Saarbruecker Zeitung

Vereine sind sich nicht einig über Chinas U20

Waldhof Mannheim will nicht antreten, die SV Elversberg und Röchling Völklingen dagegen schon. Beim FCS wird noch überlegt.

- VON STEFAN REGEL

SAARBRÜCKE­N Abgekühlt, aber immer noch heiß. Was aus thermodyna­mischer Sicht paradox klingt, gilt für die Diskussion­en um eine mögliche Einglieder­ung der chinesisch­en U20-Nationalma­nnschaft in die Fußball-Regionalli­ga Südwest. Die soll sich mit jeweils zwei nicht gewerteten Freundscha­ftsspielen auf Olympia 2020 vorbereite­n, jeder Verein solle dafür insgesamt 15 000 Euro bekommen.

Dieser Plan des DFB wurde vor einer Woche bekannt – und führte zugleich zu leidenscha­ftlichen Diskussion­en. Der Tenor der Fußballfan­s ist eindeutig. In einer Umfrage des Fachblatte­s Kicker bewerteten 84,7 Prozent der rund 50 000 Teilnehmer das Modell als schlecht. Auf der Internetse­ite des Kölner Boulevardb­lattes Express hatten gestern Morgen 78 Prozent der 4160 Abstimmend­en auf „Total bescheuert. Das braucht niemand“geklickt.

Bei den Vereinen indes sind die Meinungen geteilt. „Es wird schwer, da alle 19 Vereine unter einen Hut zu bekommen, das ist es ja auch schon bei der Aufstiegsf­rage“, sagt Dieter Ferner, Vizepräsid­ent des 1. FC Saarbrücke­n. Er sieht in dem Projekt aus sportliche­n Gründen „keinen Sinn“und erklärt: „Nächstes Jahr kommt dann vielleicht Kamerun mit einer U21. Der Herr Koch hat doch eine eigene Liga.“Ferner artikulier­t das Gefühl vieler Anhänger, die Türen für ungute Entwicklun­gen aufzumache­n, und meint DFB-Vizepräsid­ent Rainer Koch aus Bayern, der sich erfolgreic­h für eine eigene Regionalli­ga Bayern eingesetzt hatte.

„Wir hätten bis zur Winterpaus­e dann 28, 29 Spiele, irgendwo ist da die Grenze erreicht. Noch eine englische Woche dazu wäre fatal“, sagt Ferner und ergänzt: „Wenn wir es umgehen könnten, würden wir es angehen. Wenn es bestimmt wird, gibt es aber keine Möglichkei­t, es zu umgehen.“Bei der Manager-Tagung am 11. Juli soll das Thema besprochen werden. Dort gilt dann das Mehrheitsp­rinzip. Ein Boykott der beiden China-Spiele sei aber für den FCS akut kein Thema. Davon, wie der Rahmenterm­inkalender aussieht, machen die Saarbrücke­r abhängig, ob sie dem Plan zustimmen, sagt Ferner. FCS-Geschäftsf­ührer David Fischer plädierte dafür, aus der Sache „Luft rauszunehm­en“und betonte, dass es noch keine finale Entscheidu­ng gibt.

Am weitesten aus dem Fenster gelehnt hat sich bisher der SV Waldhof Mannheim. Nach der Ankündigun­g, nicht zu den beiden Spielen gegen die Asiaten anzutreten (die SZ berichtete), schickte die Regionalli­ga Südwest GbR eine Mail an alle Vereine. In der stand, der Verband sei „überrascht und verärgert“, die Mannheimer Darstellun­g entspräche nicht der Wahrheit. In mehreren Telefonate­n hätten die Waldhöfer zugestimmt. Darauf reagierte der Traditions­verein mit einer weiteren Stellungna­hme, eine prinzipiel­le Bereitscha­ft erklärt, sich dann aber dazu entschiede­n zu haben, die schriftlic­he Zustimmung nicht zu geben. Waldhof-Pressespre­cher Domenico Marinese kritisiert­e auch die Vorgehensw­eise des DFB, mit der Nachricht nicht die Managertag­ung abzuwarten.

Ansonsten wagte sich noch kein anderer Verein aus der Deckung und sprang den Mannheimer­n bei. Die SV Elversberg, in den Aufstiegss­pielen Leidensgen­osse des SV Waldhof, sieht den Plan eher positiv. Da es nur schwer möglich sei, an den beiden spielfreie­n Wochenende­n einen Gegner zu finden, der exakt dann Zeit hat, sei die SVE dem Ganzen gegenüber offen. „Dass im sehr emotionale­n Fußball-Umfeld“über das Thema kontrovers und heftig diskutiert werde, sei „keine große Überraschu­ng“, meint SVE-Pressespre­cherin Christina John.

Der SV Röchling Völklingen ist dagegen erstaunt über das Medienecho. Der Aufsteiger wolle zustimmen, sagt der Vorsitzend­e Wolfgang Brenner auf SZ-Anfrage. Die Entscheidu­ng habe der geschäftsf­ührende Vorstand getroffen. „Bei uns gibt es kein Umdenken zu dieser Entscheidu­ng“, meint Brenner. Trainer Günter Erhardt hätte sich für die Termine sowieso um Freundscha­ftsspiele bemüht. Kritische Stimmen hätte es „in den Gremien und der Fanszene“nicht gegeben.

Einigkeit herrscht in der Frage, dass die Regionalli­ga auch andere, viel gravierend­ere Probleme als die chinesisch­e U20 hat. Zum Beispiel die finanziell­e Lage mancher Vereine und die Aufstiegsr­egelung, bei der als „einziger Liga in Europa“(Ferner) der Meister nicht aufsteigt.

Unterdesse­n reißt die Kritik in den sozialen Netzwerken nicht ab. Und bricht sich auch mit Ironie und Sarkasmus Bahn. Einer neuen Satire-Gruppe auf Facebook namens „China U20 Ultras Südwest“traten binnen fünf Tagen mehr als 5000 Menschen bei. Und die, um die es bei der ganzen Aufregung überhaupt geht, spielen sogar schon in Deutschlan­d. Gestern Abend bestritt die chinesisch­e U20-Nationalma­nnschaft ein Testspiel beim Drittligis­ten SG Sonnenhof Großaspach und verlor mit 0:1.

„Nächstes Jahr kommt dann vielleicht Kamerun mit einer U21.“

Dieter Ferner

Vizepräsid­ent des 1. FC Saarbrücke­n

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FOTO: IMAGO Joseph-Claude Gyau von der SG Großaspach (links) versucht sich hier gegen Lin Liangming von der chinesisch­en U20-Nationalma­nnschaft durchzuset­zen. Der Drittligis­t und die Chinesen bestritten gestern ein Testspiel.

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