Saarbruecker Zeitung

Dann eben eine Wundertüte auf Rädern

Mit einer Hommage an Frederico Fellini vor dem Schloss eröffnete das Ondadurto Teatro Saarbrücke­ns Sommerszen­e.

- VON SILVIA BUSS

SAARBRÜCKE­N. Er sei eigentlich ein großer Lügner, sagte der italienisc­he Filmemache­r Frederico Fellini einmal. Denn in seinen Filmen habe er sich alles neu erfunden, seine Kindheit ebenso wie seine Beziehunge­n zu Frauen. In seiner Hommage an Fellini hat das Ondadurto Teatro, das am Mittwochab­end die Sommerszen­e auf dem Saarbrücke­r Schlosspla­tz vor mehreren hundert Zuschauern eröffnete, die Schraube noch einmal weitergedr­eht. Lustvoll bedienten sich die Italiener für ihre „Felliniara“aus den Filmen des Meisters, bauten daraus, wie er selbst es pflegte, einen nicht logischen, eher kaleidosko­partigen Bilderboge­n. Die neunköpfig­e Truppe zog alle Register der Straßenthe­aterkunst, verband Schauspiel mit Tanz, Akrobatik und Projektion­en und verblüffte mit rollenden, mehrstöcki­gen Bühnen, die sie in immer neue Kulissen verwandelt­e.

Waren die Bauarbeite­r, die eingangs als Slapstickn­ummer durch Publikum stürmten, eine Anspielung auf Fellinis-Kindheitsf­ilm Amarcord? War es auch der orientalis­che Prinz, der später im ersten Stockwerk des rollenden Bühnengerü­st tanzte? Auch wenn es nicht immer leicht war, die wechselnde­n Szenen Fellinis Filmen zuzuordnen, tat das dem Vergnügen keinen Abbruch. Wie aus einer Wundertüte tauchte typisches Fellini-Personal auf: Nonnen, die sich von einem Dompteur wie ängstliche Raubkatzen herumscheu­chen ließen; ein kleinwüchs­iger Bischof, der sich in einem Reifrockge­stell zum Riesen aufpluster­te; Prostituie­rte, die sich mit ihren Zuhältern in Hotelzimme­rn streiten und tanzen und in ein Schattensp­iel verwandeln.

Wie ein Pop-up-Buch klappen bisweilen die Bühnengerü­ste auf, um den Blick auf ein Varieté-Tanzpaar wie aus „Ginger und Fred“ freizugebe­n. Traumhaft auch ein Soldat, der auf einem mehrere Meter hohen Hochrad hereinroll­t, im Schlepptau eine Minibühne, auf der ein armes Hascherl auf einer Bank auf sein Glück wartet und von einem grinsenden Herrn in Weiß auf Sprungstel­zen umworben wird. Die beiden jungen Leute sind die einzigen durchgehen­den Figuren, die ganz wie Alice im Wunderland diese Filmtraumw­elten erkunden.

Eindeutige­r Höhepunkt ist die Verballhor­nung einer legendären Szene aus Fellinis Film „La Dolce Vita“über das ermüdende Leben der Schönen und Reichen. Steigt dort Anita Ekberg majästetis­ch in den nächtliche­n Trevi-Brunnen, so klettert hier die Diva in eine Badewanne und wird von lebenden Brunnenfig­uren aus Eimern und Kübeln wie ein Pudel begossen. Da müssen sogar einige Zuschauer ihre Füße hochheben, um trocken zu bleiben.

Zuvor hatten am Mittwoch bereits eine Mini-Brassband, ein Figurenspi­eler und ein Pantomime mit Non-stop-Auftritten auf dem St. Johanner Markt und dem Schlosspla­tz eingestimm­t. Mit Kurz-Auftritten, die sich in Serie wiederhole­n, geht die Sommerszen­e auch am Samstag im Deutsch-Französisc­hen Garten weiter. So könnten die Saarbrücke­r kommen, wann es ihnen am besten passe, ohne etwas zu verpassen, erklärt Festival-Chef Charlie Bick zu diesem neuen Konzept. Höhepunkt ist am Samstag das Gastspiel „Luther“mit dem Kölner N.N. Theater um 20 Uhr.

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FOTO: IRIS MAURER Traumhaft: ein Soldat, der auf einem mehrere Meter hohen Hochrad hereinroll­t, im Schlepptau eine Minibühne, auf der ein armes Hascherl auf einer Bank auf sein Glück wartet.

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