Die schwierige Suche nach einem Namen
Wie soll die Großregion heißen? Diese Entscheidung ist nicht ganz ohne. Der letzte Versuch im Jahr 2003 scheiterte.
Der letzte Versuch vor 15 Jahren ging gründlich daneben. Doch nun soll die Großregion aus Luxemburg, Saarland, Grand Est (Lothringen, Elsass, Champagne-Ardenne), Rheinland-Pfalz, Wallonien und der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens endlich einen Namen bekommen.
In der Öffentlichkeit hat sich zwar die Abkürzung „Saar-Lor-Lux“durchgesetzt, die während der Kohleund Stahlkrisen in dem Montandreieck von den Wirtschaftskammern geprägt wurde. Aber offiziell heißt die Großregion bis heute: „Großregion“. Ein Begriff, der sich „aufgrund seiner Beliebigkeit und fehlenden geografischen Verortung nur bedingt dafür (eignet), ein Wir-Gefühl aufkommen zu lassen“, wie die Geografin Gundula Scholz im Jahr 2016 schrieb.
Die Regierung Luxemburgs, die derzeit die Präsidentschaft der Großregion innehat, wagt nun einen neuen Anlauf. Eine Sprecherin des für die Großregion zuständigen Ministeriums sagte der SZ, es gebe eine Vielzahl von Großregionen. „Ein eingängiger Name würde der Großregion eine eigene Identität verpassen.“Die Diskussionen seien aber noch nicht abgeschlossen, hieß. Daher wollte sich das Ministerium noch nicht zu konkreten Vorschlägen äußern.
Sicherlich will die Regierung verhindern, dass es ihr am Ende so ergeht wie einst der saarländischen Landesregierung. Im Frühjahr 2002 rief der damalige Ministerpräsident Peter Müller (CDU) als Präsident der Großregion einen Namenswettbewerb aus. Gesucht wurde, wie Müller es formulierte, „ein marketingfähiger Name“. Mehr als 3000 Menschen reichten Vorschläge ein.
Monate später posaunte Müllers Staatskanzlei-Chef Karl Rauber hinaus, dass wohl der Begriff „MaasMosel-Saar“das Rennen machen werde. Die Regierungschefs des Gipfels hätten sich bereits darauf verständigt. In der engeren Auswahl waren auch Lotharingia, Carolingia, Austrasia, Amicitia und Amaranta – allesamt Bezeichnungen, die sich wohl nur Liebhabern regionaler Geschichte oder Absolventen eines Geografie-Studiums erschließen.
Doch in Politik und Gesellschaft war „Maas-Mosel-Saar“nicht zu vermitteln. „Das hört sich an wie Mosel-Saar-Ruwer, klingt aber noch besser als Müller-Thurgau“, spottete SPD-Landeschef Heiko Maas. Die CDU konterte, die SPD scheine ein Problem mit dem Namen „Maas“zu haben. Dabei gab es die Bedenken wegen „Maas“im Namen eher in Teilen der CDU.
Der damalige Präsident der Saar-Unternehmer, Walter Koch, fand den Namen „nichtssagend“, der Leiter der Musikfestspiele Saar, Robert Leonardy, sprach von einer ,,Fehlgeburt“. Als die SZ ihre Leser bat, bei einer Ted-Umfrage ihre Meinung kundzutun, riefen von den 2901 Teilnehmern ganze 59 für „Maas-Mosel-Saar“an.
Auch unter den Partnerregionen hielt sich die Begeisterung in engen Grenzen. Die Regierung Luxemburgs ließ erklären, man habe von Anfang an „eine gewisse Distanz“zu diesem Vorschlag gehabt. Ein Regierungssprecher des Großherzogtums bezichtigte die Saar-Regierung eines „Alleingangs“– was allerdings im Saarland bis heute bestritten wird. Umgekehrt bügelte das Saarland den Luxemburger Vorschlag ab, man könne im Namen der Großregion doch einfach alle ihre einzelnen Teilregionen aufzählen.
Auch Rheinland-Pfalz war nicht begeistert. Kurz vor dem entscheidenden Gipfeltreffen der Großregion erklärte der Mainzer Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) in einem SZ-Interview: „Wenn uns etwas ganz Schönes und Identitätsstiftendes eingefallen wäre, wäre das prima. Aber keiner der Vorschläge überzeugt mich so, dass man deshalb jetzt der Region einen neuen Namen überstülpen sollte.“Schließlich musste auch Peter Müller einräumen: „Einen Namen, der von allen mit Begeisterung vertreten wird, sehe ich nicht.“Das Projekt Namensfindung war tot. Selbst Müller musste schließlich einräumen, dass der Begriff Maas-Mosel-Saar nicht zur Identitätsbildung taugt: „Ich habe noch keinen Saar-LorLuxer getroffen, ebenso wenig wie einen Meuse-Moselle-Sarrer.“
Der Geografie-Professor Peter Moll, der damals die zuständige Abteilung in der Staatskanzlei leitete, sagt: „Man hat das damals nicht mit der notwendigen Intensität verfolgt, sondern die Sache einfach abgeblasen.“Für den neuen Versuch rät er, die „emotionale Ebene“zu beachten, die für die Akzeptanz eines Namens wichtig sei.
Aber ist es überhaupt sinnvoll, gerade jetzt nach einem Namen zu suchen? Der Trierer Politikwissenschaftler Wolfgang Lorig, ein Experte für die Großregion, rät dazu, erst einmal „eine grundsätzliche Diskussion über das Projekt einer Großregion im Kontext veränderter Rahmenbedingungen“zu führen. Zu diesen neuen Rahmenbedingungen zählt er die Regionalreform in Frankreich und die Krise des europäischen Integrationsprojekts. Es müsse geklärt werden, welchen Stellenwert grenzüberschreitende Regionen in der EU heute überhaupt noch haben, ob und wie das Konzept eines Europas der Regionen wiederbelebt werden solle. Lorig stellt die Frage, was es für die Großregion bedeutet, dass sie sich 2016 um das Elsass und die Region Champagne-Ardenne vergrößert hat, auch wenn dort kaum Interesse an der Großregion besteht – ebenso wie in Teilen der Wallonie, im Westerwald oder Ludwigshafen.
Die Großregion geht über die Kernzone Saar-Lor-Lux deutlich hinaus. Inzwischen reicht sie von der Schweizer Grenze bis zur belgischen Nordsee. Peter Moll spricht aus, was wohl viele denken: „Die Großregion muss sich dringend von territorialem Ballast befreien. Dieses Riesengebiet ist nicht zu beherrschen.“