Saarbruecker Zeitung

Die Royals zwischen Merkel und Marzahn

Friede, Freude, Aprikosenk­uchen: Beim Deutschlan­d-Besuch des britischen Königspaar­s ging es um fast alles, nur nicht um den Brexit.

- VON TERESA DAPP, CAROLINE BOCK UND GISELA GROSS

„Die sind genauso, wie man sie sich vorgestell­t hat.“

Die neunzehnjä­hrige Nina Tochter von Berlins Regierende­m

Bürgermeis­ter Michael Müller

(dpa) Der kleine Prinz ist müde. Bei der Ankunft der Royals in Berlin verlässt George, drei Jahre alt und Dritter der britischen Thronfolge, als Erster die Maschine – wie immer in kurzen Hosen und augenschei­nlich gerade aufgewacht. Er reibt sich die Augen und baumelt an der Hand seines Vaters William. Schwester Charlotte (2) sitzt zuerst auf dem Arm von Mutter Kate, dann geht die Familie Hand in Hand über den Flughafen.

So beginnt der erste Deutschlan­dbesuch von Prinz William mit Frau und Kindern – der vielleicht beliebtest­en Markenbots­chafter Großbritan­niens in einer Zeit, in der das Land mit seinem Brexit-Votum den Europäern viel Ärger einbrockt.

Die Garderobe der Vier: in royalem Blau. Will man das unbedingt als Kleiderdip­lomatie sehen, könnte man vielleicht sagen: Kates Kleid leuchtet in Europa-Blau. Erste Station: Bundeskanz­leramt, Mittagesse­n mit Angela Merkel (63, CDU). Es gibt Kabeljau und Gespräche, unter anderem über Europa, wie das Bundespres­seamt angekündig­t hat. Nach draußen dringt wie üblich erst mal nichts. Aus dem schwarzen Jaguar steigen nur William und Kate, die Kinder haben den Tag über frei. Aufwendige militärisc­he Ehren gibt es nicht, das ist schließlic­h kein Staatsbesu­ch.

Es geht um Freundscha­ft – #Freundship ist denn auch in einer Mischung aus Englisch und Deutsch eines der Schlagwört­er im Internet. Allerdings war der Trip der jungen Königshaus-Generation schon in Planung, als die Briten über ihren EU-Austritt noch gar nicht abgestimmt hatten.

So oder so, schöne Bilder zu produziere­n ist nun mal die wichtigste Aufgabe des Königshaus­es, das politisch keine Macht mehr hat, aber meist im Auftrag der Regierung im Ausland unterwegs ist.

Dazu gehört natürlich ein Gang durch das Brandenbur­ger Tor und ein Bad in der Menge. Viele Schaulusti­ge warten in der Sommerhitz­e, um eine royale Hand zu schütteln und einen Schnappsch­uss zu ergattern.

Kate und William sind zum Plaudern aufgelegt: Minutenlan­g sprechen die beiden 35-Jährigen mit den Royal-Fans, lassen sich für Selfies ablichten und posieren schließlic­h für die Pressefoto­grafen vor der Tor-Kulisse. Mit dabei ist Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD) mit Tochter Nina (19), die später sagen wird: „Die sind genauso, wie man sie sich vorgestell­t hat.“

Kate bemüht sich um Deutschken­ntnisse und fragt eine Engländeri­n, die in Deutschlan­d lebt, wie man„What‘syourname?“(Wieheißen Sie?) sage. Kate habe erzählt, „dass sie nur ganz wenig Deutsch spreche“, berichtet die Frau später.

Die Reise der jungen Royal-Generation hat aber nicht nur glamouröse und liebliche, sondern auch ernste Momente. Vom Brandenbur­ger Tor geht es zum Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Den Rundgang durch die zugehörige Ausstellun­g nennt Prinz William „sehr bewegend“.

Die beiden sprechen intensiv mit dem Holocaust-Überlebend­enden Leon Schwarzbau­m, der wie Williams Großvater, Prinz Philip, 96 Jahre alt ist. Die Royals stellen viele Fragen, lassen sich Fotos zeigen. Am Vortag erst haben sie in dem bei Danzig gelegenen ehemaligen deutschen Konzentrat­ionslager Stutthof Überlebend­e getroffen.

Weiter geht es ins Plattenbau­viertel Marzahn, wo Kate und William im Haus „Bolle“des Vereins Straßenkin­der jungen Menschen mit schwierige­n Lebensgesc­hichten zuhören. Sie lernen Teresa Enke (41) kennen, die Witwe des Torhüters Robert Enke, der sich 2009 im Alter von 32 Jahren das Leben nahm. Ihre Stiftung, die Robert-Enke-Stiftung, macht auf Depression­skrankheit­en aufmerksam. Besuche bei „Charities“, wie das in Großbritan­nien heißt, gehören zum Alltag. Anderersei­ts haben vor dem 20. Todestag von Diana sowohl William als auch sein Bruder Harry öffentlich über das Trauma gesprochen, dass der Unfalltod ihrer Mutter für sie bedeutete.

Ausklingen soll der Royal-Tag in Berlin typisch britisch: Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbende­r empfangen zum Tee im Schloss Bellevue. Kate trinkt zum Aprikosen-Streuselku­chen vom Blech aber nur Wasser, keinen Tee, heißt es.

Letzter Programmpu­nkt ist eine späte Geburtstag­sfeier, eine Gartenpart­y, für die Queen in der Residenz des britischen Botschafte­rs. Nächste Station der Deutschlan­dreise am heutigen Donnerstag: Heidelberg, mit einem Ruderrenne­n auf dem Neckar.

 ?? FOTO: GETTY IMAGES/GALLUP ?? Prinz William und Kate saßen gestern mit Bundespräs­ident Steinmeier und First Lady Elke Büdenbende­r im Garten von Schloss Bellevue.
FOTO: GETTY IMAGES/GALLUP Prinz William und Kate saßen gestern mit Bundespräs­ident Steinmeier und First Lady Elke Büdenbende­r im Garten von Schloss Bellevue.
 ?? FOTO: AFP/ANDERSON ?? Die Herzogin von Cambridge und William trafen auch Regierungs­chefin Angela Merkel im Kanzleramt.
FOTO: AFP/ANDERSON Die Herzogin von Cambridge und William trafen auch Regierungs­chefin Angela Merkel im Kanzleramt.
 ?? FOTO:AFP/ POOL /LOOS ?? War er noch im Halbschlaf? Der kleine Prinz George Hand in Hand mit seinen Eltern am Flughafen von Berlin.
FOTO:AFP/ POOL /LOOS War er noch im Halbschlaf? Der kleine Prinz George Hand in Hand mit seinen Eltern am Flughafen von Berlin.
 ?? FOTO: AFP/KALAENE ?? Das Königspaar besuchte mit Berlins Regierende­m Bürgermeis­ter Michael Müller (l) eine Einrichtun­g für Kinder aus schwierige­n Verhältnis­sen.
FOTO: AFP/KALAENE Das Königspaar besuchte mit Berlins Regierende­m Bürgermeis­ter Michael Müller (l) eine Einrichtun­g für Kinder aus schwierige­n Verhältnis­sen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany