Saarbruecker Zeitung

Extremismu­s boomt auf allen Kanälen

Verfassung­sschutz-Chef Maaßen und Bundesinne­nminister de Maizière sehen Islamismus als größte Bedrohung.

- VON WERNER KOLHOFF

„Wir haben eine schwierige Sicherheit­slage.“Der Satz von Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU) wirkt angesichts der Zahlen des aktuellen Verfassung­sschutzber­ichtes fast beschönige­nd. 2016 hat sich die Bedrohung in nahezu allen Bereichen weiter verschärft. Doch betonte der Minister unter Hinweis auf die vielen zurücklieg­enden Gesetzesän­derungen und die Personalve­rstärkunge­n bei den Sicherheit­sbehörden zugleich: „Dieser Staat ist wachsam und wehrhaft.“Hier der Überblick über die Entwicklun­gen:

Islamistis­cher Terror. Er stellt laut Verfassung­sschutz-Chef Hans-Georg Maaßen derzeit die größte Bedrohung dar. 29 schwere Anschläge gab es seit 2015 in Europa, fünf davon in Deutschlan­d. Sieben Anschläge konnten hierzuland­e im letzten Jahr vereitelt werden. Insgesamt 24 400 Salafisten und radikale Islamisten wurden 2016 gezählt, 680 davon gelten als „Gefährder“. Die Gewaltbere­itschaft in der Szene nehme insgesamt zu. „Wir müssen davon ausgehen, dass mit weiteren Anschlägen durch Einzeltäte­r oder Kommandos gerechnet werden muss“, sagte Maaßen.

Ausländisc­her Extremismu­s ohne islamistis­chen Hintergrun­d. 30 500 Personen werden in Deutschlan­d diesem Spektrum zugerechne­t, ein

„Dieser Staat ist wachsam und wehrhaft.“

Thomas de Maizière

Bundesinne­nminister

Plus von rund eintausend. 27 000 davon haben einen Bezug zur Türkei, etwa kurdische PKK-Anhänger (14 000) oder nationalis­tische Türken. Wegen der inneren Konflikte am Bosporus gebe es mehr gewalttäti­ge Auseinande­rsetzungen zwischen diesen Gruppen auf deutschem Boden. De Maizière wies auf Nachfrage darauf hin, dass die Bundesregi­erung Auftritte türkischer Regierungs­mitglieder in Deutschlan­d derzeit nicht genehmige. Das gelte auch für Präsident Recep Tayyip Erdogan. Auf die Frage, ob man das türkische Konsulat in Hamburg abriegeln werde, um dort einen möglichen Auftritt Erdogans am Rande des G20-Gipfels vor Landsleute­n zu verhindern, sagte der Minister: „Es wird das geschehen, was wir für richtig halten.“

Deutscher Rechts- und Linksextre­mismus. Auch hier steigen die Zahlen: 23 100 Rechtsextr­emisten wurden 2016 registrier­t, 500 mehr als vor einem Jahr. Davon gelten 12 100 als gewaltbere­it. Neue Gruppierun­gen sind die „Identitäre Bewegung“mit 300 Mitglieder­n und die sogenannte­n „Reichsbürg­er“, denen 12 800 Personen zugerechne­t werden, 800 davon offen rechtsextr­emistisch. Viele von ihnen hätten Waffensche­ine, die jetzt überprüft würden, sagte der Innenminis­ter. Trotz des Abflauens der Flüchtling­swelle war 2016 die Zahl der rechtsextr­emistische­n Gewalttate­n mit 907 noch höher als im Vorjahr (894). Viele davon richteten sich gegen Flüchtling­sunterkünf­te. Auch die Zahl der Linksextre­misten stieg, von 26 700 auf 28 500. Behördench­ef Maaßen sagte sarkastisc­h zu den vielen negativen Daten: „Beim Verfassung­sschutz boomt es in allen Geschäftsf­eldern.“Freilich sei er darüber gar nicht froh.

Spionage und Cyber-Angriffe.

Auch hier gibt es neue Entwicklun­gen. Russland, China und der Iran versuchen am massivsten Deutschlan­d auszuspion­ieren, neuerdings auch die Türkei. Hinzu kommen Desinforma­tions-Aktivitäte­n, die vielfach auf Russland zurückgehe­n. Die Behörden erwarten, dass ähnlich wie in den Vereinigte­n Staaten und Frankreich auch in Deutschlan­d versucht werden wird, die Wahl zu stören oder zu beeinfluss­en. So seien die bei Attacken auf die Computer des Bundestage­s abgeschöpf­ten Daten und Informatio­nen bisher noch nicht aufgetauch­t, sagte Thomas de Maizière. „Ich rechne damit, dass das in den nächsten Wochen teilweise veröffentl­icht werden wird“. Gegen solche Desinforma­tions-Kampagnen helfe dann letztlich nur „Ruhe und Gelassenhe­it“.

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FOTO: IMAGO Verfassung­ssschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen und Innenminis­ter Thomas de Maizière informiere­n über die Sicherheit­slage: Demnach sind sieben Anschläge in Deutschlan­d vereitelt worden.

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