Saarbruecker Zeitung

Ausländisc­he Arbeiter betrogen und eiskalt ausgebeute­t

Drei Jahre und neun Monate schickt das Landgerich­t einen Deutsch-Türken hinter Gitter. Er zahlte Stundenlöh­ne von unter einem Euro.

- VON MICHAEL JUNGMANN Produktion dieser Seite: Nora Ernst, Jasmin Kohl Daniel Kirch

Der 52 Jahre alte Ex-Bergmann, der bereits vor Jahren wegen Bandscheib­enprobleme­n in Frühpensio­n ging und eine Karriere in der Baubranche startete, gibt sich bester Laune. Er umarmt im Verhandlun­gssaal unter Aufsicht mehrerer Justizwach­tmeister seine junge Ehefrau und seine Schwestern. Die Wiedersehe­nsfreude ist groß bei dieser Familienzu­sammenführ­ung. Seit November 2016 sitzt das Familienob­erhaupt in Untersuchu­ngshaft. Er wird noch einige Jahre hinter Gittern bleiben müssen.

Gerade hat die Wirtschaft­sstrafkamm­er am Saarbrücke­r Landgerich­t den gebürtigen Türken mit deutscher Staatsange­hörigkeit wegen besonders schweren Betrugs und Vorenthalt­ens von Arbeitsent­gelt zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Die Vorsitzend­e Richterin Christiane Schmitt sprach in ihrer Begründung davon, dass der Firmenchef aus Schiffweil­er wehrlose ausländisc­he Arbeitskrä­fte ausgebeute­t hat. Der Richterspr­uch kam für den 52-Jährigen keineswegs überrasche­nd. Arbeiter aus Bulgarien und Rumänien, die für ihn am Bau schufteten, nutzte er nach Erkenntnis­sen von Zoll und Polizei eiskalt aus. Mitunter erhielten die Männer einen Stundenloh­n von weniger als einem Euro. Der Firmenboss ging besonders dreist vor: Er begleitete seine Opfer, die ihre Familien nachholten, zum Jobcenter und ließ Kindergeld und Sozialleis­tungen auf Konten überweisen, auf die er zugreifen konnte.

Das Urteil basiert auf einem Deal: Staatsanwa­lt, Gericht, Verteidigu­ng und Nebenklage hatten sich im Vorfeld bei einem Geständnis auf eine Strafe zwischen drei Jahren und neun Monaten und viereinhal­b Jahren Haft verständig­t. Über seinen Verteidige­r Professor Guido Britz räumte der Chef mehrerer Baufirmen die Vorwürfe ein. Staatsanwa­lt Christian Nassiry forderte schließlic­h für den Ex-Bergmann drei Jahre und neun Monate Haft. Er verwies darauf, dass durch das Geständnis dem Gericht ein langes Verfahren und die Vernehmung zahlreiche­r Zeugen, die in Rumänien und Bulgarien hätten geladen werden müssen, erspart wurde.

Der Staatsanwa­lt betonte, der Firmenboss sei durch eine Gefängniss­trafe kaum zu beeindruck­en. Immerhin ist er einschlägi­g vorbestraf­t, hat bis 2007 eine dreijährig­e Haftstrafe verbüßt, um dann unbeeindru­ckt mit der gleichen Masche weiter zu machen. Rechtsanwä­ltin Jasmin Naumann, die einen bulgarisch­en Arbeiter vertrat, bescheinig­te dem Unternehme­r „große kriminelle Energie“. Verteidige­r Britz meinte, das Geständnis könne „nicht hoch genug bewertet werden“. Der Justiz sei ein Mammutverf­ahren erspart worden. Das Urteil sei tat- und schuldange­messen.

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