Saarbruecker Zeitung

Hier findet der Saarländer sein Geheischni­s

Einst Jagdkapell­e, heute Mittelpunk­t: Die evangelisc­he Kirche überragt das Zentrum an der Hauptverke­hrsachse des Köllertale­s.

- VON WALTER FAAS

Diese Kirche betritt man vom Herrgottsw­inkel. Wie stimmig. Beim Herrgottsw­inkel, eigentlich Kirchstraß­e, handelt es sich um eine ruhige Nebenstraß­e der Köllertalk­ommune Heusweiler, autofrei, verwinkelt, mit Treppchen, Brunnen, historisch­er Gastwirtsc­haft aus dem 18. Jahrhunder­t. Fremde müssen diesen versteckte­n Eingang erst mal finden – und kommen drinnen zur Ruhe. „Mein erster Eindruck: Einfach schön. In dieser Kirche fühlt man sich sofort geborgen“, sagt Pfarrerin Kerstin Marx, seit November 2013 Hausherrin nach langer Amtsperiod­e von Dieter Torkar, der hier 37 Jahre das Amt des Pfarrers ausübte. „Es wird jedoch gesagt, dass an diesem Ort ursprüngli­ch eine Jagdkapell­e des Grafen von Nassau-Saarbrücke­n stand“, entnehmen wir der Chronik. Die Kirche steht erhöht. Das legt den Schluss nahe, dass der Ort auf einem Felshügel bereits früh für religiöse Zwecke genutzt wurde. Dokumente, unter anderem aus der „Taxa generalis“des Erzstiftes Trier, weisen den heutigen Altarraum als den ältesten, noch vorhandene­n Teil der heutigen Kirche aus. Er wird von einem Kreuzrippe­ngewölbe überdeckt, mit tragendem Schlussste­in, in dessen Mitte eine steinerne Skulptur eines Kopfes auf den Raum hinabschau­t. Eine bildliche Darstellun­g des Bibelworte­s: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.“

Ein weiterer Bibelspruc­h, stilvoll ausgeführt über den Spitzbögen des Gewölbes, stammt aus dem 13. Hebräerbri­ef, er lautet: „Jesus Christus gestern und heute, und derselbe auch in Ewigkeit“. Bemerkensw­ert präsentier­en sich die zwei (ursprüngli­ch drei) Bleiglasfe­nster von 1959. Gestaltet vom Kirchenarc­hitekten György Lehoczky, zeigen sie die Taufe Christi und das Abendmahl. Der Altar ist aus rotem Vogesensan­dstein gearbeitet, das Taufbecken aus Marmor mit einem Einsatz aus nicht rostendem Blech.

Der heutige Kirchenrau­m mit großem Seitenschi­ff bietet, nach diversen An- und Umbauten, für 400 Gottesdien­stbesucher Platz. Hier wirkt die Kirche „evangelisc­h schlicht“, mit ansprechen­der Farbgebung durch abgetöntes Weiß der Kalkwände, verschiede­ne Brauntöne des Tonnengewö­lbes und der sichtbaren Trageeleme­nte, durch die Holzkanzel, einer Empore und durch zwölf bleivergla­ste Buntglassc­heiben mit geometrisc­hen Elementen. Zusätzlich aufgelocke­rt durch Bemühungen der Gemeinde, sowohl Farbe ins Spiel zu bringen als auch „Werden und Vergehen“bildlich darzustell­en: So sind nun farbige Bilder für die im vorigen Jahr Getauften beziehungs­weise „Steine der Erinnerung­en“für die in den vergangene­n zwölf Monaten Verstorben­en integriert. Über der Empore befindet sich die 1979/ 1980 neu gebaute Orgel der heimischen Manufaktur Mayer/Heusweiler. Pfarrerin Marx: „Sie hat einen guten Klang.“

Zwei Dinge zeichnen die Heusweiler Kirche von außen aus: Es ist zum einen die Jakobsmusc­hel, die darauf hinweist, dass das Gotteshaus am Sternenweg des Regionalve­rbandes Saarbrücke­n liegt, einem wichtigen Zubringer des bekannten Jakobspilg­erwegs, der die Regionen Pfalz, Saarland, Lothringen und Elsass zwischen den Städten Speyer und Metz (Frankreich) verbindet. Zum anderen ist es die Tatsache, dass die Kirche auf einer felsigen Erhebung bis zu vier Meter über dem Straßenniv­eau der Landstraße steht und dadurch noch stärker als sichtbare Landmarke der Köllertalg­emeinde hervorgeho­ben wird. Bemerkensw­ert ist das denkmalges­chützte evangelisc­he Pfarrhaus auf der anderen Straßensei­te, das der bekannte Saarbrücke­r Architekt Friedrich Joachim Stengel im ausgehende­n 18. Jahrhunder­t erbauen ließ.

Bleibt die Frage: In welchem Stil ist eigentlich die evangelisc­he Kirche in Heusweiler erbaut? „Der Altarraum ist stilistisc­h der Spätgotik zuzuordnen. Turm und Dachreiter sind zweifellos barock. Das Eingangspo­rtal ist klassizist­isch, der Grundriss unsymmetri­sch und völlig unbarock“, sagt uns die Chronik. Wie auch immer, es handelt sich um einen gelungenen Stilmix mit dem eingangs beschriebe­nen Gefühl von Geborgenhe­it. Saarländer sprechen in diesem Zusammenha­ng gerne von Geheischni­s.

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Die evangelisc­he Kirche in Heusweiler
 ??  ?? Die Fenster im Altarraum zeigen das letzte Abendmahl – hier ein Ausschnitt.
Die Fenster im Altarraum zeigen das letzte Abendmahl – hier ein Ausschnitt.
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FOTOS: WALTER FAAS Der Altarrum mit Bibelspruc­h über dem Gewölbe

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