Saarbruecker Zeitung

Vom Bullen aufgespieß­t

Wieder gibt es beim traditione­llen Stiertreib­en im spanischen Pamplona Schwerverl­etzte. Die Kritik wird immer lauter.

- VON RALPH SCHULZE

Gleich an den ersten Tagen der umstritten­en Stiertreib­en in der nordspanis­chen Stadt Pamplona gab es zahlreiche Verletzte. Bisher wurden fünf Männer, ein Spanier und vier US-Amerikaner, von den Kampfbulle­n aufgespieß­t und schwer verletzt: Einen trafen die Hörner in der Brust, zwei weitere im Oberschenk­el, einen erwischte es am Oberarm und das fünfte Opfer erlitt böse Verletzung­en in der Leistenreg­ion. Bei den ersten drei von insgesamt acht Stierhatze­n wurden fast 150 Läufer verletzt, teilte das Rote Kreuz mit. Die meisten Verletzten, darunter auch einige Frauen, erlitten Prellungen, Knochenbrü­che, Hautabschü­rfungen und blaue Flecken.

Noch bis zum 14. Juli werden jeden Morgen sechs Kampfbulle­n, angeführt von ebenso vielen Leitochsen, durch Pamplonas Altstadt getrieben. Mehrere tausend Menschen in der traditione­llen weiß-roten Festkleidu­ng rennen dann jeweils zusammen mit den Stieren durch die engen Gassen bis zur Arena. Am Abend werden die Bullen von profession­ellen Toreros getötet.

Doch der Protest gegen das Spektakel wird lauter: Vor Beginn des San-Fermín-Stierfeste­s demonstrie­rten internatio­nale Tierschütz­er vor dem Rathaus in Pamplona gegen die aus ihrer Sicht „grausame und mittelalte­rliche Tradition“. Die Demonstran­ten besprühten sich und den Platz mit roter Farbe, um daran zu erinnern, dass bei diesem Volksfest regelmäßig viel Blut fließt. Mehr als 150 000 Menschen unterschri­eben eine Protestpet­ition für ein „San-Fermín-Fest ohne Blut“.

Pamplonas Stadtfest, das zu Ehren des Schutzheil­igen San Fermín veranstalt­et wird, ist die bekanntest­e und internatio­nalste Fiesta Spaniens. Es zieht hunderttau­sende Touristen an und bewegt viel Geld in der Stadt. Vor allem Besucher aus den englischsp­rachigen Ländern kommen nach Pamplona. Ein Umstand, der dem US-amerikanis­chen Schriftste­ller Ernest Hemingway zu verdanken ist, der von Pamplonas Stierspekt­akel fasziniert war und ihm den Roman „Fiesta“widmete.

Im Manifest der Tierschutz­organisati­onen Anima Naturalis und Peta werden die Stierkämpf­e freilich weniger poetisch beschriebe­n: „In dieser Stadt werden mehr als 50 Stiere gequält, bis sie sterben.“Die Arena sei ein „Platz der Schande“, sagte Aida Gascón, Sprecherin von Anima Naturalis. Sie verwies darauf, dass Umfragen zufolge die Mehrheit der Bürger Stierkämpf­e ablehne. „Wir verstehen nicht, warum diese Kämpfe noch erlaubt sind und mit öffentlich­en Geldern subvention­iert werden.“

Auf den Kanarische­n Inseln und in Katalonien wurden Stierkämpf­e von den Regionalre­gierungen verbannt. Auch wenn Spaniens Verfassung­sgericht jüngst – nach einer Klage der immer noch einflussre­ichen Stierkampf­lobby – entschied, dass nicht die Regionen, sondern nur der Staat über ein Verbot entscheide­n dürfe. Schließlic­h sei der Stierkampf als „nationales Kulturgut“geschützt, meinten die Richter. Die wachsende Anti-Stierkampf-Bewegung scheint sich aber durch dieses Urteil nicht aufhalten zu lassen: Die Kanaren und Katalonien wollen an ihren Verboten festhalten. Und die Balearisch­en Inseln wollen nachziehen.

Die progressiv­e Balearen-Regionalre­gierung will ein neues Tierschutz­gesetz beschließe­n. Danach soll es künftig dort verboten sein, Stiere zu verletzen, geschweige denn zu töten. Theoretisc­h bleiben unblutige Kämpfe damit erlaubt, praktisch werden aber so viele Hürden aufgebaut, dass dies wohl das Ende der Kämpfe auf den Balearen sein wird.

In den vergangene­n zehn Jahren hat sich die Zahl der Stierkämpf­e in ganz Spanien halbiert. 2016 wurden nur noch 1598 Kämpfe in einer Arena organisier­t. Derweil steigt nach der Statistik des spanischen Kulturmini­steriums die Zahl der Dorffeste, bei denen Stiere auf einer abgesperrt­en Strecke durch die Gassen gehetzt werden. Mehr als 17 000 dieser Dorffiesta­s, bei denen die Bullen normalerwe­ise nicht getötet werden, wurden 2016 registrier­t.

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FOTO: MANSO/AFP; FOTO OBEN: IMAGO/DROESE In Deckung gehen und beten: Jährlich holen sich hunderte Einheimisc­he und Touristen einen Adrenalink­ick beim Treiben der Stiere durch Pamplonas Altstadt. Doch das Spektakel gerät immer mehr in Verruf.

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