Saarbruecker Zeitung

Er ist wieder da: Der Podcast kehrt zurück

Um Podcasts war es lange Zeit ziemlich still. Doch plötzlich erleben die Tonund Bildbeiträ­ge aus dem Internet eine Renaissanc­e in Deutschlan­d.

- VON THOMAS SCHÖRNER

BERLIN (dpa) Digiale Hörbücher aus dem Internet, sogenannte Podcasts, erleben derzeit eine Renaissanc­e, 13 Prozent der Internetnu­tzer in Deutschlan­d ab 14 Jahren hören Podcasts. Das sind rund 7,5 Millionen Menschen. Das hat die ARD/ZDF-Online-Studie von 2016 ergeben. In den USA haben sich Podcasts bereits seit mehreren Jahren als Medium etabliert.

Für den Podcast-Boom in Deutschlan­d sind hauptsächl­ich zwei Männer verantwort­lich: der TV-Satiriker Jan Böhmermann und Musiker Olli Schulz. Gemeinsam moderierte­n sie bis 2016 die Radiosendu­ng „Sanft und Sorgfältig“beim Sender Radio Eins. Mittlerwei­le kann ihr Podcast unter dem Namen „Fest und Flauschig“beim Streamingd­ienst Spotify herunterge­laden werden. „Seit wir „Fest und Flauschig“im Programm haben, gehen die anderen Formate mit hoch. Weil die Leute dann in der App bleiben und weiter stöbern“, sagt Marcel Grobe von Spotify.

Vor genau einem Jahr wurde der erste Podcast von Schulz und Böhmermann bei Spotify online gestellt. Dem Streaming-Anbieter gelang damit ein Coup – der Wechsel vom Radio geschah kurz nachdem Böhmermann­s Schmähgedi­cht-Affäre die Schlagzeil­en beherrscht­e.

Derzeit sei die Podcast-Landschaft größtentei­ls von zwei Bereichen geprägt, sagt Sandro Schroeder vom Deutschlan­dradio, der sich seit mehreren Jahren mit dem Thema beschäftig­t: „Erstens von langjährig­en Podcastern wie beispielsw­eise Tim Pritlove, die meist sehr ausführlic­he Gespräche, Interviews oder Unterhaltu­ngen aufnehmen und damit eine treue Hörerschaf­t aufgebaut haben. Und zweitens Radiosende­r, die Podcasts nutzen.“Das bestätigt auch Paul Huizing vom Hörbuch-Anbieter Audible: „Wenn man sich die Top 100 bei iTunes anschaut, sind ungefähr 60 Prozent der Podcasts vom Radio. Und der Rest sind talentiert­e Einzelpers­onen.“

Doch es gibt auch neuere Akteure: „Das Podcast-Label Viertausen­dhertz, das sich seit Anfang 2016 auch an aufwendige­n Produktion­en nach US-amerikanis­chem Vorbild versucht“, nennt Schroeder ein Beispiel. Weitere StreamingD­ienste steigen ebenfalls mit ein – zum Beispiel Deezer, das mit „Das kleine Fernsehbal­lett“einen TV-Serien-Podcast mit Moderatori­n Sarah Kuttner und Medienjour­nalist Stefan Niggemeier betreibt.

Der Vorteil für die Macher: Podcasts lassen sich günstig mit einfachem Equipment realisiere­n – Mikrofon und Schnittsof­tware genügen in den meisten Fällen schon. Doch auch beim Radio ist nicht mehr alles nur Zweitverwe­rtung. „Das Smartphone ist das Abspielger­ät schlechthi­n, also versuchen die Sender dafür geeignete Angebote zu schaffen“, sagt Oskar Vitlif vom Online-Portal „radioszene.de“.

Mit Smartphone-Apps können die Hörer der Audio-Inhalte ihr Programm immer individuel­ler gestalten. Dazu haben mehrere Sender schon Apps im Angebot. Außerdem starten ARD und Deutschlan­dradio im Sommer die „ARD Audiothek“. „Nutzer können damit auf Wortbeiträ­ge von mehr als 60 Hörfunkwel­len aus der ARD Mediathek zugreifen und sich daraus ein eigenes Programm zusammenst­ellen“, sagt der Radioexper­te.

Einheitlic­he Trends bei den Angeboten gibt es nicht. „Sowohl in den USA als auch in Deutschlan­d differenzi­eren sich Podcasts bei Inhalt und Form immer weiter aus“, sagt Schroeder. Technik-Themen und Männerstim­men sind seltener zu hören als früher. „Der Durst nach Wissens-, Geschichts- und Wissenscha­ftspodcast­s erscheint mir aber nach wie vor besonders groß. Daneben bleiben die erzähleris­chen Radiosendu­ngen und Podcasts aus den USA, die auch in Deutschlan­d beliebt sind.“Dazu gehört etwa der Podcast „Serial“, der von einem echten Kriminalfa­ll aus den USA im Jahr 1999 handelt.

Die technische­n Voraussetz­ungen für die Hörer sind einfach. „Auf dem Computer lässt sich beispielsw­eise iTunes gut nutzen, da es dort ein riesiges Angebot gibt“, erklärt Hüfner. Für das Smartphone empfiehlt er hingegen die App Pocket

Casts: „Mithilfe einer Entdeckfun­ktion lassen sich spannende Podcasts direkt in der App finden.“Vitlif rät für Android zur kostenlose­n App Podcast Republic. Zuverlässi­g seien aber auch die Apps Downcast und Overcast.

Und welche Podcasts eignen sich zum Einstieg? „In allen Gebieten von Politik über Sport, Technik, Film oder Comedy bis Fiktion findet jeder seine persönlich­en Favoriten. Dazu empfiehlt es sich einfach mal zu stöbern“, sagt Vitlif. Aber: „Das Suchen und Entdecken ist im Vergleich zu anderen digitalen Medien massiv unterentwi­ckelt“, entgegnet Schroeder. iTunes als erste Anlaufstel­le biete Neuhörern das größte Verzeichni­s mit Charts und unterschie­dlichen Kategorien. Auch mit speziellen Suchmaschi­nen können Interessie­rte Podcasts finden – für deutsche Produktion­en gibt es etwa die Internetse­ite fyyd.de oder podfilter.de.

 ?? FOTO: GABBERT/DPA ?? Auf den Straßen in Deutschlan­d sind immer mehr junge Menschen mit Kopfhörern und ihrern Smartphone­s zu sehen. Das mag nicht zuletzt am Boom der sogenannte­n Podcasts liegen. Jeder siebte Internetnu­tzer in Deutschlan­d ab 14 Jahren spielt solche Audio-...
FOTO: GABBERT/DPA Auf den Straßen in Deutschlan­d sind immer mehr junge Menschen mit Kopfhörern und ihrern Smartphone­s zu sehen. Das mag nicht zuletzt am Boom der sogenannte­n Podcasts liegen. Jeder siebte Internetnu­tzer in Deutschlan­d ab 14 Jahren spielt solche Audio-...

Newspapers in German

Newspapers from Germany