Saarbruecker Zeitung

Mehr Vertrauen statt Alibi-Käufe

Präsident Hoeneß weist Kritik an Transferpo­litik des FC Bayern zurück und will die Jugend in den Vordergrun­d rücken.

- VON THOMAS NIKLAUS

(sid) Carlo Ancelotti sitzt entspannt auf einer Rattan-Couch im Garten, vor ihm lodert ein kleines Feuer. „Ich genieße meine letzten Urlaubstag­e, bevor die Arbeit wieder beginnt“, schreibt der Trainer des FC Bayern München zu jenem Facebook-Foto. Ab dem morgigen Samstag um 16 Uhr, wenn der Meister in die Vorbereitu­ng auf die neue Saison startet, wird es für den 58 Jahre alten Italiener wieder ernst.

In seinem zweiten Jahr beim deutschen Fußball-Rekordmeis­ter muss Ancelotti liefern. Schon nach der Meistersau­se auf dem Rathaus-Balkon hatte Präsident Uli Hoeneß mit Nachdruck erklärt, „dass ein Titel auf Dauer ein bisschen wenig ist“.

Der Druck beim FC Bayern ist wie immer groß. Schon seit Wochen wird darüber diskutiert, ob die Münchner mit den Transfers der Nationalsp­ieler Sebastian Rudy (ablösefrei) und Niklas Süle (25 Millionen Euro) aus Hoffenheim, Rekordmann Christian Tolisso (Olympique Lyon/41,5 Millionen) und Serge Gnabry (Werder Bremen/8,0 Millionen) für den neuerliche­n Angriff auf Europas Fußball-Thron gerüstet seien.

Uli Hoeneß sah sich deshalb vor dem Trainingss­tart genötigt, die Einkaufspo­litik der Bayern zu verteidige­n. „Wir reden alle von einem Neuaufbau und dass die Zukunft des FC Bayern gestaltet werden müsse. Und dann macht das der FC Bayern, holt junge Spieler im Alter zwischen 20 und 22 Jahren, und es gibt auch wieder Kritik“, sagte der 65-Jährige dem „kicker“: „Aber einen Neuaufbau kann man nicht machen, indem man 100-Millionen-Transfers für 29und 30-Jährige durchzieht. Das ist doch keine Politik.“

Über 100 Millionen Euro Ablöse für einen Marco Verratti von Paris St. Germain oder 25 Millionen Euro Jahresgeha­lt für Alexis Sánchez vom FC Arsenal wollen die Münchner nicht bezahlen. „Wenn wir es erzwingen wollen, dass wir Champions-League-Sieger werden, müssen wir viel Geld rausschmei­ßen. Von Alibi-Käufen halte ich aber nichts“, sagte Hoeneß: „Man muss den jungen Spielern viel mehr Vertrauen geben, selbst wenn wir dann zwei Jahre lang nur Meister werden sollten und sehen müssen, was internatio­nal möglich ist.“

Hoeneß ordnete in diesem Zusammenha­ng auch sein „Granaten“-Zitat noch einmal ein. „Ich wollte nur darauf hinweisen, dass wir eine sehr gute Mannschaft haben – und wenn du die verstärken willst, musst du extrem viel Geld in die Hand nehmen und hast trotzdem nicht die Garantie, dass du die Champions League gewinnst. Es war in keiner Weise eine Aussage, dass wir das tun werden.“Dass der FC Bayern in den kommenden Wochen trotzdem noch einmal auf dem Transferma­rkt aktiv wird, ist dennoch nicht auszuschli­eßen.

Am Samstag muss Ancelotti zunächst aber mit einer Rumpftrupp­e Vorlieb nehmen. Nur neun Profis um Thomas Müller, Mats Hummels und Franck Ribéry stehen zur Verfügung. Am 10. Juli steigen Spieler wie Arjen Robben oder Robert Lewandowsk­i ein, die Anfang Juni noch Länderspie­le absolviert hatten. Die Confed-Cup- und U21-EM-Teilnehmer wie Joshua Kimmich, Süle, Rudy oder Gnabry starten erst am 29. Juli.

Der Portugiese Renato Sanches soll eine zweite Chance erhalten, sagte Hoeneß: „Ich bin dafür, dass wir es noch ein Jahr mit ihm probieren.“Angeschlag­en sind derzeit noch Jérôme Boateng und Javi Martínez sowie Torwart Manuel Neuer und sein Ersatz Sven Ulreich. Neuer soll zum Bundesliga-Auftakt Mitte August wieder fit sein.

 ?? FOTO: GEBERT/DPA ?? Bayern-Präsident Uli Hoeneß schraubt die internatio­nalen Erwartunge­n für die kommenden Jahre ein wenig herunter und sagt: „Man muss den jungen Spielern viel mehr Vertrauen geben.“
FOTO: GEBERT/DPA Bayern-Präsident Uli Hoeneß schraubt die internatio­nalen Erwartunge­n für die kommenden Jahre ein wenig herunter und sagt: „Man muss den jungen Spielern viel mehr Vertrauen geben.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany