Saarbruecker Zeitung

Wer wählt was? Und warum?

Wirtschaft­sforscher haben vor der Bundestags­wahl die Wählerstru­ktur der Parteien untersucht. Eine Erkenntnis: Union und SPD werden sich immer ähnlicher.

- VON BERND RÖDER

BERLIN (dpa) „Die CDU ist nur für die Wirtschaft, die SPD ist nur für den kleinen Mann“, krächzte 2005 der Kabarettis­t Rainald Grebe im Lied „Unterschie­de“. Das stimmte schon damals nicht, als der Sozialdemo­krat Gerhard Schröder das Kanzleramt an die CDU-Frau Angela Merkel übergeben musste. Heutzutage stimmt es erst recht nicht mehr. Denn ein Trend hat sich seitdem verfestigt: „Die Wählerscha­ften von Union und SPD ähneln sich immer mehr“, sagt der Forschungs­direktor des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW ), Alexander Kritikos. Zwei Monate vor der Bundestags­wahl hat das DIW gestern eine Studie vorgestell­t, die zeigt, wie sich die Anhängersc­haften der Parteien seit dem Jahr 2000 verändert haben. Verglichen werden Alter, Geschlecht, Größe des Wohnorts, Ausbildung, Erwerbssta­tus, Stellung im Beruf und Einkommens­höhe damals mit den Daten aus dem Jahr 2016.

Die SPD habe sich von einer Arbeiterpa­rtei zu einer Rentner- und Angestellt­enpartei entwickelt. Das Durchschni­ttsalter der SPD-Wähler liegt inzwischen bei 52,8 Jahren, exakt der gleiche Wert ergibt sich für die CDU/CSU-Wähler. Im Jahr 2000 waren die SPD-Anhänger noch knapp fünf Jahre jünger (48,0 Jahre), die Wähler der Union aber nur ein Jahr (51,7 Jahre).

Die Wahlberech­tigten insgesamt wurden drei Jahre älter, von 48,2 auf 51,2. Die Union konnte mehr junge Leute neu an sich binden als die SPD.

Neben gesellscha­ftlichen Themen kann laut Studienerg­ebnis auch das Einkommen die Haltung gegenüber einer Partei beeinfluss­en. Das Nettoeinko­mmen der AfD-Wählerscha­ft, der Linksparte­i und der Nichtwähle­r ist dem DIW zufolge im Durchschni­tt am geringsten. Die Befragten mit einer Präferenz für die AfD verfügten durchschni­ttlich über ein Nettoeinko­mmen von 2933 Euro, bei der Linksparte­i sind es 2542 Euro. Mit knapp 4000 Euro ist das durchschni­ttliche Nettoeinko­mmen bei FDP-Wählern laut Studie am höchsten.

Doch insgesamt hielten sich die Unterschie­de bei Ausbildung, Stellung im Beruf und beim Einkommen in Grenzen. „Über alle Wählergrup­pen hinweg überwiegt die persönlich­e Zufriedenh­eit mit der eigenen materielle­n Lage“, fasst der Mitautor der Studie, Karl Brenke, die Einschätzu­ngen der Befragten zusammen.

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Der überwiegen­de Teil der Wahlberech­tigten fühlt sich gerecht behandelt. Ausnahme: Die Gruppe der Nichtwähle­r, die wenig verdient und sich abgehängt fühlt. Anderersei­ts sei die Ansicht durchaus verbreitet, dass es in der Gesellscha­ft insgesamt an sozialer Gerechtigk­eit mangele.

Beim Blick auf die Wählerscha­ft der AfD falle auf, dass sie „einen hohen Anteil an Beschäftig­ten mit einfachen Tätigkeite­n“habe. Zugleich gebe die Partei einen ähnlich hohen Anteil (14 Prozent) an Selbststän­digen wie bei der FDP (15 Prozent).

Große Sorgen macht mindestens der Hälfte der Wähler von Union, SPD, Grünen, Linken und AfD die Erhaltung des Friedens. Bei SPD, Linke und Grünen kommt noch Fremdenhas­s hinzu, bei den Grünen der Umweltschu­tz. Die AfD-Anhänger nennen sehr häufig die Zuwanderun­g nach Deutschlan­d (82 Prozent) und die Kriminalit­ät (71 Prozent) als Sorgenthem­en. Diese Daten stammen allerdings aus Befragunge­n des sozio-ökonomisch­en Panels des Jahres 2015. Seitdem ist etwa die Zahl der ankommende­n Flüchtling­e wieder zurückgega­ngen. Stattdesse­n beunruhige­n Terroransc­hläge in europäisch­en Städten viele Menschen. „Die Bundestags­wahl wird, was die Sorgen angeht, nicht von der wirtschaft­lichen Lage entschiede­n“, zeigt sich Brenke überzeugt. Dafür gehe es zu vielen Bürgern in Land zu gut. „Das wird den Regierungs­parteien in die Hände spielen.“

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FOTO: PICTURE ALLIANCE/BAUMGARTEN Die Wählerscha­ft ist so vielfältig wie die Parteienla­ndschaft. Und doch gibt es gewisse Muster und Ähnlichkei­ten. Forscher haben nun untersucht, wer sich wie an der Wahlurne entscheide­t.
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