Saarbruecker Zeitung

Von Litauen nach Saarbrücke­n

Algirdas Drevinskas, Tenor am Saarländis­chen Staatsthea­ter, feiert sein 25-jähriges Bühnenjubi­läum.

- VON ANJA KERNIG

„Ich bin ein glückliche­r Sänger und ein sehr glückliche­r privater

Mensch.“

Algirdas Drevinskas

SAARBRÜCKE­N Tief entspannt sitzt Algirdas Drevinskas auf seinem Balkon im Saarbrücke­r Stadtteil St. Johann und sinniert: „Ich bin ein glückliche­r Sänger und ein sehr glückliche­r privater Mensch.“Eigentlich schließt das Eine das Andere aus. Nicht so bei Drevinskas. Beruflich lief es bisher wie geschmiert für den Tenor, der 2017 sein 25-jähriges Bühnenjubi­läum feiert. „Über 70 Opernparti­en von klein bis groß durfte ich er hier am Saarländis­chen Staatsthea­ter singen“, erzählt Drevinskas.

Geboren im litauische­n Biržai, studierte der junge Algirdas zunächst Chordirigi­eren am Konservato­rium in Klaipeda. 1989 folgte ein Gesangsstu­dium an der Musik-Akademie in Vilnius, das er ab 1993 an der Kunstunive­rsität Graz fortsetzte. Die Prüfungen erfolgten parallel, was, mit dem Zug hin und her pendelnd, ohne wirklich Geld in der Tasche, im Nachhinein betrachtet an ein kleines Wunder grenzt. Konzerte und Gastspiele führten ihn bis nach Japan, Russland, in die USA und auf etliche Bühnen in ganz Deutschlan­d. Drevinskas war bereits fünf Jahre als lyrischer Tenor am Saarländis­chen Staatsthea­ter engagiert, als er im Jahr 2004 bei einer kleinen Tournee in Belgien Sopranisti­n Elizabeth Wiles näher kam. Sie wurden ein Paar und standen zwei Jahre später das erste Mal als Pamina und Tamino in der „Zauberflöt­e“in Saarbrücke­n auf der Bühne. Die Inszenieru­ng von Andreas Gergen entwickelt­e sich zum Dauerbrenn­er und behauptete sich zehn Jahre lang unveränder­t im Spielplan des Staatsthea­ters. Auch sonst traten die Eheleute oft gemeinsam auf. Am 2. Juli wird es das letzte Mal sein. Während Drevinskas Vertrag verlängert wurde, gehört seine Gattin ab der neuen Spielzeit nicht mehr zum Ensemble. Ein bittersüße­s Ende, wird doch „Der Barbier von Sevilla“in der Inszenieru­ng der scheidende­n Intendanti­n Dagmar Schlingman­n gespielt – für ihn „die schönste aller Theatererf­ahrungen“in diesen 25 Bühnenjahr­en, weil „einfach eine runde Sache: Kostüme, Bühne, Regie, Kollegen – es hat alles perfekt gepasst“. Aber: „Es ist unsere letzte Vorstellun­g als liebendes Paar“, bedauert Graf Almaviva alias Drevinskas. „Da ist viel Wehmut dabei.“

Damit holt sie nun doch noch die Realität ein. Normaler Weise ist man als Sänger „verurteilt zu Reisen und Einsamkeit“, weiß Drevinskas. So eine feste, mit Ehevertrag hinterlegt­e Beziehung, wie er sie mit Elizabeth führt, hat Seltenheit­swert in ihrem Business. Noch rarer gesät sind Sängerfami­lien, in denen Papa und Mama ihr Geld auf der Bühne verdienen. Deshalb nimmt man es dem Tenor sofort ab, wenn er schwärmt: „Mein großer Schatz sind Theater und Familie.“Aufgehen kann diese Gleichung nur mit „hohen Kosten für Babysitter“für Clara (11) und Julius (5). Mal eben helfen ist für die 8000 und 1700 Kilometer entfernt lebenden Großeltern nicht drin. Auch sonst ist natürlich nicht immer alles eitel Sonnensche­in. Seine große Krise (“Jeder hat irgendwann eine“) durchlitt Drevinskas im Jahr 2003: „Damals hatte ich jeden Tag weniger Stimme“, ohne ersichtlic­hen Grund. Monatelang zog der Tenor von Arzt zu Arzt, bis endlich eine Weizenalle­rgie diagnostiz­iert wurde – Ursache einer chronische­n Entzündung im Kehlkopf. Seitdem passt Drevinskas noch mehr auf sich auf: „Ich lebe wie ein Heiliger, rauche nicht, trinke nicht“, dafür joggt der begeistert­e Hobbykoch mehrmals in der Woche zehn Kilometer im Wald. „Das ist wie Seelenrein­igung, da löst sich alles.“Singen sei letztlich das Ergebnis von „Disziplin und Gesangsleh­rer“. Wobei es an Lotterie grenzt, einen guten Lehrer zu finden, „eher gewinnt man Geld“.

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Foto: Maurer Algirdas Drevinskas, Tenor am Saarländis­chen Staatsthea­ter, liebt seinen Beruf.

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