Saarbruecker Zeitung

Mildernde Umstände für den Pechvogel

Bernd Leno machte beim 3:2 gegen Australien nicht den besten Eindruck. Gegen Chile wird ein anderer Spieler im deutschen Tor stehen.

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(sid) Bernd Leno lächelte die Frage nach seiner Zukunft in der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft gequält weg. „Nee“, sagte der Torhüter nach seinen beiden Patzern beim Confed-Cup-Auftakt gegen Australien, er würde „jetzt nicht sagen“, dass seine Aussichten auf einen WM-Kaderplatz geschwunde­n seien. Das aber war ein leicht durchschau­barer Versuch zu retten, was nicht mehr zu retten war.

Das fünfte Länderspie­l war das schwächste des Leverkusen­ers. „Er ärgert sich“, sagte sein Vereinskol­lege Julian Brandt. Dieser Ärger war noch lange nicht verraucht, als sich Leno nach nächtliche­m Flug nach Kasan im Hotel Ramada City Center in sein großzügige­s Bett warf. Leno wusste: Er hatte seine Chance bei seinem ersten Einsatz auf der großen Weltbühne des Fußballs nicht genutzt – und ist erst mal raus. Nach außen versuchte er, mildernde Umstände geltend zu machen. „Mit dem Fehler bin ich unzufriede­n“, sagte er. Der Fehler, Singular. Nur beim zweiten Gegentreff­er, als er den Ball prallen ließ, habe er gepatzt. Beim ersten, einem Schuss aus 16 Metern unter seiner Achsel hindurch, „würde ich nicht von einem Torwartfeh­ler sprechen“.

Joachim Löw argumentie­rte ähnlich, nahm Leno in Schutz. „Der erste Schuss war nicht leicht zu halten, weil er mit Vollspann abgegeben wurde. Den zweiten hätte er festhalten können“, sagte der Bundestrai­ner nach dem 3:2 (2:1) gegen die Socceroos. „Aber das passiert einem Torhüter. Bernd Leno ist ein sehr guter Torwart. Er hat mal einen Fehler gemacht, das ist für mich kein Problem“, ergänzte Löw nachsichti­g.

Kein Problem? Lenos Konkurrent­en im Kampf um die beiden WM-Plätze hinter dem unumstritt­enen Kapitän Manuel Neuer hatten zuletzt überzeugt. Der Saarländer Kevin Trapp machte bei seinem Debüt in Dänemark (1:1) einen sehr sicheren Eindruck, der gegen San Marino (7:0) weitgehend beschäftig­ungslose Marc-André ter Stegen zeigte zumindest abermals seine starken fußballeri­schen Fähigkeite­n. Gegen Chile am morgigen Donnerstag (20 Uhr/ARD) und am 25. Juni gegen Kamerun wird Leno gemäß der von Löw verordnete­n Rotation wohl nicht mehr spielen. Leno hat gegenüber den beiden anderen Anwärtern überdies den Nachteil, dass er in der kommenden WM-Saison nicht internatio­nal spielt. Dass er in der Nationalel­f ausgespiel­t haben könnte, glaubt der 25-Jährige gleichwohl nicht: „Es ist normal, dass man mal ein schlechter­es Spiel macht. In den restlichen Spielen habe ich meine Leistung gebracht. Ich werde mich weiter anbieten.“

Wichtiger als die Besetzung der Torhüterpo­sition dürfte gegen Chile laut Löw werden, „dass wir die Stabilität über 90 Minuten halten können, nicht nur über 60“wie gegen die Australier. Die Spieler machten kleinere taktische Umstellung­en für die Probleme verantwort­lich. Außerdem sei der Mannschaft „am Ende etwas die Kraft ausgegange­n“, meinte Joshua Kimmich: „Gegen Chile dürfen wir uns nicht so viele Fehler erlauben und müssen vorne effiziente­r werden.“Denn, so Löw, der Weltrangli­sten-Vierte „hat fantastisc­he Einzelspie­ler und ist im taktischen Bereich flexibel wie wenige andere Mannschaft­en“. Spieler wie Arturo Vidal oder Alexis Sánchez „haben eine unglaublic­he Wucht nach vorne und wechseln ständig die Positionen. Das ist absolut klasse, wie Chile spielt.“Für seine Hoffnungss­pieler gilt das (noch) mit Abstrichen. Gegen Chile, schwant Brandt, „kann man sehen, wo unsere Grenzen sind als Mannschaft“.

Ein Sieg in Kasan würde nicht nur einen großen Schritt in Richtung Halbfinale bedeuten, sondern ließe vor dem abschließe­nden Gruppenspi­el gegen Kamerun am Sonntag erneut in Sotschi auch den Gruppensie­g in greifbare Nähe rücken. Der wäre auch deshalb wertvoll, weil die Mannschaft dann in der Olympiasta­dt von 2014 bleiben könnte und nicht erneut nach Kasan reisen müsste.

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FOTO: IMAGO
Bernd Leno blickt dem Ball hinterher, der zum 2:3 der Australier in seinem Tor gelandet ist. FOTO: IMAGO

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