Saarbruecker Zeitung

Wer von einer neuen Flüchtling­sdebatte profitiere­n könnte

- VON LENA KLIMKEIT UND THOMAS LANIG

(dpa) Wenn SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz am Donnerstag nach Italien fliegt, hat er vor allem ein Ziel: Die Flüchtling­skrise, über die vor Ort ganz laut und in Deutschlan­d derzeit nur leise verhandelt wird, soll endlich auf die Agenda des Bundestags-Wahlkampfs. Nicht ungefährli­ch: Denn punkten will die SPD zwar gegen Angela Merkels Union. Aber profitiere­n könnte vor allem die AfD. Hier die wichtigste­n Fakten zum Thema: Wie angespannt ist die Lage in Italien derzeit wirklich?

Fast täglich werden Migranten im Mittelmeer gerettet und von Rettungssc­hiffen in italienisc­he Häfen gebracht. Mehr als 93 300 Menschen erreichten so seit Jahresbegi­nn das Land, 2016 waren es noch um die 86 000 insgesamt. Hilfsorgan­isationen warnen, dass das nationale Aufnahmesy­stem über kurz oder lang überforder­t sein wird. In Österreich und Deutschlan­d befürchten manche einen neuen Ansturm wie 2015 über die Balkanrout­e. Wie kommt die deutsche Flüchtling­spolitik in Italien an?

Die Bundesregi­erung versichert der Regierung in Rom stets, ihr zur Seite zu stehen. Für Italien ist Deutschlan­d wohl immer noch der verlässlic­hste unter den EU-Partnern. Aber konkret kommt aus Sicht der Italiener viel zu wenig. Und das Innenminis­terium in Berlin lässt erkennen, dass es die Lage in Italien nicht ganz so dramatisch findet. 90 000 Flüchtling­e in einem halben Jahr, so viele habe Deutschlan­d 2015 in einem Monat aufgenomme­n. Was will SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz nun erreichen?

Im Grunde spricht er nur das aus, was alle wissen: Die Flüchtling­skrise ist auch für Deutschlan­d nicht vorbei, auch wenn die Bundesregi­erung an vielen Stellschra­uben gedreht hat, um eine Situation wie 2015 nicht wieder zuzulassen. „Wenn wir jetzt nicht handeln, droht sich die Situation zu wiederhole­n“, sagt Schulz trotzdem. Er will damit vor allem Kanzlerin Angela Merkel der Untätigkei­t überführen. EU-Ländern wie Polen oder Ungarn sollten seiner Ansicht nach finanziell­e Mittel entzogen werden, wenn sie sich in Sachen Aufnahme von Flüchtling­en weiter verweigern. Deutschlan­d aber habe genug geleistet. „Jetzt sind die anderen dran.“ Nimmt der Wahlkampf in Deutschlan­d damit eine neue Wendung?

Wohl kaum. Für die SPD war immer klar, dass sie mit dem Thema Flüchtling­e in der großen Koalition kaum punkten kann. Freuen darf sich aber die AfD, deren Umfragewer­te mit dem Abebben der Flüchtling­skrise deutlich zurückging­en. Auf deren Höhepunkt im Herbst 2015 hatte die Union Stimmen an die AfD verloren. Doch Merkel hat ihren Kurs längst geändert. Das wird sie, wenn nötig, auch wieder zeigen.

Welche Rolle spielt Österreich?

Aus Wien erreichen Italien immer wieder Drohungen, etwa zur Schließung des Brennerpas­ses. Denn auch Österreich wählt, am 15. Oktober. Vor allem Außenminis­ter Sebastian Kurz von der konservati­ven ÖVP versucht sich zu profiliere­n.

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