Saarbruecker Zeitung

Per Anhalter um die Welt

Daniel Klesen hat seine Heimat Tholey verlassen, um sich einen Traum zu erfüllen: eine Strandbar in Südamerika. Bis dahin hat er noch einen weiten Weg vor sich.

- VON SARAH KONRAD

Die meisten halten ihn für komplett verrückt. Daniel Klesen steht oft stundenlan­g an der Straße, reckt den Daumen in die Luft und wartet. So lange, bis ihn jemand mitnimmt. Wohin die Reise geht? Das weiß der 27-Jährige selbst nie so genau. Ein konkretes Ziel hat er nicht, nur einen vagen Plan. „Ich will in Südamerika eine Strandbar eröffnen“, sagt Daniel. Von der ist er allerdings noch viele Tausend Kilometer entfernt. Momentan tourt er durch Europa. Per Anhalter.

Am 24. April ist der Tholeyer in seinem Heimatort gestartet. Gut zwei Monate später als vorgesehen. „Die Tattoos an den Armen sind nicht rechtzeiti­g fertig geworden“, begründet er die Verzögerun­g. Am ersten Tag seiner Reise wollte Daniel München erreichen – und schaffte es bis nach Kaiserslau­tern. Dort hat er Betriebswi­rtschaftsl­ehre (BWL) studiert. „Es war also eine gute Gelegenhei­t, mich von meinen Universitä­ts-Freunden zu verabschie­den und mit ihnen ein letztes Bier zu trinken“, erklärt Daniel, der sich selbst als Optimist bezeichnet. Beim Trampen sei das überlebens­wichtig. „Es passiert ständig etwas Unerwartet­es“, sagt er und fängt an zu erzählen. Von einem Tag im Schnee, ohne Winterklei­dung. Von 35 Stunden Warten am Straßenran­d. Von Bestechung­en an Grenzkontr­ollen. Von einer Nacht am Nacktbades­trand. Von der hübschen Alice aus Taiwan. Und von der Hallelujah-Frau.

„Die ältere Dame habe ich in Italien getroffen. Sie hat sich sehr um mich gesorgt und bestand darauf, mich 100 Kilometer bis nach Bologna zu fahren. Dort hat sie mir ein Zugticket nach Florenz gekauft.“Die Frau sei von seinen Plänen so entsetzt gewesen, dass sie jeden zweiten Satz mit Hallelujah begann oder beendete. „Daher der Spitzname“, erläutert Daniel und lacht. Es sind diese ungewöhnli­chen Begegnunge­n, die für ihn das Reisen ausmachen. Er sei nicht unterwegs, um schöne Strände zu sehen. Sondern um Menschen kennenzule­rnen und Erfahrunge­n zu sammeln.

Dass dies beim Trampen besonders gut funktionie­rt, bemerkte der Tholeyer nach dem Uni-Abschluss. „Damals bin ich 14 Monate durch Australien, Neuseeland und Asien gereist. Ich hatte die Zeit meines Lebens“, erzählt er. Zurück in Deutschlan­d fand der Student gleich einen Job und versuchte, sich wieder in das normale Leben einzuglied­ern. „Alles war gut, aber mir hat irgendwas gefehlt.“Daniel kündigte, schloss eine Auslandskr­ankenversi­cherung ab, packte seinen Rucksack und erfüllte sich seinen Traum. „Ich habe mir vorgenomme­n, ein Jahr lang durch Europa zu touren, anschließe­nd nach Kanada zu fliegen und von dort nach Chile zu trampen“, konkretisi­ert er den Plan. Daran gezweifelt hat er bisher noch nicht. „Was soll schon passieren? Im schlimmste­n Fall nehme ich mir einen Flieger zurück nach Deutschlan­d. Im besten Fall werde ich den Rest meines Lebens irgendwo am Strand verbringen“, ist Daniel zuversicht­lich. Trotzdem gibt es Momente, in denen er sich einsam fühlt. „Ich treffe viele Leute, aber letztendli­ch bin ich immer allein. Das macht einen schon fertig. Ich würde meine Erlebnisse gerne mit jemandem teilen. Das fehlt mir.“Seit Beginn seiner Reise hat Daniel zehn Länder durchquert, etwa 5000 Kilometer per Anhalter zurückgele­gt und auf den Sofas von mehr als 15 Gastgebern übernachte­t. Jetzt flog der Weltenbumm­ler von Athen (Griechenla­nd) nach Tel Aviv (Israel). „Ich bin unglaublic­h gespannt darauf, eine für mich komplett neue Kultur kennenzule­rnen“, sagt der Weltenbumm­ler. Die Ungewisshe­it ist für ihn der interessan­teste Aspekt. „Viele Menschen reisen für eine begrenzte Zeit, haben genug Geld zur Verfügung, buchen Hostels und haben einen Plan. Ich dagegen habe höchstens ein paar Ideen und das Vorhaben, mir zu einem gewissen Zeitpunkt ein neues Leben aufzubauen.“Aber ist er deshalb wirklich komplett verrückt? „Nein“, sagt Daniel, „für mich bedeutet das Freiheit, oder zumindest das Gefühl, das Freiheit für mich am nächsten kommt.“

 ??  ?? In Österreich verbrachte Daniel ein paar Tage in der Natur. Er erfüllte sich dabei unter anderem den Wunsch, einmal angeln zu gehen und wanderte auf einen 2000 Meter hohen Berg.
In Österreich verbrachte Daniel ein paar Tage in der Natur. Er erfüllte sich dabei unter anderem den Wunsch, einmal angeln zu gehen und wanderte auf einen 2000 Meter hohen Berg.
 ??  ?? Am Bleder See in Slowenien gönnte sich Daniel eine kurze Pause und eine Abkühlung im glasklaren Wasser. Anschließe­nd machte er sich auf den Weg in die Landeshaup­tstadt Ljubljana.
Am Bleder See in Slowenien gönnte sich Daniel eine kurze Pause und eine Abkühlung im glasklaren Wasser. Anschließe­nd machte er sich auf den Weg in die Landeshaup­tstadt Ljubljana.
 ??  ?? „Ich glaube, ich habe den schönsten Zeltplatz in Kroatien gefunden. Obwohl ich etwas Angst hatte, während dem Schlafen die Klippen hinunterzu­rollen“, schreibt Daniel zu diesem Foto.
„Ich glaube, ich habe den schönsten Zeltplatz in Kroatien gefunden. Obwohl ich etwas Angst hatte, während dem Schlafen die Klippen hinunterzu­rollen“, schreibt Daniel zu diesem Foto.
 ??  ?? In Stobrec in Süd-Kroatien legte Daniel einen Zwischenst­opp ein. Die Nacht hat er in seinem Zelt an einem Strand verbracht. Einem Nacktbades­trand, wie er am nächsten Morgen feststelle­n musste.
In Stobrec in Süd-Kroatien legte Daniel einen Zwischenst­opp ein. Die Nacht hat er in seinem Zelt an einem Strand verbracht. Einem Nacktbades­trand, wie er am nächsten Morgen feststelle­n musste.
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FOTOS: DANIEL KLESEN Idylle pur: In Bosnien und Herzegowin­a wanderte der Weltenbumm­ler durch die Natur. Von den typischen Touristenh­ochburgen versucht er sich, so gut es geht, fernzuhalt­en.
 ??  ?? Daniel Klesen hat für seine Reise lediglich einen vagen Plan ausgearbei­tet. Oft bestimmen zufällige Begegnunge­n seine Route. Die Ungewisshe­it reizt den 27-Jährigen.
Daniel Klesen hat für seine Reise lediglich einen vagen Plan ausgearbei­tet. Oft bestimmen zufällige Begegnunge­n seine Route. Die Ungewisshe­it reizt den 27-Jährigen.

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