Worum es bei der „Ehe für alle“geht
Schon am Freitag soll der Bundestag grünes Licht geben. Aber noch sind Fragen offen.
BERLIN (dpa) Die SPD will wohl am Freitag über die völlige Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare abstimmen. Hintergrund: der jüngste Kurswechsel von Kanzlerin Merkel. Im Folgenden die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema:
Wie geht es im Bundestag weiter?
Die SPD dürfte bei der Bundestagsabstimmung auf einen Gesetzentwurf des Bundesrates zurückgreifen, der ursprünglich auf ein Papier des damals rot-grün regierten Landes Rheinland-Pfalz zurückgeht. Die erste Lesung im Bundestag dazu ist bereits gelaufen. Das Papier hängt nun schon längere Zeit im Rechtsausschuss des Bundestages fest. In der Unionsfraktion geht man davon aus, dass die SPD heute mit der Opposition aus Linken und Grünen diese Beschlussempfehlung verabschiedet. Die Union wird nicht zustimmen. Ein solches rot-rot-grünes Votum wäre ein bemerkenswerter Vorgang und eine Eskalation des Streits zwischen den Koalitionspartnern.
Die Empfehlung des Rechtsausschusses zur Annahme des Gesetzentwurfs dürfte nach Einschätzung in der Unionsfraktion dann am Freitag zu Beginn der regulären Plenarsitzung in einer sogenannten Geschäftsordnungsdebatte kurzfristig auf die aktuelle Tagesordnung gesetzt werden. Am 7. Juli könnte das Vorhaben dann noch zum zweiten Durchgang in den Bundesrat gehen – auf den letzten Drücker vor der parlamentarischen Sommerpause.
Gibt es verfassungsrechtliche Fragen bei dem Thema?
Es ist umstritten, ob eine Grundgesetzänderung nötig ist oder nicht. Laut Artikel 6 des Grundgesetzes stehen Ehe und Familie „unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“. Dieser sei nicht ohne Weiteres auf gleichgeschlechtliche Paare übertragbar, argumentieren jene, die eine Grundgesetzänderung für nötig halten. Schließlich gelte die Ehe in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Verbindung zwischen Mann und Frau. Deshalb gehe es nicht ohne Änderung am Grundgesetz. Dafür müsste eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag her. Die Befürworter SPD, Grüne und Linke bräuchten dann auch 101 Stimmen aus der CDU/CSU-Fraktion, also knapp jeden dritten Unionsabgeordneten.
Wie sieht die andere Meinung aus?
Andere halten eine Grundgesetzänderung nicht für notwendig. Sie sind der Ansicht, die Frage lasse sich durch eine Ergänzung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) regeln: im Paragrafen 1353 zur „ehelichen Lebensgemeinschaft“. Dort soll klargestellt werden, dass auch gleichgeschlechtliche Personen eine Ehe eingehen können. Dies ist im Gesetzentwurf des Bundesrates vorgesehen, den die SPD im Parlament zur Abstimmung stellen will. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat bereits kundgetan, er halte eine Grundgesetzänderung nicht für zwingend.
Wie ist die bisherige Regelung?
Seit 2001 können homosexuelle Paare in Deutschland ihre Lebenspartnerschaft offiziell eintragen lassen. Das entsprechende Gesetz hat eine Gleichstellung in vielen Bereichen bewirkt – bei Unterhaltspflicht, im Erbrecht oder etwa beim Ehegattensplitting.
Wo gibt es weiterhin Diskriminierungen?
Im Vergleich zur heterosexuellen Ehe gibt es in Deutschland anders als in Dänemark oder den Niederlanden vor allem beim Adoptionsrecht Benachteiligungen. Die gemeinsame Adoption eines Kindes ist nach wie vor nicht möglich.
Merkel beklagt, dass die SPD mit ihr nie richtig über das Thema gesprochen habe und es jetzt „holterdipolter“gehen solle. Stimmt das?
Nein. Laut SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat er das Thema tzuletzt am 29. März im Koalitionsausschuss angesprochen. Merkel soll geantwortet haben: Vergessen Sie es.