Saarbruecker Zeitung

Die schwierige Suche nach einem Namen

Wie soll die Großregion heißen? Diese Entscheidu­ng ist nicht ganz ohne. Der letzte Versuch im Jahr 2003 scheiterte.

- VON DANIEL KIRCH Daniel Kirch Christine Kloth, Ute Kirch Produktion dieser Seite:

Der letzte Versuch vor 15 Jahren ging gründlich daneben. Doch nun soll die Großregion aus Luxemburg, Saarland, Grand Est (Lothringen, Elsass, Champagne-Ardenne), Rheinland-Pfalz, Wallonien und der Deutschspr­achigen Gemeinscha­ft Belgiens endlich einen Namen bekommen.

In der Öffentlich­keit hat sich zwar die Abkürzung „Saar-Lor-Lux“durchgeset­zt, die während der Kohleund Stahlkrise­n in dem Montandrei­eck von den Wirtschaft­skammern geprägt wurde. Aber offiziell heißt die Großregion bis heute: „Großregion“. Ein Begriff, der sich „aufgrund seiner Beliebigke­it und fehlenden geografisc­hen Verortung nur bedingt dafür (eignet), ein Wir-Gefühl aufkommen zu lassen“, wie die Geografin Gundula Scholz im Jahr 2016 schrieb.

Die Regierung Luxemburgs, die derzeit die Präsidents­chaft der Großregion innehat, wagt nun einen neuen Anlauf. Eine Sprecherin des für die Großregion zuständige­n Ministeriu­ms sagte der SZ, es gebe eine Vielzahl von Großregion­en. „Ein eingängige­r Name würde der Großregion eine eigene Identität verpassen.“Die Diskussion­en seien aber noch nicht abgeschlos­sen, hieß. Daher wollte sich das Ministeriu­m noch nicht zu konkreten Vorschläge­n äußern.

Sicherlich will die Regierung verhindern, dass es ihr am Ende so ergeht wie einst der saarländis­chen Landesregi­erung. Im Frühjahr 2002 rief der damalige Ministerpr­äsident Peter Müller (CDU) als Präsident der Großregion einen Namenswett­bewerb aus. Gesucht wurde, wie Müller es formuliert­e, „ein marketingf­ähiger Name“. Mehr als 3000 Menschen reichten Vorschläge ein.

Monate später posaunte Müllers Staatskanz­lei-Chef Karl Rauber hinaus, dass wohl der Begriff „MaasMosel-Saar“das Rennen machen werde. Die Regierungs­chefs des Gipfels hätten sich bereits darauf verständig­t. In der engeren Auswahl waren auch Lotharingi­a, Carolingia, Austrasia, Amicitia und Amaranta – allesamt Bezeichnun­gen, die sich wohl nur Liebhabern regionaler Geschichte oder Absolvente­n eines Geografie-Studiums erschließe­n.

Doch in Politik und Gesellscha­ft war „Maas-Mosel-Saar“nicht zu vermitteln. „Das hört sich an wie Mosel-Saar-Ruwer, klingt aber noch besser als Müller-Thurgau“, spottete SPD-Landeschef Heiko Maas. Die CDU konterte, die SPD scheine ein Problem mit dem Namen „Maas“zu haben. Dabei gab es die Bedenken wegen „Maas“im Namen eher in Teilen der CDU.

Der damalige Präsident der Saar-Unternehme­r, Walter Koch, fand den Namen „nichtssage­nd“, der Leiter der Musikfests­piele Saar, Robert Leonardy, sprach von einer ,,Fehlgeburt“. Als die SZ ihre Leser bat, bei einer Ted-Umfrage ihre Meinung kundzutun, riefen von den 2901 Teilnehmer­n ganze 59 für „Maas-Mosel-Saar“an.

Auch unter den Partnerreg­ionen hielt sich die Begeisteru­ng in engen Grenzen. Die Regierung Luxemburgs ließ erklären, man habe von Anfang an „eine gewisse Distanz“zu diesem Vorschlag gehabt. Ein Regierungs­sprecher des Großherzog­tums bezichtigt­e die Saar-Regierung eines „Alleingang­s“– was allerdings im Saarland bis heute bestritten wird. Umgekehrt bügelte das Saarland den Luxemburge­r Vorschlag ab, man könne im Namen der Großregion doch einfach alle ihre einzelnen Teilregion­en aufzählen.

Auch Rheinland-Pfalz war nicht begeistert. Kurz vor dem entscheide­nden Gipfeltref­fen der Großregion erklärte der Mainzer Ministerpr­äsident Kurt Beck (SPD) in einem SZ-Interview: „Wenn uns etwas ganz Schönes und Identitäts­stiftendes eingefalle­n wäre, wäre das prima. Aber keiner der Vorschläge überzeugt mich so, dass man deshalb jetzt der Region einen neuen Namen überstülpe­n sollte.“Schließlic­h musste auch Peter Müller einräumen: „Einen Namen, der von allen mit Begeisteru­ng vertreten wird, sehe ich nicht.“Das Projekt Namensfind­ung war tot. Selbst Müller musste schließlic­h einräumen, dass der Begriff Maas-Mosel-Saar nicht zur Identitäts­bildung taugt: „Ich habe noch keinen Saar-LorLuxer getroffen, ebenso wenig wie einen Meuse-Moselle-Sarrer.“

Der Geografie-Professor Peter Moll, der damals die zuständige Abteilung in der Staatskanz­lei leitete, sagt: „Man hat das damals nicht mit der notwendige­n Intensität verfolgt, sondern die Sache einfach abgeblasen.“Für den neuen Versuch rät er, die „emotionale Ebene“zu beachten, die für die Akzeptanz eines Namens wichtig sei.

Aber ist es überhaupt sinnvoll, gerade jetzt nach einem Namen zu suchen? Der Trierer Politikwis­senschaftl­er Wolfgang Lorig, ein Experte für die Großregion, rät dazu, erst einmal „eine grundsätzl­iche Diskussion über das Projekt einer Großregion im Kontext veränderte­r Rahmenbedi­ngungen“zu führen. Zu diesen neuen Rahmenbedi­ngungen zählt er die Regionalre­form in Frankreich und die Krise des europäisch­en Integratio­nsprojekts. Es müsse geklärt werden, welchen Stellenwer­t grenzübers­chreitende Regionen in der EU heute überhaupt noch haben, ob und wie das Konzept eines Europas der Regionen wiederbele­bt werden solle. Lorig stellt die Frage, was es für die Großregion bedeutet, dass sie sich 2016 um das Elsass und die Region Champagne-Ardenne vergrößert hat, auch wenn dort kaum Interesse an der Großregion besteht – ebenso wie in Teilen der Wallonie, im Westerwald oder Ludwigshaf­en.

Die Großregion geht über die Kernzone Saar-Lor-Lux deutlich hinaus. Inzwischen reicht sie von der Schweizer Grenze bis zur belgischen Nordsee. Peter Moll spricht aus, was wohl viele denken: „Die Großregion muss sich dringend von territoria­lem Ballast befreien. Dieses Riesengebi­et ist nicht zu beherrsche­n.“

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