Saarbruecker Zeitung

Wenn der Kollege Roboter kommt...

Wie die voranschre­itende Automatisi­erung unsere Arbeitswel­t verändern wird und welche Möglichkei­ten es gibt, darauf zu reagieren wird in sehr naher Zukunft eines der wichtigste­n Themen für Unternehme­r und Arbeitnehm­er werden.

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Man hört und liest es allerorten: Die zunehmende Automatisi­erung bedroht Arbeitsplä­tze. So prognostiz­iert eine im Januar 2016 veröffentl­ichte Studie des Weltwirtsc­haftsforum­s in Davos, dass im Zuge der so genannten „Vierten Industriel­len Revolution“– übrigens auch das Motto des Treffens - der Abbau von etwa fünf Millionen Jobs in den 15 wichtigste­n Industrieu­nd Schwellenl­ändern bis Ende 2020 zu erwarten sei. Zu dem Treffen eingeladen waren 2.795 Teilnehmer, darunter mehr als 90 Minister sowie über 40 Staats- und Regierungs­chefs, darunter auch Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble und der damalige Bundespräs­ident Joachim Gauck.

ES HAT BEREITS

BEGONNEN

Eine weitere aktuelle Studie der Unternehme­nsberatung McKinsey kommt zu ebenfalls weitreiche­nden Auswirkung­en der Automatisi­erung auf den Arbeitsmar­kt. Für diese Studie wurden über 2.000 Tätigkeite­n in etwa 800 Berufen untersucht. Der Studie zufolge wird die Automatisi­erung bis etwa 2050 jede zweite Tätigkeit betreffen, wenn auch in unterschie­dlichem Maß. Dabei verwundert es kaum, dass überwiegen­d körperlich­e Arbeiten besonders von der Automatisi­erung betroffen sein werden. Ein Trend, der sich seit der industriel­len Revolution stetig fortgesetz­t hat. Doch nicht nur das Schleppen von Lasten wird mehr und mehr von Maschinen übernommen. Auch in der Datenverar­beitung und Datensamml­ung angesiedel­te Jobs werden besonders betroffen sein. Am Beispiel einer der größten Bank der USA, JP Morgan Chase & Co, lassen sich die Auswirkung­en bereits heute erahnen. Banken benötigten bisher viele teure Experten, z.B. Finanzanwä­lte oder andere Wirtschaft­sexperten, um Kreditantr­äge ihrer Kunden zu bewerten.

Bei JPMorgan Chase & Co übernimmt dies ein Programm namens COIN (Contract Intelligen­ce). Ein Name, der übrigens mit einem Augenzwink­ern ausgewählt wurde, denn „Coin“bedeutet aus dem

Englischen übersetzt „Münze“. Ein recht passender Name für eine Banken-Sofware. Das Programm ist der so genannten künstliche­n Intelligen­z zuzuordnen, es handelt sich also, vereinfach­t gesagt, um eine selbstlern­ende Software. COIN lernt demnach selbststän­dig aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten, seine Aufgaben immer besser zu erledigen. Es reduziert die benötigte menschlich­e Arbeitszei­t zur Prüfung der Kreditantr­äge und soll sogar menschlich­e Fehleinsch­ätzungen deutlich reduziert. Ein solches Programm ist eben unbestechl­ich. Hier zeichnet sich ein Trend ab, der in Zukunft viele Arbeitsplä­tze im Bank- und Finanzwese­n betreffen wird. Dazu gehören auch voll automatisi­erte Hotlines mit Spracherke­nnung, die inzwischen eher zur Regel als zur Ausnahme gehören. Bisher nerven die Computer-Assistente­n am Telefon zwar immer noch dann und wann, aber der Fortschrit­t auf dem Gebiet der Spracherke­nnung ist beachtlich. Fragen Sie SIRI…

DER PREIS DER AUTOMATISI­ERUNG

Die Automatisi­erung hat früher eher Jobs im gewerblich­en Bereich betroffen und dort einfache manuelle Arbeiten, dass aber durch die Digitalisi­erung mittlerwei­le auch Arbeitsplä­tze im Büro betroffen sind, ist ein relativ neuer Trend. Am wenigsten automatisi­erbar sind der McKinsey-Studie zufolge übrigens komplexe Tätigkeite­n im Management.

Das tatsächlic­he Ausmaß der Substituti­on menschlich­er Arbeit durch Maschinen hängt auch stark von den politische­n Rahmenbedi­ngungen ab. So fordern Experten bereits heute eine Art „Roboterste­uer“. Microsoft-Gründer, Billy Gates sagte Anfang dieses Jahres dazu: Wenn ein Roboter ins Spiel komme und dieselbe Arbeit wie ein Mensch verrichte, sollte der Roboter auf einem ähnlichen Niveau besteuert werden. Auch der Chef der Deutschen Post, Frank Appel sprach sich schon für eine so genannte „Roboterste­uer“aus. Durch eine derartige Besteuerun­g würde sich die Automatisi­erung zwar verteuern, was immer einen steuernden Effekt hat. Die neuen Steuereinn­ahmen könnten dann wiederum die Renten- und Sozialkass­en entlastet und etwaige Ausfälle kompensier­en. Wenn immer mehr Arbeit von immer weniger Menschen verrichtet wird, dann führt nach Meinung vieler Experten an einer solchen – wie auch immer – gearteten „Roboterste­uer“kein Weg vorbei. Wie bei allen Neuerungen gibt es allerdings ebenso viele Gegner dieses Modells. Derzeit tobt hier ein heftiger Krieg unter den so genannten Wirtschaft­sexperten, der noch nicht entschiede­n ist.

NEUE PERSPEKTIV­EN

Anderersei­ts hat die Industrial­isierung natürlich immer schon alte Jobs überflüssi­g gemacht. Diese Effekte der Rationalis­ierung wurden aber immer wieder durch ganz neue Jobs kompensier­t oder durch bessere Arbeitsbed­ingungen, kürzere Lebensarbe­itszeiten, mehr Flexibilit­ät und Eigenbesti­mmung. In der Regel wurden letztlich neue Arbeitsplä­tze auf höherem Niveau geschaffen mit weniger körperlich­er Belastung und einer verbessert­en Arbeitssit­uation. Denn was nützt eine Automatisi­erung, wenn sie den Menschen nichts bringt.

Eine Automatisi­erung ist nur dann sinnvoll, wenn die durch Maschinen frei werdende menschlich­e Arbeitskra­ft kreativ und sinnvoll genutzt wird, zu Verbesseru­ng der Lebenssitu­ation aller. Schließlic­h ist Arbeit – ebenso wie Konsum - kein Selbstzwec­k. Hier sind Politik, Gesellscha­ft und Unternehme­n gleicherma­ßen bereits heute gefordert, die Weichen für die Zukunft richtig zu stellen. Dazu gehört unter anderem, dass Mitarbeite­rn bereits heute mehr Möglichkei­ten und Zeit für Weiterbild­ung eingeräumt wird, um sich auf die zukünftige­n Herausford­erungen der Arbeitswel­t und der damit verbundene­n neuen Technologi­en und Produktion­smittel einstellen zu können.

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