Wenn der Opa chattet
Neu: „Monsieur Pierre geht online“von Stéphane Robelin – Harmloses Lustspielformat um Altmännerfantasien
Wenn Mutter oder Vater alt, gebrechlich und vielleicht auch ein wenig senil werden, dreht sich das elterliche Fürsorgeverhältnis um. Nun sind es die Töchter und Söhne, die zu Überbehütung und Bevormundung neigen. Das hat komische, seltsame und tragische Aspekte, denn nicht selten spiegeln sich in dieser Umkehrung schlecht verdaute Macht- und Erziehungsmuster aus der Vergangenheit wieder.
Der französische Regisseur Stéphane Robelin („Und wenn wir alle zusammenziehen“) hat darin zurecht einen Komödienstoff erkannt und erst einmal Pierre Richard unter Vertrag genommen. Der hat als „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“schon in jungen Jahren Erfahrungen mit Verwirrungszuständen gesammelt und mit seinen 82 Lenzen ein wunderschön durchfurchtes Gesicht, das sich eine gewisse Undurchsichtigkeit bewahrt.
Richard spielt den Witwer Pierre, der nach dem Tod seiner Frau kaum noch seine Pariser Wohnung verlässt. Tochter Sylvie (Stéphane Bissot) macht sich Sorgen und kauft dem alten Mann einen Computer. Der Freund ihrer Tochter, der wenig erfolgreiche Schriftsteller Alex (Yaniss Lespert), wird engagiert, um den Opa in die Geheimnisse des World-WideWebs einzuführen. Als die ersten Annoncen von Dating-Seiten aufpoppen, ist Pierres Interesse geweckt. Mit Alex’ Profilbild und dem literarischen Geschick eines Kavaliers der ganz alten Schule, der mit geflügelten
Pierre ist ein Kavalier der alten Schule. Worten statt Emojis arbeitet, beginnt der Rentner zu chatten.
Aus diesem Setting entwirft Robelin eine klassische Verwechslungskomödie von durchaus überschaubaren Ausmaßen, die sich ein wenig von „Cyrano de Bergerac“inspirieren ließ. Allerdings klebt an der Angelegenheit auch unübersehbar der schmierige Film einer Altmännerfantasie, die auch mit einer Menge Plot-Akrobatik in der Zielgeraden nicht ganz weggewischt werden kann. Zudem bleiben die Figurenzeichnungen im Schatten des prominenten Protagonisten schematisch und auf ihre narrative Funktionalität beschränkt. Robelin verschenkt hier eine Grundidee, die viele komödiantische Optionen eröffnet, an ein allzu harmloses Lustspielformat, das sein Publikum genauso unterschätzt, wie so viele Töchter und Söhne ihre gealterten Eltern.
F/D/Bel 2017, 101 Min., Camera Zwo (Sb); Regie und Buch: Stéphane Robelin; Kamera: Priscila Guedes; Musik: Vladimir Cosma; Darsteller: Pierre Richard, Yaniss Lespert, Fanny Valette, Stéphane Bissot, Stéphanie Crayencour