Mit vereinten Kräften gegen Froome
Die Gesamtwertung in der Tour de France ist so spannend wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Christopher Froome muss sich ständiger Attacken erwehren.
(sid) Das Imperium hat zurückgeschlagen, der Tour-Regent fährt wieder in Gelb – doch die Konkurrenz verlangt Christopher Froome alles ab: „Dass ich so schnell wieder die Gesamtführung besitze, hätte ich nicht geglaubt“, sagte der Sky-Kapitän, nachdem er seinen Hauptrivalen Fabio Aru am Samstag düpiert und das „Maillot jaune“einen Tag später in einem erbitterten Kampf behauptet hatte: „Es ist so eng an der Spitze, ab jetzt kämpfen wir um jede Sekunde.“
Mit seinem Husarenstück auf der 14. Etappe, als er beim Sieg des Australiers Michael Matthews vom deutschen Team Sunweb im Bergaufsprint von Rodez eine kleine Schwäche von Aru eiskalt ausgenutzt hatte, kehrte Sky-Kapitän Froome ins Führungstrikot zurück – 48 Stunden, nachdem Aru es ihm abgejagt hatte. „Er liebt einfach Überraschungen“, schrieb das Tour-Organ L‘Équipe.
Gestern verteidigte Froome auf einer knallharten 15. Etappe, die in Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin einen glücklosen Ausreißer erlebte, mit einem wahren Kraftakt Gelb. Beim Tagessieg des Niederländers Bauke Mollema hatte der Brite ausgerechnet in dem Augenblick einen Defekt, als der im Gesamtklassement mit nur 23 Sekunden Rückstand drittplatzierte Franzose Romain Bardet am Col de Peyra Taillade (1. Kategorie) rund 40 Kilometer vor dem Ziel attackierte. „Das war richtig Stress für mich“, sagte Froome. „Ich musste das Maximum geben, um zurückzukommen.“Nach einer beherzten Aufholjagd kam der erschöpfte Brite an der Seite von Aru und Bardet 6:25 Minuten nach Mollema ins Ziel in Le Puy-en-Velay und wahrte damit den Status quo.
Der 104. Frankreich-Rundfahrt winkt auf dem Weg durch die Alpen nach Paris ein Herzschlagfinale sondergleichen. Froome führt mit 18 Sekunden vor Aru (Astana), dem wiederum der französische Hoffnungsträger Bardet (AG2R/+0:23) und der Kolumbianer Rigoberto Uran (Cannondale/+0:29) im Nacken sitzen. Marcel Kittels Quick-Step-Kollege Daniel Martin (Irland/+1:12), der als einziger gestern Zeit auf Froome gutmachte, und der Spanier Mikel Landa (+1:17) als zweiter Sky-Trumpf liegen ebenfalls in Schlagdistanz. „Ich habe prophezeit, dass diese Tour meine größte Herausforderung wird“, sagte der dreimalige Champion Froome und darf sich bestätigt sehen. Insbesondere die Alpen-Etappen am Mittwoch über den Galibier und am Donnerstag auf den Col d‘Izoard versprechen Höchstspannung. „Wir wussten, es wird ganz eng zugehen“, sagte Froome.
Kaum einer der Mitfavoriten hatte bislang die Gelegenheit und auch das Vermögen, sich von seinen Konkurrenten entscheidend zu lösen. Die Tour-Choreographie mit insgesamt nur drei Bergwertungen und wenigen Zeitfahr-Kilometern hat bislang die Erwartungen des Veranstalters erfüllt. Die Dramaturgie spitzt sich zu.
Aru hatte am Samstag eine schlechte Position vor der giftigen Zielrampe und bezahlte dafür. Während Aru (“Ich habe es unterschätzt und bin zu weit hinten gefahren“) bei Astana nach den Ausfällen zweier wichtiger Helfer nahezu auf sich allein gestellt ist, unterstreicht Sky bislang seine Dominanz. Als einziger der Sieganwärter verfügt Bardet über eine annähernd ähnlich starke Mannschaft, die am Sonntag selbst Sky eindrucksvoll in die Defensive zwang. „Nichts ist unmöglich“, sagte der 26-Jährige, der die Hoffnungen der Franzosen auf den ersten Tour-Triumph seit Bernard Hinault (1985) trägt.
Beim deutschen Team Sunweb herrschte derweil allerbeste Stimmung. Erst hatte Warren Barguil als Franzose am Nationalfeiertag in Foix am Freitag triumphiert, dann kochte Matthews in Rodez den favorisierten belgischen Olympiasieger Greg Van Avermaet ab. „Zwei Tage Champagner – es könnte schlimmer sein“, meinte Simon Geschke, einer von zwei deutschen Fahrern im Team.