Saarbruecker Zeitung

Anita Chatterjee macht Wände zu Gärten

Globtetrot­terin aus Saarbrücke­n brachte nach Tausenden von Reisekilom­etern eine Idee mit, die sie nicht mehr loslässt.

- VON TOBIAS EBELSHÄUSE­R

SAARBRÜCKE­N. Anita Chatterjee hat schon viel von der Welt gesehen. Für einen großen französisc­hen Stahlrohrh­ersteller war sie unterwegs in etlichen Ländern; voriges Jahr arbeitete sie für Ärzte ohne Grenzen neun Monate im Kongo. Nun ist sie wieder zu Hause in Saarbrücke­n, in der Neuen Mohr’schen Anlage nahe der französisc­hen Grenze.

Im Restaurant ihres Onkels hat sie ein Pilotproje­kt gestartet, einen vertikalen Garten. Viel gegärtnert habe sie in ihrem Leben eigentlich nicht, erzählt sie.

Doch im Kongo half die Ingenieuri­n unter anderem dabei, einen großen Nutzgarten anzulegen. Als sie dann im Februar zurück ins Saarland kam, Sentschlos­s sie sich, selbst ein Projekt zu starten. Ihr sei in Afrika klar geworden, dass es immer wichtiger werde, sich selbst zu versorgen. Das hauptsächl­iche Ziel sei die Fähigkeit, vieles selbst zu erzeugen, was man verbraucht.

Dazu wollte sie etwas beitragen, wenn auch zunächst auch nur mit kleinen Schritten. In Frankreich hat Anita Chatterjee vertikale Gärten an Hausfassad­en gesehen, erzählt sie. Dort dienten sie eigentlich nur zur Verschöner­ung, höchstens die Luft wurde dadurch etwas besser.

Doch in Brasilien sah sie etwas anderes. Denn dort werden bereits Obst und Gemüse in vertikalen Gärten angebaut. Also beschloss Chatterjee, genau das zu machen, und sie fing an zu bauen. „Es war mir aber wichtig, auf Materialie­n zurückzugr­eifen, die sich bereits im Recyclingk­reislauf befinden“, sagt sie.

Sie besorgte alte Dachrinnen aus Plastik, ausrangier­te Holzpalett­en und Kunststoff-Flaschen. Dabei waren Letztere gar nicht so einfach aufzutreib­en. „Ich konnte ja nicht einfach auf den Wertstoffh­of fahren und dort Plastikfla­schen mitnehmen“, sagt sie und lacht. Schließlic­h musste sie selbst sammeln und im Supermarkt leere Flaschen kaufen.

Allein 75 Plastikfla­schen hängen jetzt an der Wand; mindestens genauso viele hat sie beim Planen und Testen verbraucht. Nun wachsen darin verschiede­ne Salate, Kräuter, Gewürze, Obst und Gemüse.

Die Vorteile von Essen, das in der Nähe der Küche direkt an der Wand wächst? Zum einen die viel kürzeren Wege, sagt sie. „Ein Teil dessen, was man in der Küche braucht, wird direkt vor Ort produziert. So weiß man genau, was man anpflanzt und woher es kommt.“

Dazu brauche man ganz wenig Platz und schone durch den geringen logistisch­en Aufwand die Umwelt.

Ein klassische­s Geschäftsm­odell ist zwar angedacht für die „Vertikale Essbar“, steht für sie hier aber nicht im Vordergrun­d. Auch wenn Gastronome­n von der Idee profitiere­n können, ist geplant, dass der hierbei erzielte Gewinn in den Aufbau der Gärten in sozialen Einrichtun­gen, wie Schulen, Jugendzent­ren oder auch Altenheime­n fließt. So könnten Kinder gleichzeit­ig gesundes Essen anbauen und etwas darüber lernen. „Viele wissen ja gar nicht mehr woher das Gemüse eigentlich kommt und dass vieles davon auch bei uns wächst“, sagt sie. Ihr Onkel selbst, der Inhaber des Restaurant­s, ist angetan von der Idee seiner Nichte. „Erst mal sieht so ein hängender Garten ja viel besser aus als eine nackte, kahle Wand“, sagt Erich Gottfreund. Momentan sei der Garten mehr auf die Demonstrat­ion der Idee ausgelegt als auf den tatsächlic­hen Verbrauch.

Bisher nutze er die Kräuter beim Kochen in der Küche, den Salat für einzelne Vorspeisen und Kresse-Blüten als Dekoration auf den Tellern. Besonders hofft er, dass das Projekt in sozialen Einrichtun­gen verwirklic­ht werden kann.

Die Kinder sollten wieder lernen, wie viel Arbeit es ist, Essen anzubauen, und wie wertvoll das ist, was auf ihrem Teller liegt. „Die Kinder haben heutzutage gar keine Ahnung mehr, wie viele Leute an ihrem Pausenbrot eigentlich gearbeitet haben.“Dieses Wissen sei wichtig, denn für viele Menschen auf der Welt sei Gärtnern eben „kein Hobby, sondern reine Grundverso­rgung“, sagt er.

„Viele wissen nicht mehr, woher das Gemüse kommt und dass vieles davon bei uns

wächst.“

Anita Chatterjee

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FOTO: TOBIAS EBELSHÄUSE­R Anita Chatterjee und ihr Onkel betrachten zufrieden, was der hängende Garten bereits hervorbrin­gen.

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