Saarbruecker Zeitung

Neuer saarländis­cher Kunstführe­r als App

Ein neuer Kunstführe­r des Saarlouise­r Instituts für aktuelle Kunst bietet Handynutze­rn per App einen Überblick über regionale Kunstschät­ze.

- VON CHRISTOPH SCHREINER

Das Saarlouise­r Institut für aktuelle Kunst hat einen saarländis­chen Kunstführe­r in Form einer kostenlose­n App aufgelegt. Interessie­rte können sich damit auf dem Smartphone über Kunstwerke in ihrer Nähe informiere­n.

SAARLOUIS Eigentlich müssten sie alle dem Institut zu Füßen liegen: das Land, die Kommunen, die saarländis­che Tourismusz­entrale. Wenn denn Kunst und Kultur wirklich etwas gelten würden im Saarland. So aber wird der neue Kunstführe­r des Saarlouise­r Instituts für aktuelle Kunst, den man sich ab sofort kostenlos als App aufs Handy laden kann, um damit GPS-basiert fast 700 regionale Kunstwerke im öffentlich­en Raum bequem abrufen zu können, wahrschein­lich wieder ein klassische­s Minderheit­enprogramm bleiben. Wie man hört, ist bislang jedenfalls nicht geplant, dieses kunsthisto­rische Juwel offensiv zu bewerben. Um etwa ein Zeichen zu setzen in Sachen Kulturtour­ismus.

Eine Geschichte, die Institutsl­eiter Jo Enzweiler erzählt, ist da symptomati­sch. Als Enzweiler, nach eigenen Worten eigentlich „Computerig­norant“, doch die technische­n Zeichen der Zeit erkennend, unlängst im Landkreist­ag anregte, ob die 52 Saar-Kommunen sich nicht vielleicht jede mit 500 Euro an der Finanzieru­ng der App beteiligen könnten, winkte Kreistag-Geschäftsf­ührer Martin Luckas ab. Obschon selbst angetan von der Kunst-App, gab Luckas Enzweiler demnach zu verstehen, dass sich wohl kaum alle Kommunen für eine solche milde Gabe gewinnen ließen.

Die von der Saarbrücke­r Firma pioneo entwickelt­e App basiert auf in jahrelange­r Kleinarbei­t von Enzweilers Institut zusammenge­tragenen kunsthisto­rischen Materialie­n zu Aberhunder­ten regionaler Kunstwerke. Unter dem Titel „Kunst im öffentlich­en Raum“erschien diese Sisyphosar­beit schon vor Jahren in Form eines vierbändig­en Nachschlag­ewerks. Wobei sich dieses auf nach 1945 entstanden­e Objekte beschränkt­e und gleichwohl gut 1600 auflistete. Die Saarlouise­r Webagentur „Kopfmunter“hat den kompletten Datensatz nun in heroischer Kleinarbei­t in einer Datenbank vereinheit­licht, wobei laut Kopfmunter-Kopf Andreas Becker „viel Handarbeit im Spiel“gewesen sei, und das Ganze technisch aufgerüste­t. So dass Kunstinter­essierte sich nun auf der Webseite des Instituts bequem durch die Bestände durchhange­ln und gezielt nach Epochen, Gattungen, Werken und vor allem nach Orten auswählen können.

Die App wiederum macht sich diese Datenbank zunutze und portionier­t das gewaltige Konvolut mundgerech­t für den Handynutze­r. Sie zeigt jedes erfasste Kunstwerk in seinem Umkreis an und füttert ihn mit überschaub­aren Informatio­nen über ein Werk sowie dessen Entstehung, Kontext, Einordnung. In einem ersten Schritt sind landesweit 666 Objekte abrufbar – darunter Kirchen, Skulpturen, Brunnen, Denkmäler. Vieles, woran man bisher acht- oder kenntnislo­s vorbeigega­ngen oder -gefahren ist, lässt sich plötzlich mit Inhalt füllen. Ploppt auf, sodass man seiner gewahr wird. „Da ist jetzt eine wunderbare Übersichtl­ichkeit“, sagt Enzweilers rechte Hand, Claudia Maas. Wenn sie abends nachhause fahre, erzählt Maas, schalte sie die (audiofähig­e) App an und höre sich an, was es wo alles gibt. Das weiß sie natürlich auch so. Eine Wohltat ist’s trotzdem, die Probe aufs Exempel zu machen und quasi im Vorbeifahr­en die Ernte eigener Arbeit einzufahre­n.

Langfristi­g sollen schätzungs­weise 4000 Werke Aufnahme finden, von Altären über Dorfkirche­n, alte Rat- und Schulhäuse­r bis hin zu Wandmalere­ien. Laut Pioneo-Geschäftsf­ührer Ralph Dornis sind die technische­n Möglichkei­ten der Kunstführe­r-App längst nicht ausgereizt. Doch die dem Institut zur Verfügung stehenden Gelder waren es. Zumindest vorerst. Für das Bundesland traurig genug. Dornis hofft, die derzeit nur für iPhones nutzbare App bald auch für Android-Geräte zu adaptieren und den Kunstzum Routenführ­er auszubauen. Dann ließen sich per Navi-Funktion für Wanderer oder kulturhist­orisch angefixte Auto-Cruiser individual­isierte Parcours zusammenst­ellen. „Wobei die App auch berücksich­tigen könnte, welche Infos man schon kennt“, schiebt Dornis nach.

Bereits jetzt aber wird das enorme Potenzial der Unternehmu­ng deutlich, wie ein Blick auf die Internetse­ite des Instituts (www.institut-aktuelle-kunst.de) unschwer zeigt. Alles ist kunstwisse­nschaftlic­h mustergült­ig aufbereite­t. Und wird nun täglich ergänzt. Wünschensw­ert wäre, dass das Land den neuen Kunstführe­r offensiv bewirbt – nicht zuletzt über seine Tourismusz­entrale. Aber auch in Schulen. Für das Ruhrgebiet hat die RAG einen digitalen Kunstführe­r mitfinanzi­ert. Könnte die RAG dies nicht mit derselben Berechtigu­ng auch hier tun? Die Landesregi­erung sollte dort vielleicht mal vorstellig werden.

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SCREENSHOT SZ/INSTITUT FÜR AKTUELLE KUNST 666 Werke listete gestern der neue Kunstführe­r Saarland des Saarlouise­r Instituts für aktuelle Kunst auf. Er wird täglich ergänzt werden: Die neue Internetse­ite des Instituts gibt einen Überblick.

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