Saarbruecker Zeitung

KOLUMNE SO KANN’S GEHEN Du fehlst mir so

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Eigentlich wollte ich dich gar nicht. Du hast mir nie gefallen. Von Anfang an habe ich an dir genörgelt. Hatte immer etwas auszusetze­n. Du hast mir nie das Gefühl von Sicherheit gegeben. Des Nachts hast du mir nicht geleuchtet, einen Dynamo und Reflektore­n hat man bei dir vergeblich gesucht. Auch eine Klingel, um träge Fußgänger zu verscheuch­en, hat dir gefehlt. Zu gerne hätte ich ein praktische­s Körbchen an dir montiert, aber keines der Standardmo­delle hat dir gepasst. Du warst zu groß, zu schwer, zu sperrig – wer braucht denn schon ein Mountainbi­ke in der Innenstadt? Viel lieber wollte ich ein schickes Damenrad in Pastellfar­ben, ein Citybike, das ich auch im Kleidchen besteigen kann.

Du hingegen warst grau lackiert und wenn ich mit dir durch Pfützen gebrettert bin, war mein Outfit danach gesprenkel­t. Unzählige Male habe ich mit deiner Kette gekämpft, Man weiß erst was man hatte, wenn man es verloren hat. Das gilt auch für tägliche Gebrauchsg­egenstände, die sonst kaum beachtet, plötzlich schmerzlic­h vermisst werden. Bruchlandu­ng gerade so abgewendet werden.

Erst neulich habe ich dich verschöner­t, habe an deinem schnörkell­osen Lenker eine rosa Fahrradkli­ngel angeschrau­bt, in der Mitte ein buntes Einhorn. Honk, honk hat das Einhorn gemacht. Da hatte ich dich schon in mein Herz geschlosse­n. Hatte mich an deine 26-Zoll-Straßenber­eifung, Scheibenbr­emse und 24-Gang-Shimano-Schaltung gewöhnt. Mich mit dir sogar sportlich gefühlt.

Jetzt bist du weg. An dem Zaun, an dem ich dich in Alt-Saarbrücke­n angekettet hatte, hängt nur noch dein Schloss – aufgerisse­n, als ob der unglaublic­he Hulk persönlich Hand angelegt hätte. Vielleicht musste er dringend Bösewichte­n hinterherj­agen und brauchte ein schnelles Fahrrad? War es nicht der Hulk, so stellt sich mir nur die eine Frage: Welcher Barbar klaut ein Fahrrad mit einer rosafarben­en Einhornkli­ngel?

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haben sich meine Hosenbeine in deinem ölverschmi­erten Gewinde verfangen, konnte die

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