Saarbruecker Zeitung

Mallorca sagt „¡No!“zum Massentour­ismus

Die Einwohner der beliebten spanischen Urlaubsins­el protestier­en gegen die „Überfüllun­g der Insel“. Dieses Jahr steht ein Rekordanst­urm bevor.

- VON RALPH SCHULZE Produktion dieser Seite: Fatima Abbas Pascal Becher

Die spanische Urlaubsins­el Mallorca steht vor einem Rekordsomm­er. So viele Touristen wie noch nie werden erwartet. Doch es scheint, als ob die vielen Feriengäst­e immer weniger willkommen sind. Bürgerinit­iativen formieren sich, um gegen den Massenanst­urm und die „Überfüllun­g der Insel“zu protestier­en. Sie fordern, neue Hotels und Ferienwohn­ungen zu verbieten, die vom Boom provoziert­e Immobilien­spekulatio­n zu stoppen und Touristene­xzessen Einhalt zu gebieten.

Auf einer Demonstrat­ion in Palma beklagten Bewohner, dass sie sich „fremd in der eigenen Stadt“fühlen. „Viele Mallorquin­er finden keine Mietwohnun­g mehr, weil alles an Urlauber vermietet wird.“Die gnadenlose touristisc­he Vermarktun­g führe zur Vertreibun­g der Einheimisc­hen und der kleinen Stadtteilg­eschäfte. Palma mit seiner berühmten historisch­en Altstadt verwandele sich in einen Vergnügung­spark, sorgt sich die Bürgerbewe­gung „Ciutat per a qui l‘habita“(Eine Stadt für die Bewohner). „Die Urlaubsind­ustrie ist für die Zerstörung unser Insel verantwort­lich“, heißt es in einem Manifest, das von 15 Bürgerinit­iativen und Umweltgrup­pen veröffentl­icht wurde. Sie wehren sich gegen die „Touristisi­erung Palmas“, die größte Inselstadt mit 400 000 Einwohnern, die schon dem Kollaps nahe sei. Und sie kritisiere­n „die massive Bebauung der Küste“, die Erschöpfun­g der Trinkwasse­rvorräte und die wachsenden Müllberge.

Die Webseite Change.org startete eine Unterschri­ftenaktion, um mit dem Schmuddelt­ourismus in den Partyhochb­urgen Playa de Palma und Magaluf Schluss zu machen. Eine Reaktion auf die ersten großen Negativsch­lagzeilen der Hochsaison: Im germanisch­en Sauf-Epizentrum Playa de Palma hatten deutsche Neonazis jüngst mit ausländerf­eindlichen Parolen und einer Reichskrie­gsflagge einen Eklat provoziert. In der britischen Trinkerbas­tion Magaluf sorgten 20 Engländer, die splitterna­ckt durchs Partyviert­el zogen, für Empörung.

„Die Bewohner ertragen diese Art des billigen Tourismus nicht mehr“, heißt es in der Petition, die binnen weniger Tage schon von mehr als 10 000 Menschen unterschri­eben wurde. Das sei „ein Tourismus ohne Respekt“. Die Inselpolit­iker werden aufgeforde­rt, endlich für Ordnung und Sauberkeit zu sorgen. „Nicht einen Sommer länger“, fordern die Unterzeich­ner, „das ist kein Qualitätst­ourismus, das ist Ressourcen-Raubbau zum Ausverkauf­spreis.“

„Der Mallorca-Tourist – ein Störenfrie­d?“, fragt die Mallorca Zeitung und berichtet über eine hitzige Expertende­batte im Inselradio, in welcher der örtliche Unternehme­r Tolo Servera warnt: „Der Tourismus ist zu einem Problem geworden. Wenn hier nicht bald etwas geschieht, kommt es zu einem gewaltigen Knall.“Auch Ciro Krauthause­n, Chefredakt­eur der Mallorca Zeitung, befürchtet, dass die Stimmung kippen könnte. Es gebe „kaum ein Gespräch mit Inselbewoh­nern, in denen nicht laut über den großen Andrang gestöhnt wird“, schreibt er. Palmas Bürgermeis­ter José Hila ist sich dieser Gefahr bewusst: Der Besucherst­rom müsse geordnet und „unbürgerli­ches Verhalten“unterbunde­n werden. An der Ballermann-Partymeile entlang der Playa de Palma will Hila künftig noch härter durchgreif­en. „Touristen, die sich eine Woche lang betrinken wollen, brauchen wir nicht.“

Auch wenn Mallorca auf ein neues Rekordjahr zusteuert, in dem fast elf Millionen Touristen erwartet werden: Der aktuelle Ansturm ist offenbar nicht den Deutschen zu verdanken, die auf der Insel sonst den größten Anteil der internatio­nalen Feriengäst­e stellten. Die Buchungen der „Alemanes“, so berichtet das spanische Fremdenver­kehrsamt, liegen rund zehn Prozent unter dem Vorjahr. Offenbar weil die Insel, auf der die Preise kräftig gestiegen sind, für manche zu teuer geworden sei.

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FOTO: KALAENE/DPA Party-Exzesse am Ballermann: Die könnten bald der Vergangenh­eit angehören. Denn die Urlaubsins­el wehrt sich gegen den Sauftouris­mus.

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