Saarbruecker Zeitung

Elektro-Rennwagen: Batterie- statt Reifenwech­sel

- VON GUNDEL JACOBI

Denis reißt die Arme nach oben. Er sitzt auf der Haupttribü­ne und verfolgt interessie­rt, aber noch nicht allzu fachkundig die einstündig­e Verfolgung­sjagd. „Wann bekommt man schon mal die Gelegenhei­t, eine neue Technologi­eÄra im Motorsport mitzuerleb­en?“

Soeben hat der Jaguar i-Type mit Mitch Evans am Steuer die schnellste Runde des Wochenende­s absolviert, was man zwar zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen kann, aber das Publikum schon in Mitmachlau­ne versetzt. Für eine anhaltende Begeisteru­ngswelle reichen die Zuschauerz­ahlen auf dem Formel-E-Gelände Tempelhof in Berlin an dem sonnigen Samstag nicht. Immerhin fliegen Arme im Pulk nach oben. Denis hat womöglich recht: Schluss mit dem ohrenbetäu­benden Motoren-Dröhnen und atemrauben­den BenzinDuns­t. Sauberkeit lautet das Gebot der Stunde. Familien-Väter lenken ihre Sippe zu veganen Imbissbude­n, solarbetri­ebene Kleinventi­latoren kühlen die lieben Kleinen im Buggy, und coole Nutzer von Carsharing-Elektroaut­os wie Denis nicken einander wohlwollen­d zu.

Völlig ohne Lärm geht es auch beim Rennen der rasenden Stromer nicht. Die leistungss­tarken Boliden mit breiten, rollwiders­tandsarmen Renn-Schlappen kündigen sich deutlich an. Plötzlich schwillt ein schwer zu ortendes Hochfreque­nz-Zischen zu einem Sausen an. Kurz darauf sind die ElektroRen­ner genauso schnell wieder verschwund­en wie klassische Formel-Rennwagen. Die Elektrowag­en sind auf den ersten Blick als Mitglieder eines Rennzirkus zu erkennen – und doch ist alles anders. Das Elektro-Aggregat leistet bis zu 272 PS/200 kW. Diese Vorgabe müssen alle zehn Teams mit jeweils zwei Fahrzeugen beachten. „Die Kraft der Batterie reicht für das einstündig­e Rennen nicht, unsere Jungs müssen den fahrbaren Untersatz wechseln“, erläutert Jaguar-Ingenieur Richard Devenport. Über die ausgeklüge­lte Fahrstrate­gie, die sich weniger an Höchstgesc­hwindigkei­ten als an Ladezustän­den orientiert, gibt er nur vage Auskunft. Dem ersten Elektro-Gefährt geht nach rund 20 Minuten der Saft aus. James Barclay nimmt wie sein Panasonic Jaguar Racing Team das erste Mal an der Formel E teil. „Natürlich wecken wir als Raubkatzen­Werksteam riesige Erwartunge­n, doch ist für uns die erste Saison vor allem ein ständiges Lernen.“Es kann auch Spaß machen, das Feld von hinten aufzurolle­n. In Berlin heißt es am Ende des Tages für das Jaguar-Team: Position neun.

Vor drei Jahren wurden die Batterie-Begeistert­en um FIA-Präsident Jean Todt noch belächelt. Heute bringen sich BMW und MercedesBe­nz vorsorglic­h für einen künftigen Einstieg in Stellung. Teams wie beispielsw­eise Audi Abt Schäffler, Renault Edams oder Mahindra Racing mischen hingegen schon mit. Prominente Fahrer wie Nick Heidfeld oder Nelson Piquet junior erscheinen nicht nur auf der Fahrerlist­e, man kann sie und ihresgleic­hen bei der Formel E sogar noch per Handschlag begrüßen. Die Boxengasse­n sind wie früher bei der Formel 1 keineswegs unerreichb­are Heiligtüme­r.

Ob die Elektro-Rennwagen ihre Strahlkraf­t ausbauen können? Man kann jedenfalls davon ausgehen, dass hoch bezahlte Köpfe die rein batteriebe­triebene Rennerei fördern werden. Einen Gewinn ziehen die Beteiligte­n in jedem Fall aus dem Spektakel in zwölf Städten auf vier Kontinente­n. Sie etablieren sich in der Welt der Stromer und gewinnen mit den Elektro-Rennwagen wertvolle Erkenntnis­se für die Elektromob­ilität im Alltag.

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FOTO: JAGUAR Zehn Teams waren beim Rennen der Formel E in Berlin dabei. Vielleicht löst die Elektro-Rennwagen-Serie irgendwann die Formel 1 ab.

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