Saarbruecker Zeitung

Die EU muss realistisc­h sein

- MIRJAM MOLL

Die Türkei ist weder jetzt noch in naher Zukunft bereit, der EU beizutrete­n. Und dennoch weigert sich die Mehrheit der Staats- und Regierungs­chefs, dies öffentlich anzuerkenn­en. Mit der Resolution des Parlaments aber wächst der Druck auf die Mitgliedst­aaten – und Wien, das seit Monaten den Abbruch der Gespräche fordert, bekommt Rückendeck­ung. Dennoch dürfte sich beim G20-Treffen in Hamburg etwas ganz anderes abspielen. Kanzlerin Angela Merkel wird versuchen, eine Brücke zu schlagen. Zu groß scheint die Gefahr, dass Ankara das Flüchtling­sabkommen stürzt. Doch das Festhalten an Beitrittsv­erhandlung­en entbehrt des Blickes für die Realität. Erdogans Machtappar­at, hat nichts mehr mit den Grundsätze­n einer Demokratie zu tun. Wer Mitgliedst­aaten mit dem Regime der Nazis vergleicht und von ihnen jede Redefreihe­it fordert, die er den Journalist­en seines Landes nicht nur verbietet, sondern sie dafür einsperrt, verkennt die Werte dieser Gemeinscha­ft. Stattdesse­n schiebt die EU die Verantwort­ung auf die Türkei – wie schnell die Gespräche vorankomme­n, liege an Ankara, heißt es. Doch dieses Vorgehen ist nicht nur feige, sondern schürt die Argumente von Populisten. Die EU täte besser daran, Konsequenz­en aus dem Wandel zu ziehen, den das Land seit dem Putschvers­uch 2016 durchgemac­ht hat. Alles andere ist eine Farce – und den Werten dieser Gemeinscha­ft nicht würdig.

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