Saarbruecker Zeitung

EU und Japan vereinbare­n Freihandel­spakt

Der politische Durchbruch bei den Verhandlun­gen um eine Wirtschaft­spartnersc­haft soll vor dem G20-Gipfel ein Signal setzen.

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VON MIRJAM MOLL

BRÜSSEL „Das ist eine klare Botschaft an die Welt, dass wir für offenen und fairen Handel stehen.“Es sind die Worte von Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker, die er Seite an Seite mit Ratspräsid­ent Donald Tusk und dem japanische­n Premiermin­ister Shinzo Abé sprach. Gemeinsam hatten sie in einem kurzfristi­g angesetzte­n Gipfeltref­fen einen politische­n Durchbruch in den Verhandlun­gen um ein Freihandel­sabkommen erreicht. Die Botschaft an die Welt war genau genommen wohl eher eine, die speziell an Washington gerichtet war: Wenn heute US-Präsident Donald Trump in Hamburg beim G20-Treffen auf die EU-Vertreter trifft, bekommt er ein Gastgesche­nk, das ihm alles andere als gefallen dürfte. Denn während der Staatschef seinem Grundsatz „America first“folgt und sein Land mit neuen Zöllen vor unliebsame­n Importen aus aller Welt abschotten will, haben sich nun zwei der größten Wirtschaft­en der Welt zusammenge­schlossen.

Tatsächlic­h machen die 28 Mitgliedst­aaten der EU gemeinsam mit Japan 30 Prozent der weltweiten Jahreswirt­schaftslei­stung aus und 40 Prozent des Handels. Kein Wunder also, dass sich auch Abé mit dem Erfolg brüstete: Mit der „Einigung im Grundsatz“haben die EU und der Inselstaat die „Flagge des Freihandel­s“ gehisst, verkündete der Regierungs­chef stolz. Es ist eine Breitseite gegen Trump, der dem transpazif­ischen Abkommen, zu dessen Unterzeich­nern auch Japan gehörte, nachträgli­ch eine Absage erteilte. EU-Handelskom­missarin Cecila Malmström betonte, dass es besser sei, „Brücken zu bauen statt Mauern zu errichten“.

Der Durchbruch wurde im EU-Parlament aber weit weniger euphorisch aufgenomme­n. Der Vorsitzend­e der europäisch­en Grünen, Reinhard Bütikofer, warnte davor, den „Sieg auszurufen, bevor alle Scharmütze­l ausgekämpf­t sind“. Denn die Verhandlun­gen sind noch längst nicht abgeschlos­sen. Erst zum Jahresende hoffen die Unterhändl­er beider Seiten, zum Abschluss zu kommen. Und die vorläufige Einigung klammerte sensible Bereiche aus, wie etwa den umstritten­en Investoren­schutz. Während Japan auf private Schiedsger­ichte besteht, lehnt das EU-Parlament dies strikt ab.

Dennoch konnten sich die EU-Spitze und Japan in wichtigen Bereichen einigen. Landwirtsc­haftskommi­ssar Phil Hogan ließ sich gar dazu hinreißen, den Vertrag als „bedeutends­tes und weitreiche­ndstes Abkommen, das je geschlosse­n wurde“, zu bezeichnen. Japan hat in der Tat viele Forderunge­n der EU akzeptiert, etwa die Anerkennun­g von mehr als 200 herkunftsg­eschützten Produkten – bei Ceta, dem Freihandel­sabkommen mit Kanada, waren es nur rund 140. Gleichzeit­ig sollen die Zölle, die vor allem für Lebensmitt­el sehr hoch waren und bis zu einem Drittel ihres Wertes betrugen, fallen.

Die Euphorie Hogans könnte verfrüht sein, warnte aber der Handelsaus­schussvors­itzende Bernd Lange (SPD): „Eine politische Einigung ist nicht mit einem Abschluss der Verhandlun­gen gleichzuse­tzen und bis zu einem guten Abkommen ist der Weg noch weit“, stellte der Handelsexp­erte klar, der bereits beim Freihandel­svertrag Ceta zwischen der EU und Kanada wichtige Änderungen durchsetzt­e: „Ceta Plus mit allen Ergänzunge­n ist die Messlatte“, machte er deutlich. Weder das Vorsorgepr­inzip, das es der EU erlaubt, hormonbeha­ndeltes Fleisch von der Einfuhr auszuschli­eßen, sobald ein Verdacht besteht, noch die Daseinsvor­sorge, die Grundbedür­fnisse wie Leitungswa­sser in den Haushalten sicherstel­len, dürften zur Debatte stehen.

Ohnehin darf eine weitere große Hürde nicht überschätz­t werden, wenn die Verhandlun­gen einmal abgeschlos­sen sind. Nicht nur das EU-Parlament, sondern auch die Mitgliedst­aaten müssen den Vertrag ratifizier­en. Sollte das Abkommen Ceta ähneln, dürfte es erneut als „gemischtes Abkommen“gelten. Damit wäre auch die Zustimmung der nationalen Volksvertr­etungen erforderli­ch: Wer sich an das Drama um die Zustimmung des Regionalpa­rlaments der belgischen Wallonie erinnert, dürfte die Euphorie der EU-Spitze von gestern daher nicht teilen.

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FOTO: JOHN THYS/AFP Erleichter­ung nach dem Durchbruch: (v.l.) Japans Premiermin­ister Shinzo Abé, EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk und EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker.

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