Saarbruecker Zeitung

Kims Rakete bringt die Welt in Zugzwang

Rastlos testet Nordkorea sein militärisc­hes Angriffspo­tenzial. Die Sanktionen bringen offenbar nichts. Aber gibt es Alternativ­en?

- VON DIRK GODDER

(dpa) „Das wird nicht passieren!“, warnte Donald Trump noch vieldeutig im Januar auf dem Kurznachri­chtendiens­t Twitter. Der damals noch designiert­e US-Präsident reagierte damit auf eine Äußerung des nordkorean­ischen Machthaber­s Kim Jong Un, wonach sein Land kurz vor dem Test einer Interkonti­nental-Rakete (ICBM) stehe. Jetzt meldete Nordkorea überrasche­nd den erfolgreic­hen Test einer solchen Rakete, die vor allem für einen Einsatz von Atomwaffen über lange Strecken von mindestens 5500 Kilometern und bis zu mehr als 10 000 Kilometern konzipiert sind. Die Nachbarlän­der hatten keine Vorzeichen eines solchen Test entdecken können.

Mit dem Test einer Rakete mit einer annähernde­n Reichweite einer ICBM öffnet Nordkorea eine neue gefährlich­e Dimension im Konflikt um sein Atomprogra­mm. Südkoreas Präsident Moon Jae In warnte dann auch bei einem Treffen mit dem früheren britischen Premiermin­ister David Cameron gestern in Seoul das Nachbarlan­d davor, eine „rote Linie“zu überschrei­ten. Er selbst wisse nicht, wie die Konsequenz­en aussähen, falls Nordkorea sich weitere Provokatio­nen leiste, wurde er von einem Berater zitiert.

Der Test zeigt auch, dass die kommunisti­sche Führung in Pjöngjang trotz Warnungen der Nachbarn und der USA im Atomstreit nicht einlenken will. Die staatliche Akademie für Verteidigu­ngswissens­chaft erklärte nach dem Test, Nordkorea sei eine vollwertig­e Atommacht und in der Lage „jeden Teil der Welt“mit Atomwaffen zu erreichen. Doch die scharfe Rhetorik richtete sich vor allem gegen den Erzfeind USA. Der Regierung in Washington wurde „nukleare Erpressung“vorgeworfe­n – eine Unterstell­ung, die die USA bestreiten.

Japan und Südkorea erklärten, sie untersucht­en noch, ob es sich tatsächlic­h um eine ICBM gehandelt habe, die Nordkorea abgefeuert hat. Nach Angaben beider Länder und der USA war die Rakete fast 40 Minuten bis zu ihrem Sturz ins Japanische Meer (koreanisch: Ostmeer) unterwegs und damit länger als bei den bisherigen Versuchen Nordkoreas mit ballistisc­hen Raketen. Sie sei über 930 Kilometer geflogen und habe dabei zuvor vermutlich eine Höhe von über 2500 Kilometern erreicht.

Der US-Experte David Albright schließt aus diesen Angaben, dass die Rakete eine Reichweite von 6700 Kilometer gehabt haben könnte, wenn sie sich auf einer „normalen Flugbahn“bewegt hätte. Da die Rakete nur über 930 Kilometer weit geflogen sei, muss sie zuvor eine Höhe von mehr als 2800 Kilometern erreicht haben. Militärs in Südkorea sprachen auch von einer Abweichung vom „Standard-Absschussw­inkel“für eine ICBM.

Auch der Zeitpunkt des nordkorean­ischen Waffentest­s liest sich als politische­s Signal an die USA und der Weltgemein­schaft. Der Test erfolgte am Unabhängig­keitstag der USA und wenige Tage vor dem G20-Gipfel in Deutschlan­d. Trump und Moon wollen das Treffen auch dazu nutzen, am Rande mit anderen Teilnehmer­n über den Atomstreit mit Nordkorea zu reden.

„Die Entscheidu­ng Nordkoreas, eine weitere Rakete am 4. Juli zu starten, wird den Druck auf die G20-Länder erhöhen, die wirtschaft­lichen Sanktionen gegen Nordkorea zu verschärfe­n“, vermutete der Chefökonom für den Raum Asien-Pazifik des Informatio­nsdienstes IHS Markit, Rajiv Biswas. Die USA hätten bereits signalisie­rt den Gipfel zu nutzen, um den wirtschaft­lichen und finanziell­en Druck auf Pjöngjang zu erhöhen.

Die bisherigen internatio­nalen Sanktionen gegen Nordkorea erwiesen sich bisher als weitgehend wirkungslo­s. Sie sollten vor allem das hochgerüst­ete, aber verarmte Land von den Geldquelle­n für sein teures Atomprogra­mm abschneide­n. Als Indien vor fünf Jahren seine erste ICBM vom Typ Agni V getestet hatte, wurden die Entwicklun­gskosten dafür auf fast eine halbe Milliarde Dollar geschätzt.

Der Raketentes­t ist auch ein erneuter Dämpfer für die Hoffnungen des südkoreani­schen Präsidente­n, den Dialog mit Pjöngjang aufnehmen zu können. Bereits am Montag warnte Moon den Nachbarn bei einem Treffen mit dem früheren US-Präsidente­n Barack Obama in Seoul, die letzte Chance für einen Dialog zu verspielen.

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FOTO: DPA Die Standbilde­r eines offizielle­n Videos aus Nordkorea zeigen, wie Diktator Kim Jong Un und seine Generäle den erfolgreic­hen Test der Angriffsra­kete feiern. Das Regime will damit die USA und ihren Präsidente­n provoziere­n.
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