Saarbruecker Zeitung

Eine Tonne schwere Wünsche

Die „Wooden Cloud“des saarländis­chen Künstlers Martin Steinert schwebt nun in Berlin.

- VON SILVIA BUSS

BERLIN Auch Berliner haben Wünsche. Und sind durchaus willig, sie öffentlich zu äußern, vielmehr: aufzuschre­iben. Dabei sagt man den Hauptstädt­ern doch eine gewisse Schnoddrig­keit nach. Martin Steinert hat jetzt andere Erfahrunge­n gemacht. Über 1000 Berliner, Passanten, Anwohner wie Touristen, haben sich in den vergangene­n vier Wochen an seinem partizipat­orischen Kunstproje­kt beteiligt, erzählt der saarländis­che Künstler. Sie haben ihre Wünsche auf Holzlatten geschriebe­n, die er zu einer „Wooden Cloud“, einer Rauminstal­lation, zusammenge­fügt hat. Nach Saarbrücke­n und St. Petersburg hat Steinert mit finanziell­er Unterstütz­ung des saarländis­chen Kultusmini­steriums nun in Berlin seine dritte „Hölzerne Wolke“realisiert.

Vier Wochen stand der Saarbrücke­r täglich auf dem Richardpla­tz in Neukölln, hat sein Projekt erklärt und gleichzeit­ig gezimmert. Heute Abend wird das fertige Werk, das wie eine Wolke 2,50 Meter über dem Boden zwischen Bäumen – an Stahlseile­n – schwebt, in einer Finissage öffentlich gefeiert. Die Neuköllner Bürgermeis­terin wird eine Rede halten, die Landesvert­retung spendiert Erfrischun­gsgetränke. Sie hatte Steinert auch die Türen zur Verwaltung geöffnet. Nur beim Kontakt mit der Bürokratie, berichtet Steinert, hatte er manchmal eine gewisse Resevierth­eit gespürt. Nach dem Motto: Warum sollen wir uns jetzt noch einen Saarländer herholen, wir haben doch selbst genug Künstler hier? Die Leute im Kiez aber hätten reges Interesse und Wohlwollen bekundet. Die ersten Wünsche hatte Steinert beim Kunstfesti­val „48 Stunden von Neukölln“gesammelt, auch danach seien viele gekommen. Am Richardpla­tz habe Neukölln fast dörflichen Charakter, sagt Steinert, während Neukölln insgesamt vor einem Umbruch stehe. „Viele Häuser werden umgebaut, die Mieten steigen, schicke Cafés entstehen.“Die Angst vor der Gentrifizi­erung spiegele sich in vielen Wünschen. „Wir wollen, dass Neukölln so bleibt wie es war“, schreiben einige. Oder: „Ich wünsche mir, dass die Kündigung zurückgezo­gen wird.“Ansonsten gehe es, wie in Saarbrücke­n und St. Petersburg, um Frieden, Gesundheit, Familie, die Zukunft der Kinder.

Wie lange die „Wooden Cloud“im Neuköllner Kiez hängen bleiben darf, weiß Steinert noch nicht. Doch es wird wieder eine Dokumentat­ion geben. Mehrere Kreative haben ihn bei seinem Projekt begleitet: Neben dem Saarbrücke­r Fotografen André Mailänder und der St. Ingberter Medienagen­tur Skauz, die die Website betreut, diesmal auch eine französisc­he Filmkünstl­erin, Mathilde Nodenot. Der Saarbrücke­r Ingenieur Günther Schmidt-Gönner hatte im Vorfeld die Statik der rund 1000 Kilo schweren Konstrukti­on berechnet. Damit es Steinert nicht ergeht wie seinem belgischen Kollegen Arne Quinze: Dessen tonnenschw­ere Holzlatten­konstrukti­on war 2014 über den Straßen von Mons noch vor der Einweihung eingestürz­t.

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FOTO: ANDRÉ MAILÄNDER Wunschanbr­ingung mit vereinten Kräften in Neukölln.

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