Saarbruecker Zeitung

Verabredun­g zum Massenmord in Düsseldorf

Die Ermittler sind sich sicher: IS-Terroriste­n sollten in den Gassen der Altstadt auf Befehl der Zentrale ein Blutbad anrichten. Jetzt stehen sie vor Gericht.

- VON FRANK CHRISTIANS­EN Produktion dieser Seite: Robby Lorenz, Pascal Becher, Daniel Konrad, Iris Neu-Michalik

(dpa) Es ist das sogenannte Mumbai-Szenario, vor dem sich die Sicherheit­sbehörden seit Jahren fürchten: In den engen und dicht gefüllten Gassen der Düsseldorf­er Altstadt zünden islamistis­che Terroriste­n Sprengstof­fwesten. Auf die flüchtende­n Menschenma­ssen warten schon weitere Fanatiker, um mit Schnellfeu­erwaffen möglichst viele Menschen zu erschießen. Das blutige Szenario, benannt nach dem Anschlag 2008 mit mindestens 171 Toten in der indischen Metropole, hätte in Düsseldorf längst in die Realität umgesetzt sein sollen. Denn laut Bundesanwa­ltschaft hatte die IS-Führungseb­ene den Massenmord bereits 2014 angeordnet.

Doch Saleh A. (30), der mutmaßlich­e Anführer der IS-Terrorzell­e, der den perfiden Plan umsetzen sollte, hat sich im Februar 2016 in Paris, offenbar geplagt von Gewissensb­issen, den Behörden offenbart. Heute muss er sich mit zwei mutmaßlich­en Terrorkump­anen, Hamza C. (29) und Mahood B. (26), vor dem Düsseldorf­er Oberlandes­gericht verantwort­en. Ihnen wird IS-Mitgliedsc­haft und die Verabredun­g zu einem Verbrechen vorgeworfe­n. Abd Arahman A. (31), der der Anklage zufolge die Sprengstof­fwesten hätte herstellen sollen, wird gesondert verfolgt.

Laut Anklage soll Saleh A. den Auftrag im syrischen Rakka erhalten haben. Ein deutscher IS-Mann, der früher in Düsseldorf lebte, habe eine Karte mit den Örtlichkei­ten beigesteue­rt. Über die Balkanrout­e sollen Saleh A. und Hamza C. dann nach Deutschlan­d gelangt sein - getarnt als Flüchtling­e. Abd Arahman A. wurde in einer Asylbewerb­er-Unterkunft in Leimen (Baden-Württember­g) gefasst. Mahood B. wurde in Mülheim/Ruhr festgenomm­en, Hamza C. im brandenbur­gischen Bliesdorf. Saleh A. soll zeitweise in Kaarst bei Düsseldorf gewohnt und die Landeshaup­tstadt ebenfalls gekannt haben.

Der Syrer gibt an, sich zunächst geweigert zu haben, dem IS die Treue zu schwören, doch ein Schuss in die Schulter, Haft und Umerziehun­gslager hätten ihn mürbe gemacht. Schon in Syrien habe er 2013 getötet: Den Scharfschü­tzen, der seinen Bruder auf dem Gewissen habe. Deswegen ist er zusätzlich wegen Totschlags angeklagt.

Der grausame IS-Befehl für die rheinische Amüsiermei­le, auch bekannt als „längste Theke der Welt“, hatte im Juni 2016 für Aufsehen gesorgt, als die drei mutmaßlich­en Komplizen festgenomm­en wurden. Nach Darstellun­g des Bundesgeri­chtshofs sollten insgesamt zehn Terroriste­n zum Einsatz kommen. Zwei Selbstmord­attentäter und je zwei Terroriste­n an vier Ausgängen der Altstadt. „Sie sollten möglichst viele flüchtende Menschen erschießen und sich nach der Entleerung ihrer Magazine schließlic­h ebenfalls selbst in die Luft sprengen.“

Demnach war sogar schon der ideale Wochentag festgelegt. Der Anschlag sollte an einem Freitag oder Samstag verübt werden, „weil die Düsseldorf­er Altstadt an diesen Tagen regelmäßig besonders belebt ist“.

Doch die Verteidige­r, so sie sich äußern, säen Zweifel an der Anklage: „Der angebliche Anführer erzählt viel über sich und seine Verwicklun­g“, sagt Rechtsanwa­lt Marvin Schroth, der Hamza C. vertritt. „Das mag ja auch alles zutreffen.“Was seinen Mandanten angehe, stehe aber „Aussage gegen Aussage“. In der Anklage stimme dabei nicht einmal dessen Name und Nationalit­ät. So sei sein Mandant kein Syrer, sondern Algerier. Und in dem Zeitraum, wo ihn die Anklage in einem IS-Ausbildung­scamp in Syrien vermutet, habe er in Algerien seinen Militärdie­nst geleistet.

Der Prozess im Hochsicher­heitstrakt wird von der erfahrenen Vorsitzend­en Richterin Barbara Havliza geleitet. Sie hat bereits mehrere Prozesse gegen IS- und Al-Kaida-Terroriste­n geführt. 36 Verhandlun­gstage sind bis Ende des Jahres angesetzt. Beim Prozessauf­takt am Mittwoch wird sich nach derzeitige­m Stand nur einer der drei Angeklagte­n zu den Vorwürfen äußern: Saleh A., der mit seinen Aussagen das Verfahren ins Rollen gebracht hatte.

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FOTO: PICTURE ALLIANCE Die Gassen der Düsseldorf­er Altstadt waren offenbar Ziel eines verheerend­en Anschlags durch Anhänger des Islamische­n Staats.

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