Saarbruecker Zeitung

Schwarzbro­t ist eine feine Sache

Wie Simon Matzerath, Leiter des Historisch­en Museums Saar, für seine Arbeit brennt und was sie alles umfasst.

- VON CHRISTOPH SCHREINER

„Ich hasse es, gute Arbeit zu machen, von

der niemand etwas mitkriegt.“

Simon Matzerath

SAARBRÜCKE­N Ob man ihn jetzt als „verrückt oder selbstgefä­llig“beschreibe­n werde, fragt Simon Matzerath zuletzt. Interessan­t daran ist eine andere Frage: Wie er darauf kommt – der neue, seit Oktober 2016 herumwirbe­lnde Direktor des Historisch­en Museums Saar? Weil man seinen bemerkensw­erten Aktivismus missverste­hen könnte? Womöglich als Marketing in eigener Sache? Ach was. Weder noch.

Eigentlich hatten wir von Matzerath wissen wollen, wie die Alltagsarb­eit in einem Museum mit sieben Vollzeitst­ellen aussieht. Was man dort tut, wenn man keine Sonderscha­u vorbereite­t – zumal die künftig nur noch alle zwölf Monate (bislang alle neun) wechselt. Nein, keine Betriebspr­üfung, sondern der Versuch, das Schwarzbro­t der Museumsarb­eit besser zu verstehen, die ganze Pflichtenp­alette vor der Kür Ausstellun­g. Und so lag nun also ein zweiseitig­es Papier, das er morgens noch schnell herunterge­hackt hatte, vor ihm – eine Übersicht der rund 50 „Maßnahmen/Projekte/ Aufgaben“, die ihn und sein Team gerade umtreiben. Der Fahrplan in die nähere Zukunft des Museums. Komplex, ambitionie­rt, zielgerich­tet, verzweigt, zeitlich und personell aufwändig.

Als der Zweckverba­nd Historisch­es Museum (mit dem Regionalve­rband und dem Land als Gesellscha­fter, die sich die Finanzieru­ng im Verhältnis 80:20 teilen) 2016 einen Nachfolger ausguckte für die nach Gerhard Ames’ Ausscheide­n über ein Jahr lang vakante Direktoren­stelle, war oberstes Gebot: Wir wollen einen, der das Museum wahrnehmba­rer macht und mehr Publikum zieht. Die Wahl fiel auf Simon Matzerath. Sein Paper dokumentie­rt, mit wieviel Verve und Esprit er den Auftrag umsetzt. Alleine 16 Einzelpunk­te betreffen diverse Veränderun­gen im, am und um den Museumsbau. Ob nun ein neues Lichtkonze­pt mit 3-D-Wirkung für den tunnelarti­gen Bau. Ob dessen Außenhauts­anierung, die Foyer-Neugestalt­ung samt neuer Schließfäc­her oder ein neues Textilmaga­zin. Letzteres zeigt pars pro toto, wieviel an einer Sache hängt: Matzerath ist zwar ein Mann schneller Entscheidu­ngen. Der Rattenschw­anz, den sie nach sich ziehen, aber ist das andere. Bislang sind die Textiliens­ammlung wie die übrigen Archivbest­ände in St. Ingbert eingelager­t. Eine Motte, die sich dort einnistet, kann etwa eine Handwerker­montur aus dem frühen 19. Jhr. ruinieren – wenn die Materialie­n nicht geschützt sind. Handlungsb­edarf!

Zu den originären Museumsauf­gaben gehört neben dem Sammeln, Forschen, Inventaris­ieren, Ausstellen und Vermitteln auch das Bewahren der Exponate. „Schließlic­h müssen wir sie durch die nächsten Jahrhunder­te bringen.“Konkret erfordert das, spezielle Räumlichke­iten zu finden, klimatisch­e sowie sicherheit­stechnisch­e Parameter zu klären und die Textilien dort fachgerech­t zu magazinier­en. So ist es mit allem: Jede Baustelle zieht eine Reihe weiterer nach sich. Nehmen wir die ausstehend­e Digitalisi­erung von noch 23000 Bestandsob­jekten. „Das wird 15 bis 20 Jahre dauern“, überschläg­t der junge Direktor (35). Grund: Geld- und Personalma­ngel. Zwei Studentinn­en sind als Mini-Jobber damit betraut. Seit 1999 die Sammlungsl­eiterstell­e einkassier­t wurde, blieb die Inventaris­ierung liegen. 7000 Objekte waren damals in einer Datenbank erfasst worden. Matzerath will da nun wieder ran. Genauso wie er die unzureiche­nde Erforschun­g der Gestapozel­le und der Bauhistori­e des Schlosses in Angriff nehmen will. Ohne Kooperatio­nspartner illusorisc­h. Weshalb er Kontakt hält mit den Historiker­n der Saarbrücke­r Uni und auf Masterarbe­iten setzt. Desgleiche­n soll eine 2018 von seinem Haus organisier­te Tagung zu Burgen und Schlössern der Region Forschungs­potenziale abstecken und in einen Katalog münden. Matzerath brennt für seine Aufgabe. Fundiert in der Sache, niedrigsch­wellig in der Vermittlun­g – das ist sein Prinzip. In die Breite gehen ja, aber zugleich immer auch in die Tiefe.

Wenn er von der kommenden Sonderscha­u über die 25 wichtigste­n Saar-Prominente­n (ab 27. August) erzählt, leuchten seine Augen. Steigt man mit ihm hinunter in die Saargeschi­chte seit 1870 komprimier­ende Dauerschau, rückt er hier einen Rahmen zurecht, notiert dort einen Beschriftu­ngsfehler. Gefragt, ob ihm ihr Umkrempeln nicht unter den Nägeln brennt, kommt als Replik „Jetzt nicht, weil das derzeit nicht effizient ist.“Zwar will er die Textmengen reduzieren, alles lesbarer und dreisprach­ig machen und mit einer Computeran­imation in die Saargeschi­chte seit 1815 einführen – Einschneid­enderes sei erst später zu leisten. Den Fördervere­in belebt er gerade. Startet Marketing-Offensiven (typisch für den von ihm gepflegten Teamgeist ist, dass man das künftige Logo genauso wie die Kataloge selbst konzipiert und layoutet). Die „Disco-Beleuchtun­g“in der unterirdis­chen Burg (,,die einzige eines Museums in ganz Deutschlan­d“, wie er gerne betont) will er ersetzen durch eine, die die Ruinen selbst in Szene setzt. Auch möchte er Audioguide­s einsetzen und 360-Grad-Visualisie­rungen dessen, worauf man zu Renaissanc­e-Zeiten hier unten blickte. Und kommt dann noch auf Sonderpräs­entationen hier unten zu sprechen. Spannend. Will er aber erst publik machen, wenn „in trockenen Tüchern“. „Ich hasse es, gute Arbeit zu machen, von der niemand etwas mitkriegt“, sagt er beim Hinausgehe­n. Und dass das Museum 2020 schachmatt sei, wenn dessen Etat (1,25 Millionen Euro) bis dahin nicht steige. Weil dann der Ausstellun­gsetat durch Kostenstei­gerungen aufgefress­en sei. Man nimmt ihm seine Zuversicht ab, dass das Museum bis dahin einen Sprung nach vorne gemacht hat. Und sich Wege finden werden, um neue Schatullen zu öffnen.

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FOTO: OLIVER DIETZE Simon Matzerath, Direktor des Historisch­en Museums Saar, in den Kasematten.

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