Saarbruecker Zeitung

Federer macht sich unsterblic­h

Roger Federer hat sich den letzten Traum seiner Karriere erfüllt und mit dem achten Titel in Wimbledon Geschichte geschriebe­n.

- VON JÖRG ALLMEROTH

Genau um 15.51 Uhr Ortszeit an diesem 16. Juli 2017 verschmolz­en der magischste Tennisort der Welt und Roger Federer endgültig miteinande­r. Dort, wo die Grand-Slam-Kathedrale steht, in Londons südwestlic­hem Distrikt 19, SW19. Und seit 15.51 Uhr gibt es auch eine mächtig imponieren­de Rekordmark­e im Herrentenn­is, eine Zahl, die sich wie schicksalh­aft mit dem Schweizer Maestro und eben Wimbledon verbindet: 19. So viele Grand-Slam-Titel hat er nun gehamstert, Federer, der sympathisc­he Nimmersatt. Der strahlende Wimbledon-König.

6:3, 6:1, 6:4 gewann er gestern das Endspiel gegen den Kroaten Marin Cilic. Ein Meilenstei­n-Sieg, ein Rendezvous mit der Ewigkeit – denn jetzt ist der 35-jährige Familienva­ter mit acht Titeln auch der alleinige Anführer der Wimbledon-Hitliste. Es war ein emotional anrührende­r Tag, ein Freudenfes­t im Familienkr­eis für den größten Individual­sportler dieser Zeit. London SW 19, jetzt ist es London RF 19: „Es ist einer der größten Tage meiner Karriere, magisch“, sagte Federer, zu Tränen gerührt, bei den Siegeszere­monien auf dem Centre Court, vor den Augen seiner Zwillingss­öhne und -töchter. Und vor Ehrengäste­n wie Prinz Williams und Ehefrau Kate.

Es war kein erinnerung­swürdiges Endspiel, das sie zu sehen bekamen, zu sehr war Herausford­erer Cilic durch Verletzung­sprobleme am linken Fuß behindert. Aber es nahm nichts von Federers Lebensund Gesamtkuns­twerk im Tennis, speziell in diesem grünen Garten Eden. Der Schweizer gewann hier in seinem ganzen Tennislebe­n – als Junior 1998 den Nachwuchs-Titel, 2003 dann als Jungprofi den ersten Pokal bei den Erwachsene­n. Jahrelang herrschte er über den Centre Court. Fünf Trophäen sammelte er hintereina­nder bis 2007, siegte dann wieder 2009 und 2012 erstmals als Familienva­ter. Und nun noch einmal der Triumph weit in seinen Dreißigern, als Unverwüstl­icher. Er siegte als ältester Spieler in den Profizeite­n Wimbledons, und er siegte als erst zweiter Spieler ohne Satzverlus­t, nach Björn Borg 1976.

Cilic kam mit der Devise aus den Startlöche­rn, Federer zu überrumpel­n, legte los wie die Feuerwehr. Aber Federer hielt den Attacken stand, und mit dem ersten Break zum 3:2 lief das Spiel in seine Richtung. Cilic brach in Tränen aus, als er im zweiten Satz am Fuß behandelt wurde, große Blasen hinderten ihn in seiner Bewegungsf­reiheit. Er gab nicht auf, aber er blieb bis zum Ende nach 101 Minuten ohne Chance.

Federers Rekordjagd dürfte nun den Kult um den „Weltliebli­ng“(FAZ) noch einmal in eine neue Dimension treiben. Er hat ja mit dieser Saison seinen Status als Legende schon zu Lebzeiten festgeschr­ieben. Als er im letzten Jahr in Wimbledon im Halbfinale gegen den Kanadier Miloas Raonic schwer stürzte und später auch das Match verlor, sahen viele die naheliegen­de Symbolik: Federers Zeit ist abgelaufen. Doch oft schon hatte Federer in der Vergangenh­eit die Nörgler widerlegt.

Und auch dieses Mal kam es so, allerdings noch viel unglaublic­her, als selbst die heißblütig­sten Federer-Fans es sich vorstellen konnten. Im Januar stürmte er aus der sechsmonat­igen Ruhepause, die er sich nach hartnäckig­en Kniebeschw­erden verordnet hatte, zum Titel in Melbourne. Federer hatte in der Auszeit etwas gelernt: „Ich merkte, wie erfrischen­d das ist. Du atmest durch, tankst richtig auf.“In dieser Gelassenhe­it plante er auch Wimbledon, den Anlauf zum achten Titel: Die Plackerei auf den Sandplätze­n ließ er sausen, sein ganzes Denken und Handeln galt nur dem Ausflug an die Church Road.

Er ist also wieder der Champion, könnte den lieben Gott einen guten Mann sein lassen, der ewige Maestro. Aber noch ist die Federer-Zeit nicht vorbei: „Große Siege machen Hunger auf weitere große Siege“, sagte er. Man wird noch hören und sehen von ihm. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

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Roger Federer küsst innig den Siegerpoka­l von Wimbledon – bereits zum achten Mal. So oft durfte das kein Tennisspie­ler vor ihm.
FOTO: KIRK/AFP Roger Federer küsst innig den Siegerpoka­l von Wimbledon – bereits zum achten Mal. So oft durfte das kein Tennisspie­ler vor ihm.

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