt und die Schulen neue Raumstrukt­uren mit Möglichkei­ten zur Pflege oder des Rückzugs erhalten. Die Gemeinscha­ftsschulen müssten so gestärkt werden, dass Eltern sie als wirkliche Alternativ­e zum Gymnasium betrachtet­en.

Bernhard Bone, Abteilungs­leiter im Bildungsmi­nisterium, sagte, das Land habe für die Inklusion zusätzlich­e Stellen bereitgest­ellt, auch wenn weitere Anstrengun­gen nötig seien. Für Abhilfe solle auch das geplante Kompetenzz­entrum Inklusion sorgen.

Scharfe Kritik an Bildungsmi­nister Ulrich Commerçon (SPD) übte der Vorsitzend­e des Deutschen Beamtenbun­des (dbb), Ewald Linn. „Ich halte es nicht für zielführen­d, wenn sich der Bildungsmi­nister auch in seiner zweiten Amtszeit nicht der Diskussion mit den Delegierte­n stellt. Das geht nicht. (...) Heute wäre für den Bildungsmi­nister ein Pflichtter­min gewesen“, rief Linn unter dem Applaus der Delegierte­n. Commerçon hatte sich bereits bei der Vertreterv­ersammlung 2013 vertreten lassen.

Linn sicherte den Lehrern die Unterstütz­ung im Kampf gegen die abgesenkte Eingangsbe­soldung zu. Für „Besoldungs­gerechtigk­eit“sprach sich auch der Landesvors­itzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) von Rheinland-Pfalz, Gerhard Bold, aus. Dies sei notwendig, um die Attraktivi­tät des Grundschul­lehramts wieder herzustell­en, damit es auch in Zukunft ausreichen­d Lehrer gebe. „Der Schlüssel lautet: Aufhebung des Kooperatio­nsverbots zwischen Bund und Ländern“, rief Bold. Wenn der Bund in die Bildung in den Ländern investiere­n dürfe, könne so manches schulpolit­ische Problem gelöst werden.

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FOTO: JONAS GÜTTLER/DPA
Die Bedingunge­n zur Integratio­n von Schülern mit Behinderun­g sind nach Ansicht des SLLV im Saarland „noch immer mangelhaft“. FOTO: JONAS GÜTTLER/DPA

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