Popmusiker mit viel Gefühl
Ein Sommer in Italien und traurige Liebesduette: Die neuen Alben von Phoenix und Leslie Clio
Rise Against „Wolves“(Virgin/Universal): Die diesjährigen Headliner am dritten, längst ausverkauften Tag des „Rocco Del Schlacko“-Festivals (Samstag, 12. August) sind keine Unbekannten auf den Sauwasen in Püttlingen-Köllerbach. Schon 2009 waren Rise Against dort zu Gast. In diesem Jahr kehren die melodischen Punkrocker mit ihrem brandneuen achten Album „Wolves“zurück. Laut Sänger/Gitarrist Tim McIlrath wollte er diesmal seinen Fans „keine Komfortzonen bieten“und ein „bedrohliches Szenario erschaffen, in dem weder Frauen-, noch Fremdenhass Raum haben“. Natürlich geht es in den Songs auch um Trumps Wahlsieg und dessen Konsequenzen. Diese werden in dem wütenden „Welcome To The Breakdown“und in „How Many Walls“thematisiert. Die Franzosen Thomas Mars, Deck d’Arcy, Laurent Brancowitz und Christian Mazzalai, besser bekannt als Phoenix, zieht es auf ihrem neuen Album nach Italien. „Ti Amo“(Loyauté/Glassnote/Atlantic Records/Warner
) wurde von der Band zusammen mit Pierrick Devin in Paris produziert, mit ihren Gedanken und Herzen verweilten sie aber oft in Italien. Es sei ein Album „über die einfachen Emotionen: Liebe, Verlangen, Lust und Unschuld, ein Album über ihre europäischen und romanischen Wurzeln, eine fantasierte Version Italiens“. Das liest sich hochtrabend, klingt in der musikalischen Umsetzung jedoch luftig und leichtfüßig. Insofern ist die Aussage von Gitarrist Brancowitz, dass ihn „Ti Amo“an den Sommer und an italienische Diskos“erinnere, die passendere Umschreibung ihres Sounds. Der setzt sich aus italienischen DiscoKlängen, Funk, Synthiepop und etwas Psychedelic zusammen. Das englische Wort „cheesy“(zu Deutsch: käsig, kitschig, schnulzig - im positiven Sinne!) ist das perfekte Attribut hierfür. Solch einen Sound muss man erst mal mögen.
Leider ist „Ti Amo“nicht das beste Album der Franzosen. Die Songs gehen nicht so gut ins Ohr wie frühere Hits vom Format eines „Too Young“, „If I Ever Feel Better“, „Everything Is Everything“oder „1901“. Die sind eindringlicher und von höherer Halbwertszeit.
Von der Tanzfläche einer italienischen Phoenix, eine Indie-Pop-Band aus Versailles, setzen auf ihrem neuen Album „Ti Amo“auf italienische Discoklänge. Disco geht es nach Berlin. Die Wahl-Berlinerin Leslie Clio hat sich scheinbar an den Zweijahresrhythmus gewöhnt: auf „Gladys“(2013) und „Eureka“(2015) folgt „Purple“(Embassy Of Music/Warner
). Und das obwohl sie Ende 2015 einen Schnitt machte: Sie wechselte das Label, verabschiedete sich nach eigener Aussage von vielen Menschen und vorübergehend von Berlin. Sie lebte auf Hawaii mit „fünf anderen Leuten, die ihr Gemüse selbst angebaut haben und denen ich bei der Ernte helfen konnte. Aber vor allem habe ich dort in einem längeren Prozess wieder herausgefunden, wer ich bin und was ich will.“
Ein halbes Jahr Stockholm später kehrte sie in die Hauptstadt zurück, wo sie mit Produzent Olaf Opal und Co-Produzent Willy Löster die „Purple“-Songs aufnahm. Der Selbstfindungstrip hat der gebürtigen Hamburgerin gut getan. Sie ist aus den Schatten von Adele und Amy Winehouse, mit denen sie früher häufig verglichen wurde, hervorgetreten.
„Purple“umfasst ein breites Spektrum: von den ruhigen, melancholischen Liedern „Lies Are Gold“und „Darkness Is A Filler“bis hin zu der pumpenden SoulpopHymne „I’m Leaving“. Besondere Aufmerksamkeit verdient der letzte Song „Bad Habit“. Diese Ballade schrieb Clio unter anderem mit Max Gruber, dessen Künstlername Drangsal ist. Zusammen haben sie ein wunderschön trauriges Liebes-Duett eingesungen.
Newcomerin Alexandra Savior feiert den Retropop auf ihrem Album „Belladonna Of Sadness“ Wenn ein Album mit „Belladonna Of Sadness“(Columbia/Sony Music) tituliert wird, dann weckt das gewisse Erwartungen. Diese erfüllt die 21-jährige Sängerin Alexandra Savior McDermott, deren Künstlername Alexandra Savior ist, auch umgehend. In ihrer Stimme schwingt die Tristesse, die Niedergeschlagenheit und die Sehnsucht einer Lana Del Rey mit.
Die Geschichte dieser Musik begann vor einigen Jahren: Die musikbegeisterte USAmerikanerin
Savior hatte sich in den von Arctic Monkeys/Last Shadow PuppetsMusiker Alex Turner komponierten Soundtrack „Submarine“(2011) vernarrt. Nachdem sie einen Vertrag mit Columbia Records unterzeichnen konnte, heuerte sie jenen Turner an, um mit ihm ihr Debütalbum zu schreiben und zu produzieren.
Eine erste Kollaboration der beiden erschien 2015 auf dem Soundtrack zur zweiten Staffel der TV-Serie „True Detective“in Form des Demosongs „Risk“. Für „Belladonna Of Sadness“– der Titel geht auf den gleichnamigen japanischen Animationsfilm aus dem Jahr 1973 zurück – kam noch Produzent James Ford hinzu, mit dem Turner in der Vergangenheit schon öfters gearbeitet hatte und von dem Savior behauptet, er sei „der 27. beste Jongleur auf der Welt“. Dieses Team harmonierte bestens und kreierte ein wunderschönes Retropop-Album, dem es aber etwas an Abwechslung mangelt und das zu deutlich Turners Handschrift trägt. Man darf aber gespannt sein, wie es weiter geht. kfb