Die EU muss realistisch sein
Die Türkei ist weder jetzt noch in naher Zukunft bereit, der EU beizutreten. Und dennoch weigert sich die Mehrheit der Staats- und Regierungschefs, dies öffentlich anzuerkennen. Mit der Resolution des Parlaments aber wächst der Druck auf die Mitgliedstaaten – und Wien, das seit Monaten den Abbruch der Gespräche fordert, bekommt Rückendeckung. Dennoch dürfte sich beim G20-Treffen in Hamburg etwas ganz anderes abspielen. Kanzlerin Angela Merkel wird versuchen, eine Brücke zu schlagen. Zu groß scheint die Gefahr, dass Ankara das Flüchtlingsabkommen stürzt. Doch das Festhalten an Beitrittsverhandlungen entbehrt des Blickes für die Realität. Erdogans Machtapparat, hat nichts mehr mit den Grundsätzen einer Demokratie zu tun. Wer Mitgliedstaaten mit dem Regime der Nazis vergleicht und von ihnen jede Redefreiheit fordert, die er den Journalisten seines Landes nicht nur verbietet, sondern sie dafür einsperrt, verkennt die Werte dieser Gemeinschaft. Stattdessen schiebt die EU die Verantwortung auf die Türkei – wie schnell die Gespräche vorankommen, liege an Ankara, heißt es. Doch dieses Vorgehen ist nicht nur feige, sondern schürt die Argumente von Populisten. Die EU täte besser daran, Konsequenzen aus dem Wandel zu ziehen, den das Land seit dem Putschversuch 2016 durchgemacht hat. Alles andere ist eine Farce – und den Werten dieser Gemeinschaft nicht würdig.