Er ist wieder da: Der Podcast kehrt zurück
Um Podcasts war es lange Zeit ziemlich still. Doch plötzlich erleben die Tonund Bildbeiträge aus dem Internet eine Renaissance in Deutschland.
BERLIN (dpa) Digiale Hörbücher aus dem Internet, sogenannte Podcasts, erleben derzeit eine Renaissance, 13 Prozent der Internetnutzer in Deutschland ab 14 Jahren hören Podcasts. Das sind rund 7,5 Millionen Menschen. Das hat die ARD/ZDF-Online-Studie von 2016 ergeben. In den USA haben sich Podcasts bereits seit mehreren Jahren als Medium etabliert.
Für den Podcast-Boom in Deutschland sind hauptsächlich zwei Männer verantwortlich: der TV-Satiriker Jan Böhmermann und Musiker Olli Schulz. Gemeinsam moderierten sie bis 2016 die Radiosendung „Sanft und Sorgfältig“beim Sender Radio Eins. Mittlerweile kann ihr Podcast unter dem Namen „Fest und Flauschig“beim Streamingdienst Spotify heruntergeladen werden. „Seit wir „Fest und Flauschig“im Programm haben, gehen die anderen Formate mit hoch. Weil die Leute dann in der App bleiben und weiter stöbern“, sagt Marcel Grobe von Spotify.
Vor genau einem Jahr wurde der erste Podcast von Schulz und Böhmermann bei Spotify online gestellt. Dem Streaming-Anbieter gelang damit ein Coup – der Wechsel vom Radio geschah kurz nachdem Böhmermanns Schmähgedicht-Affäre die Schlagzeilen beherrschte.
Derzeit sei die Podcast-Landschaft größtenteils von zwei Bereichen geprägt, sagt Sandro Schroeder vom Deutschlandradio, der sich seit mehreren Jahren mit dem Thema beschäftigt: „Erstens von langjährigen Podcastern wie beispielsweise Tim Pritlove, die meist sehr ausführliche Gespräche, Interviews oder Unterhaltungen aufnehmen und damit eine treue Hörerschaft aufgebaut haben. Und zweitens Radiosender, die Podcasts nutzen.“Das bestätigt auch Paul Huizing vom Hörbuch-Anbieter Audible: „Wenn man sich die Top 100 bei iTunes anschaut, sind ungefähr 60 Prozent der Podcasts vom Radio. Und der Rest sind talentierte Einzelpersonen.“
Doch es gibt auch neuere Akteure: „Das Podcast-Label Viertausendhertz, das sich seit Anfang 2016 auch an aufwendigen Produktionen nach US-amerikanischem Vorbild versucht“, nennt Schroeder ein Beispiel. Weitere StreamingDienste steigen ebenfalls mit ein – zum Beispiel Deezer, das mit „Das kleine Fernsehballett“einen TV-Serien-Podcast mit Moderatorin Sarah Kuttner und Medienjournalist Stefan Niggemeier betreibt.
Der Vorteil für die Macher: Podcasts lassen sich günstig mit einfachem Equipment realisieren – Mikrofon und Schnittsoftware genügen in den meisten Fällen schon. Doch auch beim Radio ist nicht mehr alles nur Zweitverwertung. „Das Smartphone ist das Abspielgerät schlechthin, also versuchen die Sender dafür geeignete Angebote zu schaffen“, sagt Oskar Vitlif vom Online-Portal „radioszene.de“.
Mit Smartphone-Apps können die Hörer der Audio-Inhalte ihr Programm immer individueller gestalten. Dazu haben mehrere Sender schon Apps im Angebot. Außerdem starten ARD und Deutschlandradio im Sommer die „ARD Audiothek“. „Nutzer können damit auf Wortbeiträge von mehr als 60 Hörfunkwellen aus der ARD Mediathek zugreifen und sich daraus ein eigenes Programm zusammenstellen“, sagt der Radioexperte.
Einheitliche Trends bei den Angeboten gibt es nicht. „Sowohl in den USA als auch in Deutschland differenzieren sich Podcasts bei Inhalt und Form immer weiter aus“, sagt Schroeder. Technik-Themen und Männerstimmen sind seltener zu hören als früher. „Der Durst nach Wissens-, Geschichts- und Wissenschaftspodcasts erscheint mir aber nach wie vor besonders groß. Daneben bleiben die erzählerischen Radiosendungen und Podcasts aus den USA, die auch in Deutschland beliebt sind.“Dazu gehört etwa der Podcast „Serial“, der von einem echten Kriminalfall aus den USA im Jahr 1999 handelt.
Die technischen Voraussetzungen für die Hörer sind einfach. „Auf dem Computer lässt sich beispielsweise iTunes gut nutzen, da es dort ein riesiges Angebot gibt“, erklärt Hüfner. Für das Smartphone empfiehlt er hingegen die App Pocket
Casts: „Mithilfe einer Entdeckfunktion lassen sich spannende Podcasts direkt in der App finden.“Vitlif rät für Android zur kostenlosen App Podcast Republic. Zuverlässig seien aber auch die Apps Downcast und Overcast.
Und welche Podcasts eignen sich zum Einstieg? „In allen Gebieten von Politik über Sport, Technik, Film oder Comedy bis Fiktion findet jeder seine persönlichen Favoriten. Dazu empfiehlt es sich einfach mal zu stöbern“, sagt Vitlif. Aber: „Das Suchen und Entdecken ist im Vergleich zu anderen digitalen Medien massiv unterentwickelt“, entgegnet Schroeder. iTunes als erste Anlaufstelle biete Neuhörern das größte Verzeichnis mit Charts und unterschiedlichen Kategorien. Auch mit speziellen Suchmaschinen können Interessierte Podcasts finden – für deutsche Produktionen gibt es etwa die Internetseite fyyd.de oder podfilter.de.