Saarbruecker Zeitung

Kittels Sprint in die Tour-Geschichte

Mit seinem vierten diesjährig­en TourEtappe­nsieg hat Marcel Kittel gestern Erik Zabel überflügel­t. Er führt jetzt die deutsche Rangliste mit 13 Tageserfol­gen an.

- VON EMANUEL REINKE

(sid/dpa) Sprintköni­g Marcel Kittel hat den 15 Jahre alten deutschen Tour-Etappenrek­ord Erik Zabels gebrochen und sich ein sportliche­s Denkmal gesetzt. Bei der 104. Frankreich-Rundfahrt führte Kittel die Konkurrenz auch im Massenspri­nt der 10. Etappe vor und siegte in überlegene­r Manier zum insgesamt 13. Mal bei der Großen Schleife — so oft wie kein anderer deutscher Fahrer. John Degenkolb aus Gera machte als Zweiter einen Thüringer Doppelsieg perfekt.

„Ich kann es nicht glauben, bin überglückl­ich. Vier Etappensie­ge — ich bin überwältig­t“, sagte Kittel: „Den Rekord alleine zu haben, bedeutet mir sehr viel. Als ich mit dem Radsport begonnen habe, konnte ich mir nicht einmal vorstellen, je die Tour zu fahren.“

Der 29 Jahre alte Quick-Step-Star baute zudem seinen Vorsprung im Kampf um das Grüne Trikot aus. Hatte er am vergangene­n Freitag noch hauchdünn im Fotofinish triumphier­t, setzte sich der Arnstädter diesmal mit mehreren Radlängen Vorsprung auf Degenkolb ( Trek-Segafredo) durch. Rüdiger Selig (Zwenkau/Bora-hansgrohe) machte als Vierter das grandiose deutsche Ergebnis perfekt. Routinier André Greipel setzte indes eine glücklose Tour fort. Obwohl das Lotto-Team des Rostockers in der Anfahrt aufs Ziel viel Arbeit leistete, kam der 34-Jährige nur auf Platz zwölf. Das Gelbe Trikot des Gesamtführ­enden behauptete der britische Titelverte­idiger Christophe­r Froome problemlos.

Erneut wirkte Kittel äußerst souverän, obwohl es der Zielbereic­h in Bergerac in sich hatte. Zwei scharfe 90 Grad-Kurven auf den letzten 1000 Metern – noch dazu auf einer schmalen Straße – waren ein gefährlich­es Handicap. Glückliche­rweise ging das riskante Finale ohne Stürze ab. Die letzten 5000 Meter fuhren André Greipels Teamkolleg­en in vorderster Front, zum Schluss spielte der dreimalige deutsche Meister aus Rostock aber wieder keine Rolle. Kittels neues Erfolgs-System – ganz spät in den Wind – funktionie­rte wegen seiner Explosivit­ät auch in Bergerac perfekt. Gegen seine Coolness scheint es zur Zeit kein Rezept zu geben.

Kittel, der 2013 und 2014 ebenfalls viermal bei der Tour gesiegt hatte, setzt seine Rekordjagd bereits heute fort, wenn die elfte Etappe in Pau am Rande der Pyrenäen mit dem nächsten Massenspri­nt enden dürfte. Fünf oder mehr Etappensie­ge bei einer einzigen Tour hat in der Geschichte der Frankreich-Rundfahrt als einziger reiner Sprinter Mark Cavendish erreicht: Der Brite gewann 2009 sechs Mal, 2010 und 2011 sicherte er sich jeweils fünf Erfolge. Der Tour-Rekord ist für Kittel aber wohl unerreichb­ar: Charles Pelissier (1930), Eddy Merckx (1970/1974) und Freddy Maertens (1976) siegten jeweils acht Mal bei einer Großen Schleife. Merckx hat mit 33 auch die meisten Etappensie­ge überhaupt vorzuweise­n.

Die Reihe der Kontrahent­en hatte sich sichtlich gelichtet: Cavendish – verletzt ausgestieg­en. Peter Sagan – ausgeschlo­ssen worden. Arnaud Démare, dem Kittel am Freitag bei Etappensie­g drei das Grüne Trikot abgenommen hatte – auf der Königsetap­pe am Sonntag am Zeitlimit gescheiter­t. Dementspre­chend schauten alle auf Kittel, doch der Thüringer hielt dem Druck problemlos stand. Am ehesten hielt noch Degenkolb mit, der aber keine realistisc­he Chance auf seinen ersten Etappensie­g bei einer Frankreich-Rundfahrt hatte. Kittels Vertrag im belgischen Quick-StepTeam läuft übrigens aus. Noch während der Tour will der Hüne Sicherheit haben, wohin die Reise 2018 geht. Argumente für eine Aufstockun­g seiner Bezüge hat er bereits geliefert.

Nach den schweren Stürzen am Sonntag und dem folgenden Ruhetag blieb die zehnte Etappe lange unspektaku­lär. Die französisc­hen Ausreißer Yoann Ofredo (Wanty-Groupe Gobert) und Elie Gesbert (Fortuneo-Oscaro) fuhren 170 Kilometer lang an der Spitze, wurden aber überpünktl­ich gestellt.

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FOTO: LOPEZ/AFP Das nennt man wohl Überlegenh­eit: Schon 25 Meter vor dem Ziel setzte Marcel Kittel gestern Nachmittag in Bergerac zum Jubeln an. Mit dem Etappensie­g setzte sich der Sprinter ein sportliche­s Denkmal. Jetzt führt der 29-jährige Thüringer die deutsche...

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