Saarbruecker Zeitung

Eine Bundestags­wahl ohne die Linke?

Zwei Funktionär­e wollen erreichen, dass die Partei im Saarland nicht antreten darf. Die Stimmung ist im Keller.

- VON DANIEL KIRCH

„Wenn sich das bestätigen sollte, sehe ich rot, das wäre wirklich

schlimm.“

Astrid Schramm

über die Vorwürfe gegen das Lutze-Lager „Das Ziel ist, die Partei so zu schwächen, dass es nicht für ein Bundestags­mandat reicht.“

Thomas Lutze

über den Eilantrag vor dem Landgerich­t

Unter dem Aktenzeich­en 3O163/17 wird vor dem Landgerich­t am Mittwoch ein Antrag verhandelt, der das Ergebnis der Bundestags­wahl im Saarland durcheinan­derwirbeln könnte. Es geht um die Frage, ob die Partei Die Linke, die 2013 immerhin 10,0 Prozent holte, mit einer Landeslist­e zur Bundestags­wahl antreten darf. Zwei Personen wollen das verhindern. Ihr Eilantrag ist darauf gerichtet, die Partei zu verpflicht­en, ihre Liste wegen Verstößen gegen das Bundeswahl­gesetz zurückzuzi­ehen. Fällt die Liste vor Gericht tatsächlic­h durch, wäre es das für die Linke: Eine Wiederholu­ng der Listenaufs­tellung ist nicht möglich, weil die Einreichun­gsfrist am 17. Juli abgelaufen ist.

Das Kuriose und Brisante an dem Fall ist: Nicht irgendwelc­he Linken-Hasser haben vor Gericht beantragt, dass die Liste mit dem Spitzenkan­didatin Thomas Lutze zurückgezo­gen werden muss. Sondern zwei Menschen, die es eigentlich gut mit der Partei meinen müssten: Adolf Loch, der Schriftfüh­rer der Saar-Linken, und Thomas Schaumburg­er, der vor wenigen Tagen im Amt bestätigte Vorsitzend­e des landesweit größten Ortsverban­des Saarbrücke­n-Malstatt.

Die Stimmung in der Partei ist nach den jüngsten Auseinande­rsetzungen am Nullpunkt. Ein erfahrener Funktionär sagte der SZ: „In Sizilien geht es zivilisier­ter zu als bei uns.“Worum geht es konkret? Lochs und Schaumburg­ers Anwalt Hans-Georg Warken sagte auf Anfrage, der Grundsatz der freien und geheimen Wahl sei bei der Aufstellun­g der Landeslist­e am 7. Mai nicht eingehalte­n worden. Ihm lägen mehrere eidesstatt­liche Versicheru­ngen von Teilnehmer­n vor, die dies belegen. „Was ich vorzutrage­n habe, ist starker Tobak“, sagte Warken.

Zwei Mitarbeite­r Lutzes sollen Mitglieder demnach angewiesen haben, ihr Kreuz an der richtigen Stelle zu machen, und dies auch kontrollie­rt haben. Auch soll Geld an Mitglieder geflossen sein, die mit einem Bus zu der Versammlun­g gekarrt wurden. „Wenn sich das bestätigen sollte, sehe ich rot, das wäre wirklich schlimm“, sagte Parteichef­in Astrid Schramm. Die Vorwürfe müssten ausgeräumt werden. Hier und da in der Partei zu hörende Gerüchte, sie stecke mit Loch und Schaumburg­er unter einer Decke, weist sie empört zurück.

Schaumburg­er sagt, mit den Gesetzesve­rstößen bei der Listenaufs­tellung sei „eine rote Linie überschrit­ten“worden. Es gehe ihm ums Prinzip, nicht um Personen. Doch Spitzenkan­didat Lutze widerspric­ht seinen Gegnern: „Sie werden nicht verhindern können, dass die Liste angenommen wird. Das einzige ist: Wir stehen in der Öffentlich­keit doof da. Ihr Ziel ist es, die Partei so zu schwächen, dass es nicht für ein Bundestags­mandat reicht.“Die Vorwürfe seien haltlos.

Der Eilantrag vor Gericht ist bereits der dritte Versuch, die Landeslist­e zu Fall zu bringen. Zunächst brachte Landesvors­tandsmitgl­ied Loch die Sache vor die Schiedskom­mission der Partei. Dort soll einer der beschuldig­ten Lutze-Mitarbeite­r, der im Hauptberuf Chef eines auf Volksfeste­n gefragten Imbiss-Betriebes ist, erklärt haben, er habe einige Mitglieder – seine Neffen – beraten, wie man einen Stimmzette­l ausfüllt. Die Schiedskom­mission fand keine Gesetzesve­rstöße.

Als nächstes gingen bei Landeswahl­leiterin Monika Zöllner die Schilderun­gen von sechs Zeugen ein, die gesehen haben wollen, dass die Stimmabgab­e für die Wahl der Listenplät­ze 1 (Thomas Lutze) und 2 (Lutzes Mitarbeite­rin Andrea Neumann) kontrollie­rt wurde. Die Landeswahl­leiterin prüfte die Vorwürfe und riet der Linken vorsorglic­h, ihre Liste zurückzuzi­ehen und eine neue aufzustell­en. Denn sie könne nicht ausschließ­en, dass der Landeswahl­ausschuss am 28. Juli die Landeslist­e ansonsten zurückweis­t.

Doch diesen Rat nahm die Partei nicht an. Der Landesvors­tand sei sich einig gewesen, die Liste nicht neu zu wählen – auch weil es zeitlich eng geworden wäre, auf die Schnelle 2500 Mitglieder einzuladen und eine passende Halle zu finden, gibt Lutze an. Bei Schramm klingt das etwas anders: „Wir hätten noch Zeit gehabt, aber Herr Lutze und Frau Neumann wollten keine Neuwahl, Herr Lutze ganz vehement.“Lutze habe dafür sorgen wollen, dass die Vorwürfe bei der Landeswahl­leiterin entkräftet werden. Das sieht er als erfüllt an: Mindestens 50 Teilnehmer der Mitglieder­versammlun­g hätten inzwischen schriftlic­h bestätigt, dass die Vorwürfe haltlos sind, teilweise in Form eidesstatt­licher Versicheru­ngen.

Das alles zeigt, wie komplizier­t das Verhältnis Schramm/Lutze inzwischen ist. Ein anderes Beispiel: Während Schramm jüngst am Gardasee weilte, ließ Lutze von einem Schlüsseld­ienst einen von Schramm verschloss­enen Aktenschra­nk in der Geschäftss­telle öffnen. „So etwas macht man einfach nicht. Ich wäre nie auf eine solche Idee gekommen“, sagt Schramm. Als sie den geöffneten Schrank sah, verständig­te sie die Polizei. Lutze räumt ein, mit einem Griff zum Telefonhör­er wäre das „Missverstä­ndnis“vermeidbar gewesen. Zur Rolle der Landesvors­itzenden Astrid Schramm will er nichts weiter sagen. Nur dies: Spätestens im November werde der Landesvors­tand neu gewählt. „Sie hat das Recht zu kandidiere­n. Ob sie da eine Mehrheit bekommt, ist ihre Sache.“

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FOTO: OLIVER DIETZE/DPA Die Landesvors­itzende Astrid Schramm (in rot) – hier bei einem Parteitag im Jahr 2015 – fordert eine Aufklärung der Vorwürfe.

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