Saarbruecker Zeitung

„Mercrons“starker Gipfel-Auftritt

Deutschlan­d und Frankreich prägen als Tandem den Aufbruch Europas. Briten-Premier May stößt auf Ablehnung.

- VON DETLEF DREWES

„Mercron“werden sie genannt: die Kanzlerin und der Präsident. Gemeinsam traten Angela Merkel und Emmanuel Macron am Ende dieses zweitätige­n Gipfels vor die Presse und legten fast so etwas wie ein Credo ab. „Das deutsch-französisc­he Tandem zeigt die Kraft, mit der wir Europa verbessern wollen“, sagte das neue französisc­he Staatsober­haupt. Und erinnerte an den verstorben­en deutschen Kanzler Helmut Kohl, dem „wir in wenigen Tagen bei einem europäisch­en Staatsakt die Ehre erweisen werden“. Merkels Lob für die Freundscha­ft mit Macron fiel nicht minder herzlich aus: Es gebe einen „neuen Geist der Zuversicht“. Dieser EU-Gipfel hatte seine Botschaft: Weder Brexit noch der amerikanis­che Protektion­ismus (den Macron ausdrückli­ch erwähnte) können die EU aufhalten. Die Gemeinscha­ft ist auf dem Weg, wagt einen neuen Aufbruch.

Solche Begeisteru­ng schwappte über. Unter dem Hashtag „#Mercron“wurden stundenlan­g immer neue Kommentare über die frisch geölte Achse Berlin-Paris getwittert. Dabei gehe es keineswegs nur um atmosphäri­sche Verbesseru­ngen, betonten Merkel und Macron: Die Wirtschaft laufe gut. Es gebe zehn Millionen neue Arbeitsplä­tze in der EU und über Griechenla­nd habe man gar nicht geredet, was „ein gutes Zeichen ist“, sagte Macron.

Tatsächlic­h sieht die EU wieder nach vorne. Merkel strich das noch einmal heraus: „Die Gestaltung der Zukunft der 27 sollte Vorrang haben vor den Brexit-Verhandlun­gen, die wichtig bleiben.“So hieß der klare Verlierer dieses Gipfels denn auch Theresa May. Der britischen Premiermin­isterin schlug immer wieder Ablehnung entgegen. Erst saß sie mit Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker zusammen, lobte dabei den „konstrukti­ven Auftakt“der Brexit-Gespräche am vergangene­n Montag. Doch der Luxemburge­r ließ sich nicht einseifen und beschwerte sich darüber, dass Mays Delegation nahezu unvorberei­tet erschienen war. Als Juncker wenig später von einem britischen Journalist­en gefragt wurde, ob er eine Vorstellun­g davon habe, welchen Brexit die Londoner Regierung anstrebe, antworte er mit einem kopfschütt­elnden „No“und ging. Der Versuch Theresa Mays, mit einem „sehr fairen und ernsthafte­n Angebot“zum Bleiberech­t für EU-Ausländer auf der Insel zu punkten, ging vollends daneben. Die Bundeskanz­lerin begrüßte den Schritt zwar, belehrte die Britin dann aber, dass über solche Angebote nicht beim Gipfel, sondern in den offizielle­n Verhandlun­gen geredet wird. Derweil zerpflückt­en die Briten selbst den Vorschlag bereits, noch bevor May ihn am Montag ausführlic­h auf der Insel präsentier­en konnte. Wer fünf Jahre im Vereinigte­n Königreich lebe, könne bleiben, hatte sie gesagt, und die gleichen Rechte wie Einheimisc­he haben. „Eine Mogelpacku­ng“schimpften daraufhin die Kritiker. „Völlig inakzeptab­el“, monierten Sprecher der EU-Ausländer in Großbritan­nien in einem Statement. Einen Punkt lehnten sogar die Staats- und Regierungs­chefs sofort ab: May wollte die Zuständigk­eit des Europäisch­en Gerichtsho­fes für Streitfrag­en nicht anerkennen. Auseinande­rsetzungen müssten vor britischen Gerichten ausgefocht­en werden, unterstric­h May. Die Ablehnung der Staats- und Regierungs­chefs war deutlich.

Tatsächlic­h wollte die Premiermin­isterin wohl nur dem heimischen Publikum beweisen, dass sie es ist, die die Fäden des Brexit in der Hand hält. Dass dies ein Irrtum ist, bekam May deutlich zu spüren. Stattdesse­n musste sie mitanhören, wie Merkel und Macron bereits über denkbare Fortentwic­klungen der Union philosophi­erten. „Wo es nötig ist, wird man es tun. Wo es nicht nötig ist, wird man es nicht erzwingen“, sagte Merkel. Und Macron nickte. Großbritan­nien ringt um seine Zukunft, während die Europäisch­e Union auf und davon eilt.

„Wo es nötig ist, wird man es tun.“

Angela Merkel,

über Reformen des EU-Systems

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FOTO: BELOT/AFP Zufriedene Gesichter: Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron traten auch bei der Pressekonf­erenz gemeinsam auf.

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