Saarbruecker Zeitung

Wie die Türkei die Todesstraf­e wieder einführen kann

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(dpa) Die Abschaffun­g der Todesstraf­e in der Türkei wurde 2004 in Artikel 38 der Verfassung verankert – vor Beginn der EU-Beitrittsv­erhandlung­en im Jahr darauf. Für die Wiedereinf­ührung wäre also eine Verfassung­sänderung notwendig. Dafür würde eine Zweidritte­l-Mehrheit im Parlament benötigt (367 der 550 Sitze). Mit einer 60-Prozent-Mehrheit der Stimmen (330 Sitze) wäre ein Referendum möglich, das dann nur eine einfache Mehrheit im Volk bräuchte.

In jedem Fall wäre die islamisch-konservati­ve Regierungs­partei AKP (317 Sitze) von Staatschef Recep Tayyip Erdogan auf Unterstütz­ung aus der Opposition angewiesen. Die ultranatio­nalistisch­e MHP (36 Sitze) ist ebenfalls für die Todesstraf­e, Parteichef Devlet Bahceli hat Erdogan in der Vergangenh­eit bei mehreren Vorhaben unterstütz­t. Gemeinsam hätten AKP und MHP genug Stimmen, um eine Volksabsti­mmung in die Wege zu leiten. Präsident Erdogan hat bereits angekündig­t, dass er ein entspreche­ndes Gesetz unverzügli­ch unterzeich­nen würde.

Um die Putschiste­n vom vergangene­n Jahr hinzuricht­en, wäre die Wiedereinf­ührung der Todesstraf­e nicht ausreichen­d. In Artikel 38 der Verfassung ist auch der Grundsatz verankert, dass niemand schwerer bestraft werden darf als die zum Zeitpunkt der Tat angedrohte Strafe.

Der gleiche Grundsatz findet sich in Artikel 7 der Europäisch­en Menschenre­chtskonven­tion, die die Türkei unterzeich­net hat. In Zusatzprot­okollen verpflicht­eten sich die Staaten zudem zur Abschaffun­g der Todesstraf­e. Die EU will die Beitrittsv­erhandlung­en mit Ankara dann beenden.

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