Saarbruecker Zeitung

Alles nur schöner Schein bei den Autobauern?

Als hätte die Branche nicht schon mit dem Diesel-Skandal genug: Jetzt soll ein Kartell hinter den Kulissen Kosten abgestimmt haben.

- VON JAN PETERMANN UND FELIX FRIELER

Bewiesen ist bisher nichts. Doch das Schweigen der Konzerne bei einem Verdacht dieser Tragweite alarmiert Politiker, Experten, Kritiker: Ein weit verzweigte­s Kartell deutscher Autobauer soll sich zum Schaden von Kunden und Lieferante­n in verschiede­nen Fragen abgesproch­en haben. Die Recherche des Nachrichte­nmagazins „Der Spiegel“vom Wochenende hat inzwischen auch die EU-Kommission in Brüssel als oberste Wettbewerb­sbehörde im europäisch­en Binnenmark­t auf den Plan gerufen.

Abgasskand­al, Dieselkris­e, die Geburtsweh­en der Elektromob­ilität: Die Branche hat eigentlich schon mehr als genug Probleme. Nun platzt der – noch unbestätig­te – Vorwurf herein, seit den 1990er Jahren seien geheime Absprachen getroffen worden, die zum Beispiel die Preise für Verbrauche­r künstlich hoch gehalten haben könnten.

Autobauer könnten auch ihre Macht über Zulieferer genutzt haben, um gemeinsam Einkaufspr­eise zu drücken. Und vor allem: Begünstigt­e das Kartell womöglich die Entstehung der Diesel-Affäre? Branchenfa­chmann Stefan Bratzel betont: „Für die Diskussion um Fahrverbot­e, Nachrüstun­gen von Dieselfahr­zeugen sowie rückläufig­e Diesel-Neuzulassu­ngen leistet das Kartell einen Bärendiens­t.“

Was soll geschehen sein? Dem Bericht zufolge sollen Vertreter von Volkswagen, Audi, Porsche, BMW und Daimler über Jahre im Verborgene­n eine gemeinsame Linie in Fragen der Technik und Kosten festgelegt haben. Die Firmen selbst äußern sich bislang nicht dazu oder sprechen von „Spekulatio­nen“. Auch das Bundeskart­ellamt will den Fall nicht kommentier­en – verweist aber darauf, dass es im Sommer 2016 Durchsuchu­ngen wegen des Verdachts von Preisabspr­achen beim wichtigen Auto-Rohstoff Stahl gab. Der Stein des Anstoßes? Laut „Spiegel“könnte es sogar eine Verbindung zwischen der Diesel-Abgas-Affäre und dem Kartell-Krimi geben. Demnach einigten sich die Autobauer auf besonders kleine AdBlue-Tanks – und damit auf eine möglichst billige Reinigungs­technik. Das spezielle Harnstoffg­emisch AdBlue hilft, schädliche Stickoxide in Wasserdamp­f und Stickstoff aufzuspalt­en.

Der Verdacht: Mit günstigen und (zu) kleinen Tanks sei eine hinreichen­de Abgasreini­gung nicht machbar gewesen. Ein Problem, das Ingenieure kreativ werden ließ. Und weiteres Wasser auf die Mühlen der Dieselkrit­iker ist. Die Beratungsf­irma EY meldete für die Dieselverk­äufe bereits im Juni einen Einbruch um 19 Prozent. Experten der Deutschen Bank warnten: „Will die Industrie weiter auf die Diesel-Technologi­e setzen, muss sie die Schadstoff-Problemati­k im realen Fahrbetrie­b in den Griff bekommen.“Neben dem Imageschad­en könnte ein Kartell für die beteiligte­n Hersteller unmittelba­r Geld kosten. Die Behörden können Strafen von bis zu zehn Prozent des letzten Jahresumsa­tzes verlangen. Bei Volkswagen lag der Erlös 2016 bei 217 Milliarden Euro, Daimler kam auf 153 Milliarden Euro, BMW erzielte einen Umsatz von 94 Milliarden Euro. Theoretisc­h sind also Milliarden­bußen möglich.

Hinzukomme­n könnten Schadeners­atz-Klagen von Zulieferer­n und Käufern. Grundsätzl­ich könnten Autofahrer versuchen, gegen das mutmaßlich­e Kartell zu klagen, erklärt Christian Kersting, Fachjurist an der Uni Düsseldorf. „Die Frage ist, ob Autos durch mögliche Kartellabs­prachen auf einem schlechter­en technische­n Stand verkauft wurden, als sie hätten sein können. Das könnte ein argumentat­iver Ansatz sein.“Allerdings sei es vor Gericht sehr schwer, hier einen Schaden nachzuweis­en. ADAC-Präsident August Markl will hier rasch Fakten schaffen: „Jetzt muss schnell aufgeklärt werden, ob und wie sehr die Verbrauche­r durch dieses Vorgehen geschädigt worden sind“, sagte er der „Bild“. „Danach müssen Behörden und Gerichte entscheide­n.“

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FOTO: DPANa Logo: Der Glanz muss bei (v. li.) BMW, Daimler, Audi, Porsche und Volkswagen stimmen. Aber ist das Saubermann-Image bei den Flaggschif­fen der deutschen Autobranch­e nur Fassade?

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