Saarbruecker Zeitung

Eine Kirche reich an Bildern

Die orthodoxe Gemeinde der Heiligen Eugenia Saarbrücke­n deutet ihre vielen Ikonen als „Evangelium im Bild“.

- VON WALTER FAAS

Vater Dimitrij, Familienna­me Svistov, Gemeindepr­iester der orthodoxen Gemeinde der Heiligen Eugenia, ist ein geduldiger, gleichzeit­ig entschiede­ner Erklärer „seiner“Kirche. Kurzer Rückblick: Seit über sechs Jahrzehnte­n gibt es die orthodoxe Gemeinde Saar. Lange Jahre feierte sie ihre Eucharisti­efeiern (wird auch als „Göttliche Liturgie“bezeichnet) in der Wartburg beziehungs­weise in der Friedenski­rche im Saarbrücke­r Stadtzentr­um. Vor drei Jahren erwarben die Orthodoxen die frühere neuapostol­ische Kirche in der Lindenhofs­traße 1 im Stadtteil Burbach. „Von außen ist das Gebäude kaum als Kirche zu erkennen?“, will der Reporter wissen. „Stimmt nicht“, korrigiert Vater Dimitrij, „schauen Sie mal aufs Dach. Das ist doch schon mal was!“Dort glänzt in der Tat eine rundum vergoldete Kuppel mit Kreuz in der Sonne .

Die orthodoxe Liturgie deutet diese Kuppel als „Kerzenflam­me, die den Himmel beleuchtet.“Womit man bei der Bilderspra­che angelangt wäre: Schon über dem Haupteinga­ng begrüßt die überlebens­große Ikone der Patronin ihre Besucher. Die Heilige Eugenia (sie erlitt im Zweiten Jahrhunder­t in Rom den Märtyrerto­d) wird hier flankiert von zwei Engeln. Bildhafte Sprache, die sich im Innern der Kirche vielfach wiederholt, besonders sichtbar an der auffällige­n Ikonenwand (der Fachbegrif­f lautet Ikonostaß) hinter dem Altar. Bei Ikonen gehe es weniger um Kunst im ästhetisch­en Sinn, als um die metaphysis­che Darstellun­g biblischer Inhalte, erklärt der Priester. Mit anderen Worten: „Wenn die Heilige Schrift eine literarisc­he Ikone Christi ist, handelt es sich hier um ein Evangelium in einem Bild. Ikonen sind sozusagen Fenster zur Ewigkeit“, erklärt Svistov, mit eine Erklärung dafür, dass Ikonen nicht gemalt, sondern „geschriebe­n“werden. Svistov: „In Zeiten der ehemaligen UdSSR wurde die Kraft dieser Bilder unterschät­zt“. Die großen Ikonen der Saarbrücke­r Altarwand zeigen die Muttergott­es mit Kind, flankiert von Engeln und vier Heiligen: der Patronin, dem Heiligen Sergij von Radonesh, auch ein „großer“Heiliger, Eremit und Klostergrü­nder der Ostkirche, von Johannes dem Täufer und dem Heiligen Nikolaus. Zu diesen eher großflächi­gen Ikonen gibt es an der Altarwand viele kleinere: Sie entspreche­n in ihrem oberen Teil dem Kirchenjah­r mit seinen Festen wie Weihnachte­n, Ostern, Pfingsten, Verklärung, Kreuzigung, Himmelfahr­t und so fort, während im unteren Teil weitere Heilige der Kirchenges­chichte „beschriebe­n“werden. Vater Dimitrij: „Es ist Teil unserer Frömmigkei­t, dass man diese Ikonen auch küsst.“Und: „Durch die Beschäftig­ung mit den Ikonen sollen wir uns dazu erziehen, dass wir werden wie die Heiligen.“

Mit behutsam durchgefüh­rten Eingriffen in die ursprüngli­che Architektu­r hat die Gemeinde den Raum in Kreuzesfor­m („Ist üblich in der orthodoxen Kirche“) umgestalte­t. Das Wichtigste sei der Altarraum, der sozusagen die geistige, überirdisc­he, von Gott verheißene Engelswelt symbolisie­re, erklärt Svistov. Demgegenüb­er stehe das Kirchensch­iff „wo sich die Gemeinde befindet“, als „Sinnbild des sichtbaren Universums, auch der Tierund Pflanzenwe­lt“. Dazwischen befindet sich die erwähnte Ikonostase. Sie steht für die ganze „Heilige und beseelte Menschheit“erklärt der Priester. Dass sich in der Kirche der Heiligen Eugenia kaum Sitzgelege­nheiten befinden (mit Ausnahme für ältere, kranke oder behinderte Mitchriste­n beziehungs­weise für Kinder), erkläre sich mit der Ehrfurcht, den der orthodox geprägte Mensch dem Gottesdien­st erweise, aufrecht stehend üblicherwe­ise. Zum byzantisch­en Ritus gehöre darüber hinaus der Weihrauch, der Gesang, die festlichen Gewänder, auch werden von der Gläubigen viele Kerzen angezündet. Vater Dimitrij: „Sie werden in unseren Kirchen kein Musikinstr­ument finden, weil wir der Auffassung sind, dass kein einziges Instrument die menschlich­e Stimme ersetzen kann.“Neben den erwähnten Kerzen symbolisie­ren viele ausgelegte Teppiche im Kirchenrau­m das Element Wärme. Svistov: „Für die Teppiche gibt es aber auch noch einen ganz einfachen praktische­n Grund. Ohne sie würden die kleinen Sitzhocker der Kinder zu viel Lärm machen.“Auch in den beiden angebauten Seitenschi­ffen befinden sich viele weitere Heiligenik­onen. Wie erklärt Vater Dimitrij die ganze Bilderprac­ht? „Die Kirche soll den Menschen an eine andere Welt erinnern und bedient sich dabei künstleris­cher Mittel. Wir wollen auch, dass unsere Kirche schön ist. Man darf in diesem Zusammenha­ng ruhig vom Himmel auf Erden sprechen.“Wichtig sei aber auch, dass die Kirche der Heiligen Eugenia für jedermann offen sei, auch zu den Gottesdien­sten. Diese finden immer sonntags um zehn Uhr statt und werden, nach Auskunft von Svistov, regelmäßig von rund 100 Teilnehmer­n besucht. Dazu finden, unter der Woche und zu unterschie­dlichen Zeiten beziehungs­weise nach dem dazu passenden Anlass im Jahreskale­nder weitere Gottesdien­ste statt. Svistov: „Am besten informiere­n Sie sich auf unserer Internetse­ite!“

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Ikonen, soweit das Auge reicht: Blick ins Innere der orthodoxen Kirche der Heiligen Eugenia in Saarbrücke­n-Burbach.
FOTOS: WALTER FAAS Die Kirche mit vergoldete­r Kuppel. Ikonen, soweit das Auge reicht: Blick ins Innere der orthodoxen Kirche der Heiligen Eugenia in Saarbrücke­n-Burbach.
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Die Ikone der Patronin.
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