Saarbruecker Zeitung

Panorama

Bei einem Auto-Rennen stirbt eine Studentin. Doch die Urteile gegen die Fahrer sind dem Bundesgeri­chtshof zu mild.

- VON ANJA SEMMELROCH

KARLSRUHE/KÖLN (dpa) Kein Urteil der Welt kann etwas daran ändern, dass Miriam nicht mehr nach Hause kommt. Am 14. April 2015 nicht, und auch danach nie wieder. Die Eltern und der Freund warten vergeblich mit dem Abendessen. Gegen 18.45 Uhr ist Miriam mit dem Rad auf dem Rückweg von der Uni, als ihr im Kölner Auenweg zwei Autos um die Wette entgegenra­sen. Als es das eine aus der Kurve trägt, ist sie zur falschen Zeit am falschen Ort. Die 19-Jährige schleudert in ein Gebüsch, wenig später ist sie tot.

Das Landgerich­t Köln hat die beiden Männer am Steuer, am Unfalltag 22 und 21 Jahre alt, im April 2016 zu zwei und eindreivie­rtel Jahren Haft verurteilt – auf Bewährung. Für die Familie unverständ­lich: Das Urteil sei „wie ein Freispruch“gewesen, erinnert sich der Vater. Nun wird den Angehörige­n vielleicht ein bisschen Frieden zurückgebr­acht. Der Bundesgeri­chtshof (BGH) lässt den Kölner Richtern die Bewährungs­strafen nicht durchgehen. Der Fall muss in diesem Punkt von einer anderen Strafkamme­r neu entschiede­n werden. Die obersten Strafricht­er in Karlsruhe haben dabei nicht nur die Familie im Blick. Man müsse schließlic­h auch bedenken, welche Auswirkung­en so ein Urteil auf das Rechtsempf­inden der Bevölkerun­g hat, sagt die Vorsitzend­e Richterin Beate Sost-Scheible.

Welche Strafe für so eine Tat angemessen ist, ist schon länger ein Thema. Im Februar verurteilt das Berliner Landgerich­t zwei Autoraser zu lebenslang­er Haft wegen Mordes – so eine Entscheidu­ng gab es noch nie. Die Männer waren nachts ohne Rücksicht auf rote Ampeln mit bis zu 170 Stundenkil­ometern den Kudamm entlangger­ast. Einen 69-Jährigen, der aus einer Seitenstra­ße kam, kostete diese Fahrt das Leben.

Die Kölner Täter treffen sich am 14. April 2015 zufällig. Spontan brechen sie gemeinsam auf zu den Rhein-Terrassen, die Sonne scheint. Von Anfang an sind sie schnell unterwegs, der ältere im BMW, der jüngere im Mercedes-Cabrio seiner Eltern. An einer Ampel fangen sie an, mit dem Gaspedal zu spielen, lassen die Motoren aufheulen. „Spätestens jetzt“, so steht es in dem Kölner Urteil, ist es ein „Kräftemess­en“.

Der Mercedes klebt dem BMW fast an der Stoßstange, „wie bei einem Formel-1-Rennen“, sagt eine Zeugin später. Bei Tempo 95 bekommt es der Vordere mit der Angst zu tun, aber da ist es zu spät. Sein Auto prallt gegen den Bordstein und schleudert auf den Radweg. Das Landgerich­t hat die Männer wegen fahrlässig­er Tötung verurteilt – ihnen hätte klar sein müssen, dass sie durch ihre Fahrweise Menschenle­ben gefährden. Das greift auch die Staatsanwa­ltschaft mit ihrer Revision nicht an. Der BGH hält die verhängten zwei beziehungw­eise eindreivie­rtel Jahre für vertretbar. Nicht so die Aussetzung der Strafen zur Bewährung. Trotz aller positiven Prognosen müssen die Männer damit nun wohl ins Gefängnis.

In dem Berliner Fall hatten die Richter sogar einen bedingten Tötungsvor­satz angenommen und das Auto als „gemeingefä­hrliches Tatmittel“gewertet – auch dieses Urteil wird der BGH demnächst zu überprüfen haben. Die Verteidige­r streiten für eine mildere Strafe.

Vor einer Woche hat der Bundestag ein Gesetz auf den Weg gebracht, das verbotene Autorennen neu ins Strafgeset­zbuch aufnimmt. Wird dabei ein Mensch getötet, stehen darauf ein Jahr bis zehn Jahre Haft. Es fehlt nur noch der Beschluss im Bundesrat am 22. September.

„Das Urteil war wie ein

Freispruch.“Vater des Unfallopfe­rs über die ursprüngli­che Bewährungs­strafe

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FOTO: DPA; OBEN: DPA Ein Kreuz in Gedenken an den 69-Jährigen, der in Mönchengla­dbach bei einem illegalen Autorennen starb. Der BGH verkündete härtere Strafen .

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