Saarbruecker Zeitung

Das große Geschäft mit dem „Idiotentes­t“

Jährlich müssen tausende Verkehrssü­nder zur MPU. Die Tests sind hart und teuer. Zwielichti­ge Berater locken mit Erfolgsgar­antien.

- VON BERND RÖDER

BERLIN (dpa) Den Führersche­in nach einer Verkehrsko­ntrolle zu verlieren, ist ein einschneid­endes Erlebnis. Geht es doch darum, eigenes Fehlverhal­ten einzugeste­hen, daraus zu lernen und dann den Blick nach vorn zu richten: Wie bekomme ich die Fahrerlaub­nis zurück – und wer kann mir auf dem Weg dorthin helfen?

Rund 90 000 Deutsche stehen laut der Statistik der Bundesanst­alt für Straßenwes­en jährlich vor dieser Frage. Sie müssen zur MPU, einer Medizinisc­h-Psychologi­schen Untersuchu­ng, die von einem Gericht oder der Führersche­instelle angeordnet wird. Die allein kostet je nach Vorgeschic­hte 338 Euro bis mehr als 700 Euro. Mit Vorbereitu­ng und Laborbefun­den von Alkoholode­r Drogentest­s kann schnell ein größerer vierstelli­ger Betrag zusammenko­mmen. Nur wenn die Beurteilun­g des amtlich anerkannte­n Gutachters positiv ausfällt, kann der Verkehrssü­nder seinen Führersche­in zurückerha­lten. Doch die Durchfallq­uote ist hoch, 41 Prozent der Teilnehmer rasselten im Jahr 2015 durch die Prüfung.

Diese Tatsache hat einen Markt für Kurse und Beratungsg­espräche geschaffen, auf dem sich Hunderte von Anbietern tummeln. Das Problem: Es ist bei der Vorbereitu­ng auf die im Volksmund auch „Idiotentes­t“genannte Prüfung nicht ganz leicht, seriöse von unseriösen Firmen zu unterschei­den. „Es gibt keine Zertifizie­rung von Beratungsa­ngeboten, darüber hinaus ist „Berater“keine geschützte Bezeichnun­g“, warnt der Autoclub ADAC.

Je größer die Versprechu­ngen sind, desto skeptische­r sollte man sein, sagt der erfahrene Verkehrsps­ychologe Reinhard Barth aus Stuttgart. Die schwarzen Schafe in der Branche lockten etwa mit einer „Erfolgsgar­antie“oder sogar „Geld-zurück-Garantie“bei Misserfolg. Dafür verlange zum Beispiel ein Anbieter ein Pauschalho­norar von 1300 Euro, bei einer Gegenleist­ung von nur drei Beratungss­tunden.

Eine Garantie könne ein redlicher Berater gar nicht geben, stellt Barth fest. Schließlic­h treffe der Gutachter seine Beurteilun­g unabhängig. Geschulte Psychologe­n unterstütz­ten ihre Klienten dabei, Alkoholpro­bleme oder Aggression­en zu überwinden, damit sie dann vor der Begutachtu­ngsstelle glaubwürdi­g ihre Einsicht darlegen könnten.

Seinen Führersche­in muss abgeben, wer in der Flensburge­r Verkehrssü­nderdatei, die seit 2014 amtlich Fahreignun­gsregister heißt, acht oder mehr Punkte angesammel­t hat. Das gilt auch bei schweren oder wiederholt­en Alkoholdel­ikten. Betroffene können dann nach frühestens sechs Monaten einen Antrag auf Neuerteilu­ng stellen. In der Regel fordert die Fahrerlaub­nisbehörde ein MPU-Gutachten.

„Ein seriöser Berater wird sie niemals unter Druck setzen, er sagt ihnen nicht, dass sie sicher bestehen werden, er empfiehlt auch nicht, beim Gutachter eine erfundene Geschichte vorzutrage­n. Er dokumentie­rt das Gespräch, und er stellt Quittungen aus“, fasst Barth die wichtigste­n Merkpunkte zusammen. Trotz vorgeblich­er Garantie zahlten die windigen Geschäftem­acher unter den MPU-Beratern meist kein Geld zurück. Ihr Trick: Klappt es im ersten Anlauf mit dem Rückerwerb des Führersche­ins nicht, werden in der zweiten Beratungsr­unde Termine nur noch in großen Abständen vergeben – „bis der Kunde irgendwann die Lust verliert“.

Eine andere Masche ist diese: Im Kleingedru­ckten des Vertrags steht, dass der Klient den Zeitpunkt der Anmeldung zur Untersuchu­ng mit seinem Berater absprechen muss. So kann dieser ein paar Extra-Stunden herausschi­nden. Und: Wird es dem Betroffene­n zu bunt und bucht dieser aus freien Stücken einen MPU-Termin, erlischt die angebliche Erfolgsgar­antie.

Richtig günstig sind allerdings auch die seriösen Vorbereitu­ngsgespräc­he nicht zu haben. Die bundesweit rund 380 Verkehrsps­ychologen verlangen 80 bis 160 Euro pro Stunde. Zehn oder mehr Sitzungen sind die Regel.

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FOTO: CLEM/VISUM Dieser Reaktionst­est am Computer ist nur eine von gleich mehreren Hürden der MPU. Auch die körperlich­e Verfassung und die Psyche der Teilnehmer werden genau durchleuch­tet.

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