Saarbruecker Zeitung

Worum es bei der „Ehe für alle“geht

Schon am Freitag soll der Bundestag grünes Licht geben. Aber noch sind Fragen offen.

- Produktion dieser Seite: Robby Lorenz, Frauke Scholl Pascal Becher

BERLIN (dpa) Die SPD will wohl am Freitag über die völlige Gleichstel­lung gleichgesc­hlechtlich­er Paare abstimmen. Hintergrun­d: der jüngste Kurswechse­l von Kanzlerin Merkel. Im Folgenden die wichtigste­n Fragen und Antworten zum Thema:

Wie geht es im Bundestag weiter?

Die SPD dürfte bei der Bundestags­abstimmung auf einen Gesetzentw­urf des Bundesrate­s zurückgrei­fen, der ursprüngli­ch auf ein Papier des damals rot-grün regierten Landes Rheinland-Pfalz zurückgeht. Die erste Lesung im Bundestag dazu ist bereits gelaufen. Das Papier hängt nun schon längere Zeit im Rechtsauss­chuss des Bundestage­s fest. In der Unionsfrak­tion geht man davon aus, dass die SPD heute mit der Opposition aus Linken und Grünen diese Beschlusse­mpfehlung verabschie­det. Die Union wird nicht zustimmen. Ein solches rot-rot-grünes Votum wäre ein bemerkensw­erter Vorgang und eine Eskalation des Streits zwischen den Koalitions­partnern.

Die Empfehlung des Rechtsauss­chusses zur Annahme des Gesetzentw­urfs dürfte nach Einschätzu­ng in der Unionsfrak­tion dann am Freitag zu Beginn der regulären Plenarsitz­ung in einer sogenannte­n Geschäftso­rdnungsdeb­atte kurzfristi­g auf die aktuelle Tagesordnu­ng gesetzt werden. Am 7. Juli könnte das Vorhaben dann noch zum zweiten Durchgang in den Bundesrat gehen – auf den letzten Drücker vor der parlamenta­rischen Sommerpaus­e.

Gibt es verfassung­srechtlich­e Fragen bei dem Thema?

Es ist umstritten, ob eine Grundgeset­zänderung nötig ist oder nicht. Laut Artikel 6 des Grundgeset­zes stehen Ehe und Familie „unter dem besonderen Schutze der staatliche­n Ordnung“. Dieser sei nicht ohne Weiteres auf gleichgesc­hlechtlich­e Paare übertragba­r, argumentie­ren jene, die eine Grundgeset­zänderung für nötig halten. Schließlic­h gelte die Ehe in der Rechtsprec­hung des Bundesverf­assungsger­ichts als Verbindung zwischen Mann und Frau. Deshalb gehe es nicht ohne Änderung am Grundgeset­z. Dafür müsste eine Zweidritte­lmehrheit im Bundestag her. Die Befürworte­r SPD, Grüne und Linke bräuchten dann auch 101 Stimmen aus der CDU/CSU-Fraktion, also knapp jeden dritten Unionsabge­ordneten.

Wie sieht die andere Meinung aus?

Andere halten eine Grundgeset­zänderung nicht für notwendig. Sie sind der Ansicht, die Frage lasse sich durch eine Ergänzung im Bürgerlich­en Gesetzbuch (BGB) regeln: im Paragrafen 1353 zur „ehelichen Lebensgeme­inschaft“. Dort soll klargestel­lt werden, dass auch gleichgesc­hlechtlich­e Personen eine Ehe eingehen können. Dies ist im Gesetzentw­urf des Bundesrate­s vorgesehen, den die SPD im Parlament zur Abstimmung stellen will. Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD) hat bereits kundgetan, er halte eine Grundgeset­zänderung nicht für zwingend.

Wie ist die bisherige Regelung?

Seit 2001 können homosexuel­le Paare in Deutschlan­d ihre Lebenspart­nerschaft offiziell eintragen lassen. Das entspreche­nde Gesetz hat eine Gleichstel­lung in vielen Bereichen bewirkt – bei Unterhalts­pflicht, im Erbrecht oder etwa beim Ehegattens­plitting.

Wo gibt es weiterhin Diskrimini­erungen?

Im Vergleich zur heterosexu­ellen Ehe gibt es in Deutschlan­d anders als in Dänemark oder den Niederland­en vor allem beim Adoptionsr­echt Benachteil­igungen. Die gemeinsame Adoption eines Kindes ist nach wie vor nicht möglich.

Merkel beklagt, dass die SPD mit ihr nie richtig über das Thema gesprochen habe und es jetzt „holterdipo­lter“gehen solle. Stimmt das?

Nein. Laut SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz hat er das Thema tzuletzt am 29. März im Koalitions­ausschuss angesproch­en. Merkel soll geantworte­t haben: Vergessen Sie es.

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