Eine Kirche reich an Bildern
Die orthodoxe Gemeinde der Heiligen Eugenia Saarbrücken deutet ihre vielen Ikonen als „Evangelium im Bild“.
Vater Dimitrij, Familienname Svistov, Gemeindepriester der orthodoxen Gemeinde der Heiligen Eugenia, ist ein geduldiger, gleichzeitig entschiedener Erklärer „seiner“Kirche. Kurzer Rückblick: Seit über sechs Jahrzehnten gibt es die orthodoxe Gemeinde Saar. Lange Jahre feierte sie ihre Eucharistiefeiern (wird auch als „Göttliche Liturgie“bezeichnet) in der Wartburg beziehungsweise in der Friedenskirche im Saarbrücker Stadtzentrum. Vor drei Jahren erwarben die Orthodoxen die frühere neuapostolische Kirche in der Lindenhofstraße 1 im Stadtteil Burbach. „Von außen ist das Gebäude kaum als Kirche zu erkennen?“, will der Reporter wissen. „Stimmt nicht“, korrigiert Vater Dimitrij, „schauen Sie mal aufs Dach. Das ist doch schon mal was!“Dort glänzt in der Tat eine rundum vergoldete Kuppel mit Kreuz in der Sonne .
Die orthodoxe Liturgie deutet diese Kuppel als „Kerzenflamme, die den Himmel beleuchtet.“Womit man bei der Bildersprache angelangt wäre: Schon über dem Haupteingang begrüßt die überlebensgroße Ikone der Patronin ihre Besucher. Die Heilige Eugenia (sie erlitt im Zweiten Jahrhundert in Rom den Märtyrertod) wird hier flankiert von zwei Engeln. Bildhafte Sprache, die sich im Innern der Kirche vielfach wiederholt, besonders sichtbar an der auffälligen Ikonenwand (der Fachbegriff lautet Ikonostaß) hinter dem Altar. Bei Ikonen gehe es weniger um Kunst im ästhetischen Sinn, als um die metaphysische Darstellung biblischer Inhalte, erklärt der Priester. Mit anderen Worten: „Wenn die Heilige Schrift eine literarische Ikone Christi ist, handelt es sich hier um ein Evangelium in einem Bild. Ikonen sind sozusagen Fenster zur Ewigkeit“, erklärt Svistov, mit eine Erklärung dafür, dass Ikonen nicht gemalt, sondern „geschrieben“werden. Svistov: „In Zeiten der ehemaligen UdSSR wurde die Kraft dieser Bilder unterschätzt“. Die großen Ikonen der Saarbrücker Altarwand zeigen die Muttergottes mit Kind, flankiert von Engeln und vier Heiligen: der Patronin, dem Heiligen Sergij von Radonesh, auch ein „großer“Heiliger, Eremit und Klostergründer der Ostkirche, von Johannes dem Täufer und dem Heiligen Nikolaus. Zu diesen eher großflächigen Ikonen gibt es an der Altarwand viele kleinere: Sie entsprechen in ihrem oberen Teil dem Kirchenjahr mit seinen Festen wie Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Verklärung, Kreuzigung, Himmelfahrt und so fort, während im unteren Teil weitere Heilige der Kirchengeschichte „beschrieben“werden. Vater Dimitrij: „Es ist Teil unserer Frömmigkeit, dass man diese Ikonen auch küsst.“Und: „Durch die Beschäftigung mit den Ikonen sollen wir uns dazu erziehen, dass wir werden wie die Heiligen.“
Mit behutsam durchgeführten Eingriffen in die ursprüngliche Architektur hat die Gemeinde den Raum in Kreuzesform („Ist üblich in der orthodoxen Kirche“) umgestaltet. Das Wichtigste sei der Altarraum, der sozusagen die geistige, überirdische, von Gott verheißene Engelswelt symbolisiere, erklärt Svistov. Demgegenüber stehe das Kirchenschiff „wo sich die Gemeinde befindet“, als „Sinnbild des sichtbaren Universums, auch der Tierund Pflanzenwelt“. Dazwischen befindet sich die erwähnte Ikonostase. Sie steht für die ganze „Heilige und beseelte Menschheit“erklärt der Priester. Dass sich in der Kirche der Heiligen Eugenia kaum Sitzgelegenheiten befinden (mit Ausnahme für ältere, kranke oder behinderte Mitchristen beziehungsweise für Kinder), erkläre sich mit der Ehrfurcht, den der orthodox geprägte Mensch dem Gottesdienst erweise, aufrecht stehend üblicherweise. Zum byzantischen Ritus gehöre darüber hinaus der Weihrauch, der Gesang, die festlichen Gewänder, auch werden von der Gläubigen viele Kerzen angezündet. Vater Dimitrij: „Sie werden in unseren Kirchen kein Musikinstrument finden, weil wir der Auffassung sind, dass kein einziges Instrument die menschliche Stimme ersetzen kann.“Neben den erwähnten Kerzen symbolisieren viele ausgelegte Teppiche im Kirchenraum das Element Wärme. Svistov: „Für die Teppiche gibt es aber auch noch einen ganz einfachen praktischen Grund. Ohne sie würden die kleinen Sitzhocker der Kinder zu viel Lärm machen.“Auch in den beiden angebauten Seitenschiffen befinden sich viele weitere Heiligenikonen. Wie erklärt Vater Dimitrij die ganze Bilderpracht? „Die Kirche soll den Menschen an eine andere Welt erinnern und bedient sich dabei künstlerischer Mittel. Wir wollen auch, dass unsere Kirche schön ist. Man darf in diesem Zusammenhang ruhig vom Himmel auf Erden sprechen.“Wichtig sei aber auch, dass die Kirche der Heiligen Eugenia für jedermann offen sei, auch zu den Gottesdiensten. Diese finden immer sonntags um zehn Uhr statt und werden, nach Auskunft von Svistov, regelmäßig von rund 100 Teilnehmern besucht. Dazu finden, unter der Woche und zu unterschiedlichen Zeiten beziehungsweise nach dem dazu passenden Anlass im Jahreskalender weitere Gottesdienste statt. Svistov: „Am besten informieren Sie sich auf unserer Internetseite!“